Der Bauernphilosoph

Das Lebensbild eines Politikers aus Franken

von Dr. med. vet. Ernst Frühwald

mit einem Vorwort
von Josef Ertl, Bundesminister a. D.

Anmerkungen
von F. J. Strauß, Bayer. Ministerpräsident

einem Beitrag
von Hans August Lücker, Bonn,
Vizepräsident a. D. des Europ. Parlaments

 

 

 

 

"Nicht nur nehmen, sondern geben,
ist für jeden ein Gewinn.
Nur wenn wir nach dem Guten streben,
hat das Leben einen Sinn."

Konrad Frühwald
(1890 - 1970)

 

 

 

 

Vorwort

von
Josef Ertl
Bundesminister a. D.

Konrad Frühwald, Mitbegründer des Bayerischen Bauernverbandes, langjähriger Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes, F.D.P. - Bundestagsabgeordneter, Senator, Synodaler (1), war mein politischer Vater, d. h. auch mein persönliches und politisches Vorbild.

Zwei Männer, nach 1945, haben mein Denken und meine Verhaltensweise sehr mitgeprägt: Konrad Frühwald und mein Schwiegervater, der erste Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Prof. Dr. Niklas.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, als ich zum ersten Mal Konrad Frühwald begegnete. Es war bei einer Agrarausschußsitzung der F.D.P., die anläßlich eines Bundesparteitages in München Anfang der 50er Jahre stattfand. Konrad Frühwald war damals bereits F.D.P.-Abgeordneter, und er beeindruckte mich durch sein persönliches Auftreten, durch die Klarheit seiner agrarpolitischen aber auch gesamtpolitischen Vorstellung und durch seine Überzeugungskraft.

Ich schätze es heute noch als ein großes Glück für mich, daß aus dieser Begegnung auf lange Sicht so etwas wie ein Vater-Sohn-Verhältnis wurde. Er war oft bei mir zu Hause in der Familie, ebenso oft war ich Gast in seinem Hause. Wir führten stundenlange Gespräche, wobei er mir sicherlich mehr vermittelte, als ich ihm geben konnte. Dabei war für mich immer seine menschliche Seite, die wohl von einer großartigen inneren Harmonie gekennzeichnete war, faszinierend.

Der Mann, der nur eine 1-klassige Volksschule besuchen konnte, hatte ein umfassendes Wissen. Bezeichnend war - und ich nahm das auch als Lehrsatz mit - daß er sich als Bundestagsabgeordneter vorwiegend im Haushaltsausschuß betätigte, weil man, wie er mir erläuterte, hier ganz wesentlich mit den politischen Problemen vertraut werde und zugleich die Kontrollfunktion des Parlaments optimal nutzen könne.

Zum Wesen und zu seiner inneren Harmonie gehörte sicherlich seine tiefe Verankerung im evangelischen Glauben. Dabei - und auch das habe ich mir zur Lebensform gemacht - verabscheute er es, damit politische Tagesgeschäfte zu machen. Er gehörte ja in der Zeit von 1933 bis 1945 zu den Mutigen. Er wollte weder Mitläufer noch Akteur sein, sondern er war Bekenner im Glauben und eindeutig in der politischen Haltung zu allen Zeiten.

So zog er es vor, in der Zeit Hitlers mit seinen Schafen übers Land zu ziehen und über die Probleme dieser Welt in unserer Zeit nachzudenken. Zurecht nannte man ihn einen "Bauern-Philosophen". Er ergriff das Wort auf der Kanzel, als andere die Massen im Stechschritt durch die Straßen oder bei Aufmärschen in Stadien dahermarschierten. Dies war auch der tiefere Grund, weshalb er sich nach dem Krieg zur F.D.P. bekannte. Geradlinigkeit, Eindeutigkeit und Toleranz prägten seine Haltung. Dabei kam es durchaus auch bei diesem aufrechten Mann zu Konflikten in der Partei und mit der Partei. Aber auch solche Konflikte hat er nicht spektakulär, sondern in der ihm eigenen ausgewogenen Art ausgetragen.

Er war Bauer mit Leib und Seele sowie den Bauern als Menschen zutiefst verbunden. Für ihn war die bäuerliche Familie ein wichtiges Glied unserer Gesellschaft, nicht nur für die ländliche Struktur, sondern für die ganze Ordnung. Er wußte durchaus um die Konflikte einer modernen Landwirtschaft und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zur Anpassung für die bäuerliche Familie. Und gerade er, der außer der einklassigen Volksschule alle Weiterbildung autodidaktisch erworben hatte, wußte um die Notwendigkeit eines ländlichen Schul-, Bildungs- und Ausbildungswesens. Er war in diese Hinsicht ein sehr fortschrittlicher Mann, der die Herausforderung der Gegenwart kannte und wußte, welcher Voraussetzungen zur Bewältigung der Zukunft es bedürfe.

Wer Konrad Frühwald charakterisiert, darf auch nicht seine zutiefst patriotische und somit nationale Grundeinstellung verschweigen, er selbst hat es ja auch nie getan. Das Bekenntnis zur Geschichte, zur Tradition unseres Volkes, zu seinen Höhen und Tiefen, auch zum nationalen Selbstverständnis und damit zur eigenen Würde und Identität war für ihn selbstverständlich.

Aber er wußte genau um die Unterschiede zwischen national und nationalistisch. Mit seinen Nächsten und mit seinen Freunden verband ihn ein Verhalten, das aus christlicher Grundgesinnung heraus von Toleranz getragen war. Das macht ihn so liebens- und schätzenswert. Er strahlte eine natürliche väterliche Güte und Wärme aus. Dies durfte seine eigene Familie ständig verspüren, die er mit großer Fürsorge umgab.

An dieser Stelle möchte ich auch sein großartiges Verhältnis zu seiner sorgenden, gütigen - inzwischen verstorbenen - Gattin in Erinnerung rufen. Aber auch ich, der wie eine Sohn in dieser Familie aufgenommen wurde, spürte diese tiefe Menschlichkeit und Wärme. Dabei hatte ich das zusätzliche Glück, aus seinen Kräften, Erkenntnissen und Gedanken mein eigenes Weltbild und somit meinen eigenen Lebensweg zu gestalten. Ich bin sicher, daß mein Lebensweg ohne Konrad Frühwald anders verlaufen wäre, und daß er meinen späteren politischen Werdegang entscheidend mitgeprägt hat.

Somit schreibe ich diese Zeilen in einer tiefen inneren Verbundenheit und Dankbarkeit. Konrad Frühwald gehörte in der Tat zu jenen Menschen, die Mut und Zuversicht ausstrahlten. Er hat unseren demokratischen Rechtsstaat durch sein politisches Wirken mitgeprägt.

(1) Synodaler, Mitglied der gesetzgebenden Versammlung der Ev.-Luth. Kirche in Bayern

 

 

Zum Farbbild

"Der Bauernphilosoph aus Franken"

Aus dem Leben
des Bauern, Schäfers und Politikers Konrad Frühwald

05.06.1890 geboren in Roßbach/Mittelfranken
1919 Präsident des Bayerischen Landbundes
1928 Mitglied des Bayerischen Landtags
1945 Mitbegründer des Bayer. Bauernverbandes
1945 Vizepräsident des Bayer. Bauernverbandes
1947 Mitglied des Bayerischen Senats
1949 Mitglied des Deutschen Bundestags
1953 Referent der F.D.P. für Agrarpolitik in Bonn
1959 Senior der Landessynode der Ev.-Luth. Kirche in Bayern
19.04.1970 gestorben in Neustadt a. d. Aisch

 

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Das Gemälde von Konrad Frühwald schuf 1955 Paul Reutter aus Neustadt/Aisch.

 

 

Aus alten Zeiten

Als mein Vater nach 1933 nicht mehr politisch tätig war, hatte er Muße, an Winterabenden seiner Familie aus alten Zeiten zu erzählen. Ich will seine Berichte in direkter Rede wiedergeben, soweit ich mich nach über 50 Jahren an jene Geschichten erinnern kann.

"Das Wohnzimmer, in dem wir sitzen, war in meiner Jugendzeit dreimal so groß wie heute. An Winterabenden glich damals dieser Raum einer Werkstatt. Die Knechte flochten Weidekörbe oder Strohbänder. Die Mägde brachen Flachs auf einer hölzernen Breche, die ihr noch auf dem Dachboden sehen könnt. Aus den Flachsfasern webte der alte Rammes, der am Ortsausgang nach Baudenbach wohnte, grobe Leintücher, aus denen eure Großmutter Handtücher und Arbeitshemden nähte".

"An den Wänden des Wohnzimmers steckten über Sandpfannen Kienspäne. Man konnte bei ihrem Licht die groben Arbeiten verrichten, von denen ich euch erzählte. Um die Jahrhundertwende wurden die Kienspäne durch Petroleumlampen ersetzt. 1922 erhielt dann unser Dorf den elektrischen Strom".

"An der Stelle unseres Hauses stand früher ein Schloß. Es wurde 1524 von aufständischen Bauern aus dem Aischgrund niedergebrannt. Die Herren von Lentersheim errichteten auf den Grundmauern ihren neuen Wohnsitz, der von unseren Vorfahren 1737 erworben wurde und den ich erst 1923 umbauen ließ. Das Giebelfachwerk wurde nach den alten Maßen wieder eingesetzt".

"Unsere Vorfahren hatten auch den Burgberg erworben, der sich östlich unseres Hauses erhob. Die Mauern der ehemaligen Burg, die ebenfalls im Bauernkrieg niedergebrannt worden war, ließ der Großvater um 1870 leider abbrechen. Als ich um 1900 noch ein Kind war, konnten wir Buben den steilen Burgberg noch auf unserem Hosenboden hinabrutschen. Dann hat der Großvater auch den Berg abgetragen und an seiner Stelle einen Hopfengarten angelegt. Wir Buben fanden im ehemaligen Burggelände noch verrostete Schwerter, Hufeisen und andere metallene Gegenstände aus der alten Ritterzeit. Den sagenhaften Burgschatz suchten wir vergebens".

"Der Burgkeller blieb erhalten; er ist heute unser Rübenkeller. Der breite ummauerte Brunnen am Kellereingang war einst der Burgbrunnen. Ich habe aus ihm um 1912 noch Wasser gepumpt. Der Burgbrunnen muß wie unser neuer Brunnen über 50 Meter tief gewesen sein, weil er auch in trockenen Sommern nicht versiegte".

"Wir Bauernkinder gingen gerne in unsere einklassige Dorfschule. Da konnten wir uns am Vormittag ausruhen; denn nach dem Schulunterricht hatten wir wieder auf dem Bauernhof zu arbeiten. Wenn es in der Schule langweilig wurde, weil unsere Lehrer zeitweise keine Freude am Unterrichten hatten, sorgte ich für Abwechslung und Heiterkeit, indem ich solange mit den Ohren wackelte, bis meine Schulkameraden zu lachen anfingen. An die Ohrfeigen, die der Schulmeister dann verteilte, hatten wir uns sowieso schon gewöhnt".

Sooft der Vater davon erzählt, zeigte er uns Kindern, daß er nach Jahrzehnten immer noch mit den Ohren wackeln konnte. Dann mußten auch wir - wie damals seine Schulkameraden - lachen.

1945 kehrte der Vater wieder in die Politik zurück. Wir vermißten seine Gesellschaft in unserem Familienkreis vor allem in Erinnerung an die gemeinsamen beschaulichen Winterabende.

 

 

Die Bindung an eine strenge Familien-Tradition

Mein Vater lebte als Bauer und Christ in der Tradition seiner Familie.

Seine Mutter war eine tiefreligiöse Frau; sie war eine geborene Loscher aus Höfen. Die Familie Loscher ist ein altes Bauerngeschlecht mit der strengen christlichen Tradition der Salzburger Exulanten.

Sein Vater war Großbauer sowie Schöffe und diente um 1880 einige Jahre als Unteroffizier in der bayerischen Armee. Er erzog seine Söhne zum Gehorsam und zur Pflichterfüllung.

Nach mittelfränkischer Überlieferung hatte mein Vater als Ältester den Hof zu übernehmen und durfte nicht, wie es seiner Neigung entsprochen hätte, die Rechtswissenschaften studieren.

Ein Vorfahre der Frühwalds hatte 1737 in Roßbach den Rest eines Rittergutes mit Schloß und Burgruine erworben. Er war der Enkel eines Salzburger Exulanten. Die nächsten Generationen erwarben mit bäuerlichem Fleiß den ganzen ehemaligen Grundbesitz des Rittergutes zurück. Sie konnten den Landbesitz mehrmals zwischen ihren Söhnen aufteilen. So gab es um 1900 in Roßbach vier große Bauernhöfe, deren Besitzer Frühwald hießen und die im Dorf "Die Bauern" genannt wurden.

Die Glaubenseinstellung der Vorfahren, die unseren Hof bewirtschafteten, war ähnlich der der religiösen Anschauung der englischen Puritaner, Gott würde solchen Besitz segnen, der durch Fleiß erworben war.

 

 

Die Bibel war sein Wegweiser für das ganze Leben

Die Worte der Bibel waren meinem Vater lebenslänglich Richtschnur. Als Bauer und Schäfer fühlte er sich besonders von den Texten des Alten Testamentes angesprochen, die für ein Hirten- und Bauernvolk niedergeschrieben worden waren. Aus den Psalmen und den Apostelbriefen kannte mein Vater große Teile auswendig. In seinen Vorträgen und Aufsätzen war eine Bibelwort oft das Leitmotiv.

Als mein Vater am Anfang des Zweite Weltkrieges vom Schicksal hart getroffen worden war, stellte er als Bauer und Christ seinen weiteren Lebensweg unter das Lukaswort: "Wer den Pflug in die Hand nimmt und siehet zurück, der ist nicht berufen zum Reiche Gottes".

In den Hungerjahren der Nachkriegszeit hatte er in den Bauernversammlungen seine bäuerlichen Zuhörer auf ihr Ablieferungssoll hinzuweisen. Dabei drohte er nicht als Bevollmächtigter des Bayerischen Landwirtschaftsministeriums mit Strafen für säumige Ablieferer, sondern wandte sich meist an die christliche Einstellung der fränkischen Bauern mit den Wortes des Apostels Paulus: "Einer trage den anderen Last". Nach den Versammlungen hörte ich zuweilen aus den Gesprächen der Bauern, daß sie dieser Forderung ihres Präsidenten nachkommen wollten.

 

 

Bescheiden fromm - und das Ideal im Kaiserreich

Aus einem Brief des Johann Lorenz Frühwald, Roßbach 19

An
Konrad Frühwald
Soldat beim 19. Bayerischen Infanterieregiment in Metz

Roßbach, den 31. Oktober 1911

Mein lieber Sohn,

... sei bescheiden, fromm und verlasse Dich weniger auf Deine Intelligenz. Ich erinnere Dich an die Erkenntnis des griechischen Philosophen Sokrates, wenn er sagt: "Ich weiß, daß ich nichts weiß". Und beherzige das Wort des Apostels Paulus: "Am allerliebsten will ich meiner Schwachheit rühmen, auf daß die Kraft Christi bei mir wohne".

Dein Vater

 

 

Aus einem Kriegstagebuch von 1916 - 1918

Mein Vater wurde am 25.08.1914 in der Schlacht von Epinal mit einem Kniedurchschuß verwundet. Nach seiner Genesung wurde er an der Front in Flandern eingesetzt. Ab 01. Juli 1916 führte er ein Kriegstagebuch.

01. Juli 1916 nachmittags 05. Uhr
Granateinschläge an der Stelle, wo ich fünf Minuten vorher gestanden hatte. War es Zufall? Nein. Es war Gottes Fügung.

18. Juli 1916
Ruhe in Montigny; Industriesiedlung mit Arbeiterwohnungen ohne Küche und ohne Hausflur. Wie schön ist es dagegen in meiner Heimat.

25. Juni 1917
Ein heftiges Gewitter mit Wolkenbruch von fast einer Stunde Dauer. Gleichzeitig Trommelfeuer der Engländer auf unsere Stellung. Angriff der Engländer unter dem Schutz der Nebelgranaten. Hohe Verluste des Angreifers.
Die Erde bebte unter dem Dröhnen der Geschütze, dem rasenden Feuer der Maschinengewehre und dem Platzen der Handgranaten. Das Donnern des Gewitters wurde vom Lärm der Schlacht übertönt. Zugleich strömten die Wassermassen des Wolkenbruches unvermindert weiter und machten die Gräben zu Bächen und die großen Granattrichter zu Seen. Obwohl es noch heller Tag hätte sein müssen, war es doch ganz dunkel. Das Schlachtfeld wurde nur vom Feuer der Geschütze und den Blitzen aus den Gewitterwolken erleuchtet.

Jahreswechsel 1917/1918
Nun bin ich acht Jahre Soldat.

 

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Konrad Frühwald, Soldat beim 19. Bayerischen Infanterieregiment in Metz
Foto: Atelier Bollmann, Metz, Römerstraße 66, 1913

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"Den Hof in verbesserter Form übergeben"

Wer die Schriften und die abgedruckten Ansprachen von Konrad Frühwald liest, wird immer wieder auf seine Forderung stoßen, ein Bauer habe die soziale Pflicht, seinen ererbten Hof in verbesserter Form an die nächste Generation weiterzugeben.

Diesem Grundsatz blieb mein Vater auf seinem eigenen Hofe treu.

Er verlegte in sumpfigen Wiesen und Äckern Rohre zur Wasserableitung, baute neue moderne Ställe, fügte der Tierhaltung eine Schafherde an, wandelte das alte Schloß der Herren von Lentersheim, das seine Vorfahren 1737 erworben hatten, in ein wohnliches Haus um und ließ einen Brunnen von 52 Meter Tiefe bohren, der auch in den Trockenjahren von 1936 und 1937 nicht versiegte.

 

 

"Der Bauer ist ein Mitarbeiter des allmächtigen Schöpfers"

Die Religion meines Vaters war stark von seiner täglichen Begegnung als Bauer mit der Schöpfung Gottes geprägt. Diese Einstellung spricht auch aus seiner Laienpredigt von 1937 in der Egidienkirche zu Nürnberg, die in einer Zusammenfassung nachgelesen werden kann.

Mein Vater konnte die Einstellung eines Menschen nicht schätzen, der sein Leben ohne jede Bindung an Gott, den Schöpfer, führen wollte; er achtete aber jeden, auch den Israeliten, der seine Religion als Richtschnur seines Lebens betrachtete. Hier glich er Nathan, dem Weisen, aus Lessings Drama.

 

 

Aus einer Rundfunk-Ansprache zu Ostern 1933
des Präsidenten des Bayerischen Landbundes Konrad Frühwald

Bäuerliches Denken

Der Bauer bildet durch seine Bindung an den Boden einen eigenen Kulturkreis. Die städtische Massenkultur läßt sich mit dem Begriff "Kultur" kaum vereinbaren und ist besser mit dem Wort "Zivilisation" zu bezeichnen.

Allerdings wird die kulturelle Gestaltung des Bauern heute weitgehend durch die Technisierung der Landwirtschaft beeinflußt. Heute pflügt, sät und erntet der Bauer mit Hilfe der Maschinen. Er hat nicht mehr diese starke seelische Verbindung mit er Muttererde wie seine Väter, die in tagelanger körperlicher Anstrengung an den Samen voller Hoffnung aus der eigenen Hand der Erde anvertrauten und die mit der Sense lange vor Tagesgrauen den Ertrag ihrer Wiesen in Schwaden legten.

Heute muß der Bauer neben technischem Können über eine großes Maß an kaufmännischen Wissen verfügen. Dies ist eine absolut wirtschaftliche Notwendigkeit, für seine kulturelle Gestaltung aber eine gewisse Gefahr.

Trotz des rasenden Tempos unserer Zeit ist aber unserem deutschen Bauern eines geblieben: seine Bindung an der Väter Scholle. Aus der Verpflichtung seinen Vorfahren gegenüber setzte der Bauer seine letzte Kraft ein, um das von den Vätern Ererbte in verbesserter Form an seine Nachkommen weiterzuvererben. Ein Bauer, der anders denkt und demgemäß anders handelt, erfüllt nicht seine sittlichen Verpflichtungen seinen Vorfahren gegenüber. Er ist in seiner Seele kein Bauer geblieben. Er bringt dann nicht mehr die Kraft auf, die sein Beruf erfordert und wird als Bauer scheitern. Von seinen Kindern wird ihm der Sohn nicht verzeihen, der wie seine Vorfahren Bauer auf dem väterlichen Hof werden wollte.

Das bäuerliche Denken und Handeln folgt eigenen Gesetzen. Der Bauer ist nicht von heute, sondern von gestern, und er lebt nicht für heute, sondern für morgen. Ein Bauer hat nur eine Lebensaufgabe zu erfüllen, in der Gegenwart die Brücke von der Vergangenheit zur Zukunft zu bauen.

Aber noch etwas ist es, das den Bauern zum Träger eines besonderen Kulturbegriffes macht. Der Fluch des Schöpfers "Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen!" müßte den Bauern eigentlich seelisch am allermeisten lähmen. Es zeigt sich aber hier seine seelische Größe. Ihn stützt die Erkenntnis, trotz des Fluches einer der engsten Mitarbeiter des Weltenschöpfers zu sein. Seine tägliche Mitarbeit an Gottes Schöpfung erinnert gerade den Bauern auch an Gottes Verheißung, als dieser nach der Sintflut die Erde mit den Worten segnete: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht".

 

 

Aus einer Rundfunkansprache des Präsidenten des Bayerischen Landbundes, Konrad Frühwald, zum Muttertag 1933

Die Bäuerin in Familie und Gesellschaft

Der Beruf der Bäuerin verdient es, innerhalb der Gesellschaft mehr gewürdigt und voll anerkannt zu werden. Ich möchte die Bäuerin sogar einen vorbildlichen Staatsbürger nennen; denn sie kennt nur die Aufgabe: ihr Leben lang anderen zu dienen.

Findet aber die Bäuerin in Familie und Gesellschaft die ihr zustehende Anerkennung? Kann sie auf einem Bauernhof ihre Aufgaben auch als Mutter erfüllen? Kann eine Frau als Bäuerin glücklich sein?

Ich will in meiner Betrachtung zum Muttertag versuchen, als Bauer eine Antwort auf diese Frage zu geben.

Es wurde wissenschaftlich ermittelt, daß die tägliche Arbeitszeit einer Bauersfrau 17 Stunden beträgt. Über ihre Aufgaben hinaus, die Kinder zu erziehen und im Hause die ganze Familie zu versorgen, wird von der Bäuerin oft noch der volle Einsatz für die Arbeiten am Hof und im Feld erwartet. Eine solche Vielfach-Belastung muß zu einem vorzeitigen Verbrauch ihrer Kräfte führen.

Muß das sein?

In erster Linie könnte der Staat diesen Zustand ändern, würde er durch gezielte Maßnahmen mehr dazu beitragen, die Lebensgrundlagen in der Landwirtschaft insgesamt zu verbessern.

Auch die organische Betriebsgestaltung der Arbeitsplätze in Haus und Hof könnten der vielgeplagten Bauersfrau manche Erleichterung bringen. Muß sich bei jeder baulichen Veränderung oder Neugestaltung der Stall immer noch in der Nähe der Wohnung befinden? Die Folge ist eine weiter Weg vom Stall zur Scheune. Muß andererseits der Schweinestall weit weg von der Futterküche hinter der Scheune liegen? Es sollte selbstverständlich sein, daß die Wohnräume ohne lange Wege von der Küche aus zu erreichen sind und mit ihr in einer Ebene liegen. Die Schlafräume der bäuerlichen Familie gehören in den gesündesten Teil des Hauses. Den entlegensten Raum des Hauses kann man als Gästezimmer einrichten.

Der Bauer sollte wissen, daß auch eine Frau technische Geräte im Haushalt benötigt, die ihr die Arbeit erleichtern. Er sollte immer daran denken, daß jede körperliche Überanstrengung eine Frau und Mutter gesundheitlich schädigen kann. Unter den Folgen wird die ganze Familie leiden.

Immer noch nimmt die Großstadt den größten Teil der Menschen auf, die auf dem Lande geboren wurden und dort ihre Kindheit verbrachten. Dort wurden sie erzogen, und dort wurde ihre Wesensart weitgehend durch ihre Mutter geprägt. Die Erziehung der Kinder zu brauchbaren Menschen ist nach meiner Meinung die schönste Aufgabe einer Bauersfrau. Dabei sollte die Bäuerin vor ihren Kindern nicht über ihr Schicksal als Bauersfrau klagen, sondern ihnen bewußt die Sonnenseiten des bäuerlichen Lebens zeigen. Sie sollte ihre Kinder darauf hinweisen, daß es gerade der Bauer ist, der täglich an Gottes Schöpfung mitarbeiten darf. Und gibt es etwa Erhebenderes, als mit seinen Kindern gemeinsam die Wunderwerke des Weltenschöpfers zu bestaunen?

Um aber all dieses mit offenen Augen sehen zu können, muß der Bauersfrau auch eine besinnliche Stunde übrigbleiben. Gehetzte Menschen können aufgenommene Eindrücke nicht seelisch verarbeiten. Darum sollte auch für die Bäuerin der Sonntag ein Ruhetag sein, und sie sollte es lernen, am Sonntag ihr seelischen Kräfte zu sammeln. Dieses Stille-Sein und In-Sich-Gehen in einer ruhigen Stunde des Sonntags bringt Licht in den grauen Nebel des Wochenalltags.

Die ganze Familie wird sich gerne und freiwillig unter die Fittiche der Mutter begeben, wenn diese in ihrem Wirkungskreis nicht herrschen will, sondern mit Sanftmut und Liebe ihre Familie versorgt. Diese Mutter wird dann ihre Arbeit mit Freude versehen.

Eine innere Freudigkeit im Alltag mit all seinen kleinen Unannehmlichkeiten erlangt man am ehesten dadurch, daß man sein Alltagsarbeit nicht herangeht und dem Zwang: "Du sollst und du mußt!", sondern mit dem Vorsatz: "Ich will".

Wenn eine Bauersfrau so ihre Lebensaufgabe sieht, wird ihr der Beruf zum schönsten Lebensziel, und sie wird die überlieferten Wertvorstellungen der vergangenen Bauerngeschlechter an die nächste Generation weitergeben. Sie ist auf einem Bauernhof der ruhende Pol zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wo ist uns denn Gott in der größten Not am nächsten? Immer dort, wo uns die Mutter das Beten gelehrt hat. Zur Mutter und an diese Stelle der Erde finden Menschen den Weg zurück, wenn sie im Leben gescheitert sind.

Eine Frau, die das Leben bejaht und weiß, daß sie auch als Bäuerin eine dankbare Aufgabe erfüllen kann, wird als Bäuerin die Anerkennung unserer Gesellschaft finden und auf einem Bauernhof der geachtete Mittelpunkt der Familie sein. Sie wird am Muttertag ihrer Familie die zwei gleichen Sätze sagen können, die ich mit Freude in meinem Hause hörte: "Ich bin gerne Bäuerin" und "Ich bin immer für euch da".

 

 

"Erfolg, Zufriedenheit, Glücksgefühl, Friede, Freude"

Weihnachtliche Betrachtungen
Zusammenfassung eines Vortrags zum 4. Advent 1932 von Konrad Frühwald

Wer kann im Leben Erfolg haben?

Zur Antwort auf diese Frage müssen wir erst herausfinden, welche Voraussetzungen ein Mensch mitbringen muß, um im Leben erfolgreich zu sein. Körperliche und geistige Fähigkeiten sind jedem als Gottesgabe mehr oder weniger in die Wiege gelegt. Diese Gaben sind an demjenigen Menschen vergeudet, der nicht willens ist, seine Fähigkeiten für die Erfordernisse des Lebens anzuwenden. Ein Mensch, der eine Begabung mit auf die Welt bringt und sie nicht nutzt, wird am Ende seines Lebens mit dem Schicksal hadern, das ihn nach seiner Meinung den Weg zum Erfolg versperrt hat. Es wird dem der Aufstieg in eine höhere soziale Schicht verschlossen bleiben, der untätig in seinem Leben am Wege stehen bleibt und darauf wartet, daß ihm der Erfolg von selbst entgegenkommt. Und wer in eine höhere gesellschaftliche Schicht hineingeboren ist, es aber unterläßt, seinen sozialen Stand mit Fleiß und Tatkraft zu erhalten, der wird in die unteren Gesellschaftsschichten absinken.

Wer Erfolg im Leben hat, muß nicht zwangsläufig mit sich und der Welt unzufrieden sein. Mehr zufrieden mit seinen Erfolgen ist eine Mensch dann, wenn er seine Ziele mit Schaffensfreude erreicht hat. Besitzt ein Mensch, der mit seinem erfolgreichen Leben zufrieden sein kann, auch das höchste Glücksgefühl?

Ein Glücksgefühl wird nur der besitzen, der seinen Besitz oder sozialen Stand nicht erschlichen, sondern erarbeitet hat. Ließ er sich in seinem Wirken von den zehn Geboten leiten, wird er nicht von Gewissensbissen gepeinigt werden. Das höchste Glücksgefühl kann auch nur der Mensch finden, dessen Herz in Gott seine Ruhe gefunden hat.

Einem solchen Menschen wird dann ein anderer Gottessegen gegeben werden: Friede.

Wir betreten gern ein Haus, in dem Frieden herrscht. Niemand fühlt sich in einer Familie wohl, in der die gespannte Atmosphäre des Unfriedens fast körperlich zu spüren ist. Was ist die Ursache des Unfriedens in mancher Familiengemeinschaft? Die Grundlage allen Glücks in Ehe und Familie ist das gegenseitige Vertrauen. Wenn in einer Gemeinschaft das Vertrauen durch Leichtsinn oder Verantwortungslosigkeit mißbraucht wird, ist auch der Friede gefährdet.

Wir wollen uns zu Weihnachten mit Geschenken erfreuen. Doch nur dort, wo Friede und Liebe zu Hause sind, kann wahre Freude auch beim Schenken aufkommen.

Den meisten von uns ist das Hohelied der Liebe aus dem Ersten Korintherbrief bekannt. Nur wenige wissen, daß das Hohelied der Freude aus dem Philipperbrief mit einem Akkord zum Advent ausklingt: "Freuet Euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: freuet Euch!"

 

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Freude spenden und Freude empfangen

Betrachtungen zur Weihnachtszeit von Konrad Frühwald; 1932

Kann sich heute noch jemand echt und herzlich freuen? Ein hochmütiger und selbstsüchtiger Mensch wird sich überhaupt nicht freuen können, weil er alles, was das Leben ihm bietet, nicht als Gottesgabe, sondern nur als sein eigenes Verdienst betrachtet. Einem Menschen aber, dem Demut gegeben ist, wird die wahre Kunst gelingen, sich wahrhaft aus innerster Regung heraus zu freuen. Er allein wird die Fähigkeit haben, Freude unter seinen Mitmenschen auszuteilen; denn Freude zu spenden, ist eine der größten Künste im menschlichen Leben; Freude zu empfangen aber, eine nicht mindere Kunst. Auch sie ist eine Eigenschaft nur der Demütigen: sie sind imstande, für alles, was ihnen von ihren Mitmenschen in irgendeiner Form, gleich ob geistiger oder materieller Art, überlassen wird, ein Gefühl herzlicher Freude und damit der Dankbarkeit zu empfinden. Es ist auch gar nicht einfach, mit materiellen Geschenken einem Menschen Freude machen zu wollen. Wenn ein Beschenkter merkt, daß man sich den Mantel des Schenkens umhängen will, um die Uniform der Pflicht zu bedecken, kann er nicht zu einem Gefühl der Freude und des Dankes bewegt werden. Materielle Geschenke an einen Menschen werden in erster Linie dann Freude bereiten, wenn sie in einer Form und Art geboten werden, die jeden Zweifel ausschließen, daß sie die Erfüllung einer Pflichtleistung sind, und wenn sie nicht nur den Beschenkten erfreuen, sondern noch mehr den Schenkenden, dem die Freude des Beschenkten ein Augenblick höchstens und innigsten Erlebens ist. Die höchste Freude findet man bei Gebern und Nehmern dort, wo für beide die Gewißheit besteht, daß die Schenkung für den Schenkenden ein Opfer bedeutet.

 

 

Aus einer Ansprache des Präsidenten des Bayerischen Landbundes,
Konrad Frühwald, anläßlich einer Ausstellung für Landwirtschaft und Gewerbe
in Neustadt an der Aisch 1928

Landwirtschaft und Gewerbe - der Bauer und der Handwerker

Die Berufe des Bauern und des Handwerkers sind die ältesten unserer Gesellschaft. Trotz der weltweiten Verflechtung unserer Wirtschaft stellen diese beiden Berufsgruppen noch heute einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Die beiden Berufsgruppen, Bauern und Handwerker, haben Notzeiten immer gemeinsam getragen. Sie sollten gerade auch heute bei ihren Existenzsorgen einen gemeinsamen Weg gehen.

Der Bauer und der Handwerker verkörpern die Personen, die in ihre Arbeit einen Teil ihrer Seele hineinlegen. Ein Bauer wird seinen Acker auch dann weiterpflügen, wenn dieses von seinen Vätern ererbte Stück Land wenig Gewinn bringt. Wenn wir das Werk eines Handwerkers betrachten, werden wir uns ein Bild von der Seele und von der schöpferischen Gestaltungskraft des Meisters machen können. Diese innere Bindung des Bauern und des Handwerkers an ihre Arbeit unterscheidet sie in ihrem Beruf vom Manager, der weitgehend die Interessen des Kapitals vertritt, und vom Arbeiter in der Fabrik, der zumeist eine mechanische Tätigkeit verrichtet.

Unterscheiden sich auch Landwirtschaft und Gewerbe? Das Gewerbe ist in der Lage, sich schneller auf die jeweiligen Anforderungen des Marktes einzustellen, als es Landwirtschaft möglich ist. Denn als Produzent bleibt der Bauer trotz moderner Technik noch von Gesetzen der Natur abhängig. Deshalb wird es der Landwirtschaft nie ganz gelingen, sich den Gesetzen des Marktes und der Wirtschaft anzupassen.

Wir sehen heute in unserer modernen Gesellschaft eine immer größer werdende Entseelung unserer Kultur. Den Grund dafür sehe ich darin, daß ein Teil unserer Gesellschaft nicht mehr schöpferisch tätig sein kann oder will. Von der Mehrzahl unseres Volkes werden auch nicht mehr die Werte geachtet, die uns die Väter überliefert haben. Von einflußreichen Stellen wird versucht, der Jugend die alten Ideale zu nehmen, ohne ihr erstrebenswerte neue Leitbilder zu geben. Unsere beiden Berufsgruppen - Bauern und Handwerker - sind aufgerufen, mitzuhelfen, die Kultur und die überlieferten Werte unserer Vorfahren zu erhalten und an die nächste Generation weiterzugeben. Dies sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein.

Man blickt heute gerne auf die "gute alte Zeit" zurück. Wenn wir davon sprechen, vergessen wir manchmal, daß die Weltgeschichte nicht stehengeblieben ist. Die neue Zeit stellt uns vor neue Aufgaben. Dabei sollten wir die Leistungen unserer Vorfahren schätzen und nicht herabsetzen, wie es heute des öfteren geschieht. Wir müssen versuchen, ihre Handlungen unter dem Gesichtswinkel der damaligen Zeit zu betrachten.

Wenn wir Bauern und Handwerker bereit sind, mitzuhelfen, eine Brücke von der Vergangenheit in die Zukunft zu schlagen, dürfen wir in der Gegenwart nicht im passiven Widerstand verharren, sondern müssen als Staatsbürger an der Gestaltung unseres Volkes und Staates mitarbeiten. Wir wollen unsere Pflicht nicht vergessen, daß wir für die weiterbauen, die nach uns kommen.

 

 

Aus einem Vortrag des Präsidenten des Bayerischen Landbundes, Konrad Frühwald, am 03. November 1931 vor der Kreisbauernkammer in Ansbach

Die Verflechtung des internationalen Marktes und seine Auswirkung auf die deutsche Landwirtschaft

In der Nachkriegszeit haben sich die traditionellen Rohstoffhändler zu Industriestaaten entwickelt, die nun nicht mehr ihre Rohstoffe nach Europa verkaufen, sondern selbst weiterverarbeiten. Die englischen Dominien sind moderne und emanzipierte (1) Töchter ihrer englischen Mutter geworden. Sie bilden heute eigene Wirtschaftsräume.

Die Lage der Weltwirtschaft ist gekennzeichnet von einer Überproduktion an Rohstoffen und landwirtschaftlichen Produkten. Für die deutsche Landwirtschaft ist der Überschuß an Weizen am Weltmarkt von besonderer Bedeutung. Der Farmer aus Kanada kann und muß die Weizenernte von einem Morgen (5) zum Preis von ein Paar Schuhe verkaufen.

Auch Zucker wird über den Bedarf erzeugt. In Kuba, dem Hauptanbauland der Welt, hat man große Mengen Zuckerrohr verbrannt, um einen besseren Preis zu erzielen.

Sowjet-Rußland wird mit Hilfe seines 5-Jahresplanes die Rohstoffüberproduktion noch steigern. Der Plan wird gelingen, wenn nötig über Blut und Leichen. Der deutsche Holzmarkt leidet schon heute darunter, daß Rußland auf dem deutschen Markt Holz unter den Gestehungskosten anbietet.

Das Gleichgewicht der Weltwirtschaft wurde nicht nur durch die politische Ziele Rußlands gestört; auch die kapitalistische Wirtschaftsform des Westens hat zum Entgleisen unserer Weltwirtschaft beigetragen. Im Westen befindet sich das Kapital in einigen wenigen Händen. In den USA verfügen 4 % der Bevölkerung über 75 % des gesamten Volksvermögens. In Deutschland besitzen 0,15 % der Gesamtbevölkerung über doppelt soviel Vermögen wie die übrigen 60 Millionen Deutschen. Diese Zusammenballung des Weltkapitals hat die heutige Kapitalkrise mitverschuldet.

Der Geldstrom unserer Großbanken fließt heute in die Großunternehmen. 36 % aller deutschen Bankkredite beginnen in einer Höhe von über einer Million RM. Weitere 36 % liegen zwischen 100 000 und einer Million RM.

Das Rückgrat der deutschen Volkswirtschaft ist aber nicht die Großindustrie, sondern sind das Handwerk, die mittel- und kleinindustriellen Betriebe und die Landwirtschaft. Die Antwort der Bauern und der Handwerker auf die heutige Kapitalpolitik der Großbanken kann nur sein, daß sie sich bei Geldanlagen und Kapitalbedarf an ihre eigene Genossenschaft wenden.

Eine Folge unserer Inflation von 1923 (2) war eine Kapitalflucht ins Ausland. Sie hat am 01. September 1931 die Höhe von 3,5 Milliarden Reichsmark erreicht. Wer sein Kapital unserer deutschen Wirtschaft entzog, verlor in Schweden und in Ländern mit Sterlingwährung 10 - 20 %. Die festverzinslichen Wertpapiere sanken mit dem Zusammenbruch der Donatbank von 300 auf 40 %.

Diese Unsicherheit in der Welt-Währungspolitik müßte zu einer Flucht in die Goldwährung führen. Wir sehen das Gegenteil. 20 Staaten haben sich von der Golddeckung ihrer Währung getrennt. Den Anfang machten England, Schweden und Dänemark. Die Folge war eine vermehrte Ausfuhr von Veredlungsprodukten ihrer Landwirtschaft nach Deutschland, das an der Golddeckung festhielt.

Experten (3) schlagen jetzt vor, daß im Deutschen Reich eine Binnenwährung ohne Goldwährung geschaffen wird. Ich warne davor. Wir geraten dadurch in eine Wirtschaftsautokratie, die uns vom internationalen Handel isoliert.

Die Indexziffern (4) zwischen unseren landwirtschaftlichen Erzeugnissen und den Industrieprodukten sind ungünstig. Der Grund liegt im freien Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse und in der Abhängigkeit der Preise der Industrieproduktion von den Löhnen und den Verkaufsbedingungen der Kartelle.

Wir können die Gesetze des freien Marktes nicht ändern, um die Nachteile zu mildern, die der deutschen Landwirtschaft durch die Verflechtung des internationalen Marktes entstehen. Auch Zollmaßnahmen sind nicht das geeignete Mittel.

Ein gangbarer Weg wäre, die deutsche Landwirtschaft bei der Produktion solcher Nahrungsgüter zu unterstützen, die wir heute in Millionenhöhe einführen.

1930 wurden Mais und Reis im Werte von 84 Millionen RM eingeführt. Reis und Körnermais können wir in Deutschland zwar nicht erzeugen, aber durch deutsche Produkte vollwertig ersetzen. Ähnlich ist es bei Südfrüchten, die Deutschland jährlich mit einem Aufwand von 280 Millionen RM einführt. Die Einfuhr weiterer Nahrungsmittel, die auch der deutsche Bauer erzeugt bzw. erzeugen kann, betrug in den letzten 12 Monaten 2,13 Milliarden RM.

Wir stehen in einer Zeitepoche mit großen Umwälzungen. Es werden Entscheidungen gefordert. In bin der Überzeugung, die deutsche Wirtschaft kann gerettet werden, wenn es unserer Führung gelingt, daß in Deutschland möglichst billig produziert und gleichzeitig unserer jetzige stabile Währung erhalten wird. Wer beides meistert, wird Deutschland zu einer neuen Blüte bringen.

(1) emanzipiert, hier: gleichgestellt, selbständig
(2) Inflation von 1923: Geldentwertung und Währungsreform
(3) Experten, Sachverständige, Fachleute
(4) Indexziffer, Meßzahl, Verhältniszahl; hier im Sinne von: Preisvergleich
(5) Morgen, 25 - 30 Ar

 

 

Dr. Hoegner, Dr. Hundhammer und Konrad Frühwald, drei politische Gegner, die manchmal Freunde waren

Konrad Frühwald war von 1928 bis 1933 Mitglied des Bayerischen Landtags, wo er Dr. Wilhelm Hoegner und Dr. Alois Hundhammer näher kennenlernte. Aus jener Zeit sei zunächst über ein kleines Erlebnis der drei Politiker berichtet.

Wanderfreunde des Bayerischen Landtages unternahmen eine Tagesausflug in das Wettersteingebirge. Am Zugspitzplatt schlossen sich Dr. Hundhammer und Konrad Frühwald einer Wandergruppe an, die von Dr. Hoegner geführt wurde. Als sich am Rande des "Schneeferner"-Gletschers einer der Wanderer den Knöchel verstauchte, nahm ihn Dr. Hoegner auf den Rücken und trug ihn bis zur Bergstation der Zugspitzbahn. Streckenweise wurde ihm die Last von Dr. Hundhammer und von Konrad Frühwald abgenommen.

Die kurze Geschichte über die gemeinsame Hilfeleistung von Dr. Hoegner, Dr. Hundhammer und Konrad Frühwald zeigt das damalige und spätere Verhalten der drei Politiker untereinander. Persönlich waren sie Freunde, aber in der Öffentlichkeit verfochten sie als Vertreter verschiedener Parteien mehr oder weniger heftig gegensätzliche Standpunkte.

Dr. Wilhelm Hoegner mußte als Sozialdemokrat die Leitlinien seiner Partei in Fragen des Gemeineigentums beachten. Er wandte sich nicht gegen Bestrebungen, einen "Alpen-Staat" zu gründen, als er 1945 von der amerikanischen Militärregierung zum bayerischen Ministerpräsidenten ernannt worden war.

Dagegen trat Konrad Frühwald als national-liberaler Politiker für das Recht des Staatsbürgers auf Privateigentum ein, wobei aber der Besitzende seine sozialen Verpflichtungen gegenüber seinen Mitbürgern zu erfüllen hat. Er vertrat als deutscher Patriot den Reichsgedanken.

In den Protokollen des Bayerischen Landtags kann nachgelesen werden, wie Dr. Alois Hundhammer vor 1933 als Vertreter der Bayerischen Volkspartei und nach 1945 als Kultusminister in erster Linie die Weisungen seiner Kirche befolgte.

Trotz dieser politischen Gegensätze hatten Dr. Hoegner, Dr. Hundhammer und Konrad Frühwald vor 1933 ein gemeinsames politisches Ziel: die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu verhindern. Doch die Masse unseres Volkes folgte Hitler.

Während des Dritten Reiches mußte Dr. Wilhelm Hoegner vor Hitler zuerst nach Österreich und später in die Schweiz flüchten. Der gemeinsame Einsatz von Dr. Hundhammer und Konrad Frühwald im Dritten Reich für die christliche Kirche wird an anderer Stelle des Buches beschrieben.

Nach 1945 wandten sich Dr. Hoegner und Konrad Frühwald gemeinsam gegen die Politik Hundhammers und gegen den Machtanspruch der CSU.

Als Dr. Wilhelm Hoegner nach den Landtagswahlen von 1954 die Möglichkeit sah, SPD und die kleinen Parteien Bayerns in einer Regierungskoalition zu vereinen, knüpfte Senator Frühwald von Bonn aus die Fäden zwischen der F.D.P. und Dr. Hoegner.

Konrad Frühwald äußerte sich damals dem Verfasser des Buches gegenüber:
"Vor 1933 wurde Bayern von der Bayerischen Volkspartei, die konfessionell ausgerichtet war, und nach 1945 von ihrer Nachfolgerin, der CSU, regiert. Jetzt will ich meinen Teil für eine Regierungsbildung ohne CSU beitragen".

Der Sozialdemokrat Dr. Hoegner wurde dann 1954 mit Hilfe der kleinen Parteien gegen die Stimmen der CSU-Fraktion zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt, Dr. Hundhammer hatte mit einem Bündnis der Freien Demokraten mit den Sozialdemokraten nicht gerechnet. Er konnte seinem Freund Frühwald diesen "Fehltritt" nie verzeihen.

Hoegner.jpg (5732 Byte)

Das Porträt von Ministerpräsident Dr. Wilhelm Hoegner wurde dem Verfasser vom "Unterbezirk der SPD Schweinfurt" zur Verfügung gestellt

 

 

Die vergebliche Warnung vor Hitler

Mein Vater war seit dem 06. Januar 1919 Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, die sich zunächst in Bayern "Mittelstandspartei" nannte. Er gehörte dem liberalen Flügel der Partei an. Er ging innerparteilich in Opposition, als unter Hugenberg die Deutschnationale Volkspartei begann, mit Hitler zusammenzuarbeiten.

Ich erinnere mich noch heute an die damaligen Worte meines Vaters, die Politiker der Deutschnationalen Volkspartei hätten spätestens nach der Besprechung mit Hitler im "Berliner Herrenklub", wo eine Koalition vereinbart wurde, an dessen Erscheinungsbild und Wesen erkennen müssen, daß sie diesem skrupellosen Demagogen nicht gewachsen sein würden.

Aber mein Vater warnte seine Parteifreunde vergeblich. Seine Warnung verstanden dagegen einige seiner früheren Wähler, die nach 1933 den Namen "Konrad Frühwald" quer über ihren Wahlzettel schrieben, anstatt den großen Kreis mit "Ja" anzukreuzen, womit sie für Hitler und seine Partei gestimmt hätten.

 

Abschrift eines Briefes

 

 

Der Abgeordnete Konrad Frühwald lehnte 1932 den Anschluß der Deutschnationalen im Bayerischen Landtag an die Landtagsfraktion der NSDAP ab

Roßbach/Mittelfranken, den 27. April 1932

Sehr geehrter Herr Baron von Thüngen!

Die Wahlen sind vorüber. Wir haben eine Schlacht verloren. Die Nationalsozialisten haben noch mehr Stimmen erhalten, als ich befürchtet hatte. Ich habe nun den Eindruck, daß die meisten anderen Parteien nahe daran sind, den Kopf zu verlieren. Ich lehne es ab, daß wir, die 3 letzten von 13 bayerischen Abgeordneten der Deutschnationalen Volkspartei, uns jetzt der Landtagsfraktion der NSDAP anschließen. Auch unsere Wähler würden den Anschluß nicht verstehen; denn sie haben uns in der Überzeugung gewählt, daß wir eine Distanz zu den Nationalsozialisten einhalten.

Mit bestem Gruß
ergebenst
Konrad Frühwald

 

 

Der Christ warnte vor 1933 vor der Politik einer Kirchenpartei

Im Kapitel "Konrad Frühwald stellte sich der Bekennenden Kirche als Laienprediger zur Verfügung" wird beschrieben, wie sich mein Vater im Dritten Reich für die Kirche eingesetzt hat, als sie von Hitler unterdrückt wurde.

Er vertrat aber schon vor 1933 auch den Standpunkt, die Politik eines Staates dürfe nicht von der Kirche gelenkt werden. Er argumentierte damals: Wenn eine Partei wie das Zentrum in erster Linie kirchliche Interessen vertritt, verliert sie das notwendige Augenmaß für eine Politik, die nötig ist, um den Bestand des Staates zu sichern.

In den nächsten Sätzen folge ich den mündlichen Mitteilungen meines Vaters und dem Wortlaut der Geschichtsliteratur. (1)

Die Nationalsozialisten erhielten bei der Wahl vom 05. März 1933 43,9 % der Stimmen. So waren sie noch auf die Koalition mit der Deutschnationalen Volkspartei unter Hugenberg angewiesen. Diese letzte Bindung der Nationalsozialisten an eine bürgerliche Partei wurde durch das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 aufgehoben, in welchem eine Verfassungsänderung durch den Reichstag beschlossen wurde. Der Beschluß kam durch Zugeständnisse Hitlers an den Vorsitzenden des Zentrums, Prälat Kaas (2), zustande. Hitler hatte der Kirche zugesichert, das "Gesetz zur Behebung de Not von Volk und Staat" werde die Rechte der Kirche nicht berühren. Daraufhin stimmte die Reichstagsfraktion der Zentrumspartei dem Ermächtigungsgesetz Hitlers zu.

Mit Hilfe dieses Gesetzes konnte daraufhin Hitler bis 1945 verfassungsgemäß regieren. Zuerst schloß er mit Hilfe des Ermächtigungsgesetzes alle Parteien - auch das Zentrum - von der Regierungsbeteiligung aus.

(1) Deutsche Geschichte; Josef Beck-Verlag, Ludwigshafen, 1977
(2) Prälat Kaas (1881 - 1952) war Professor für Kirchenrecht, päpstlicher Hausprälat und seit 1929 Vorsitzender des Zentrums

 

 

Ein Bayer, der aus Franken kam

Die Gebiete von Ansbach-Bayreuth, in denen mein Vater und seine Vorfahren als Bauern ansässig waren, waren selbständige Territorien, bis sie Ende des 18. Jahrhunderts an Preußen fielen. Napoleon verschenkte dann ganz Franken an die bayerische Krone.

Für die Bayern südlich der Donau sind die Franken heute noch Preußen, die sie gelegentlich in München als Staatssekretäre oder als Polizisten kennenlernen. Für die meisten Norddeutschen gilt als Bayer, wer südlich der Mainlinie beheimatet ist; für einige Norddeutsche ist nur der ein Bayer, der jodeln kann, der in der Kleidung des Alpenländers erscheint und den Eindruck macht, als wollte er sofort einen Schuhplattler vorführen.

Daß diese Ansichten über einen Bayer heute noch in Norddeutschland zu finden sind, konnte auch mein Vater erfahren, als er als bayerischer Politiker nach Westfalen eingeladen worden war. Er erzählte:

"Nach einer Wahlversammlung bei Gütersloh, in der ich als Hauptredner zu sprechen hatte, war ich von einem dort ansässigen Grafen zum Essen eingeladen. Im Salon des herrschaftlichen Hauses wurde ich der Mutter des Grafen vorgestellt, die einen Bayern näher kennenlernen wollte. Ich trug einen dunklen Anzug und verbeugte mich nach der Sitte dieser Gesellschaft. Die Gräfin führte in aller Würde ihr Lorgnon ans Auge und betrachtete mich lange. In ihren Gesichtszügen war immer mehr eine Enttäuschung zu erkennen. Schließlich ließ sie den jungen Grafen rufen und sagte mit scharfen Ton: "Du hast mir zugesagt, mir einen Bayern zu zeigen. Dieser Herr vor mir könnte ebenso aus Preußen kommen. Unter einen Bayern habe ich mir einen Naturburschen mit Lederhose und Gamsbart vorgestellt".

 

 

Der Präsident des Bayerischen Landbundes wollte 1933 die Kreisbauernkammer von Mittelfranken nicht an die Gefolgsleute der NSDAP übergeben

Bei der Machtübernahme von 1933 durch die Nationalsozialisten war Konrad Frühwald Präsident der Kreisbauernkammer von Mittelfranken. Gleich zu Beginn der letzten Kammersitzung Ende März 1933 forderte der Vertreter der NSDAP, der sogenannte Gaufachberater von Franken, Dr. Honig, den Rücktritt des Präsidenten Frühwald und die Übergabe der Kreisbauernkammer an die Gefolgsleute der NSDAP. Präsident Frühwald lehnte die Forderung der Nationalsozialisten ab, obwohl er wußte, daß 25 SA-Leute (1) in der Gastwirtschaft des Kammergebäudes versammelt waren, um die Übergabe der Kammer an die Nationalsozialisten mit Gewalt durchzusetzen. Präsident Frühwald konnte den damaligen Regierungspräsidenten von Mittelfranken, Dr. Rohmer, noch rechtzeitig über diese Situation verständigen. Als dieser in unmittelbarer Nähe des Sitzungsraumes genügend Polizeikräfte bereitgestellt hatte, verließen die Gefolgsleute der NSDAP lautstark die Sitzung und verzichteten auf den angekündigten Einsatz der SA-Abteilung.

Kurz danach wurde die Kreisbauernkammer durch eine Verfügung aufgelöst.

(1) SA, Abkürzung für Sturmabteilung, Parteimiliz der Nationalsozialisten

 

 

Zum Farbbild

"Das Haus der Schloßbauern in Roßbach/Mittelfranken"

nach einem Gemälde von W. Funk 1955

"Das Haus der Schloßbauern" in Roßbach 18, im heutigen Landkreis Neustadt/Aisch - Bad Windsheim, ist das Geburtshaus von Konrad Frühwald. Nach mündlicher Überlieferung wurde das Fachwerkhaus von den Herren von Lentersheim anstelle eines Schlosses errichtet, das 1524 von Bauern aus dem Aischgrund niedergebrannt worden war. 1737 erwarb ein Frühwald das herrschaftliche Haus. Konrad Frühwald ließ es 1924 renovieren. 1969 wurden Haus und Hof der Schloßbauern von Fritz Loscher-Frühwald übernommen, der auch die Tradition der Schloßbauern als Politiker weiterführte.

HAUSDERSCHLOßBAUERN.JPG (9060 Byte)

 

 

Ein Bauer sah rot, als ein Braun-Uniformierter die Stallarbeit störte

Zu Beginn des Dritten Reiches versicherte mir mein Vater, die Rücksicht auf seine Familie sei es, die ihn von offenem Widerstand gegen den braunen Machthaber abhalte. Ich kann mich nur an eine Begegnung erinnern, als er doch einmal seine Beherrschung gegenüber den "Braunhemden" verlor.

Kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erschien auf unserem Hof ein großer junger Mann aus einem Nachbardorf in brauner Uniform. Er torkelte in den Stall und schnarchte dort bald in der Futterkiste. Wir Kinder sollten das Vieh füttern, wagten es aber nicht, den Uniformierten aus der Futterkiste zu entfernen. Da kam unser Vater vom Feld, sah den Eindringling, packte ihn am Kragen und warf ihn auf den Misthaufen.

 

 

Mit dem Vater zur Arbeit

Es machte mir als kleinem Jungen Freude, meinen Vater auf dem Weg zur Feldarbeit zu begleiten. Er ging zu Fuß oder fuhr mit dem Ochsengespann, weil er die Pferde dem großen Knecht überließ. So fand ich auf dem gemeinsamen Weg zu den Äckern genügend Zeit, um dem Vater über alle Wissensgebiete Fragen zu stellen. Er erzählte mir dann geduldig aus der Geschichte unseres Dorfes, erklärte mir Begriffe aus dem Recht, aus der Religion und aus der Politik. Wissensdurstig nahm ich auf, was er mir über die Zusammenhänge in der Natur berichten konnte. Vieles, was in diesen Aufzeichnungen zu lesen ist, hat seinen Ursprung in den damaligen Mitteilungen meines Vaters.

Als Heranwachsender arbeitete ich gerne mit dem Vater auf dem Felde, in den Ställen und im Winter im Wald. Der Vater trieb seine Mitarbeiter nicht zur Arbeit an, sondern war selber Vorbild. Dabei arbeitete er mit Umsicht und Überlegung. Seine eigene Methode, wie man bei der Klauenbehandlung ein Großtier fesselt, wandte ich noch später mit Erfolg als Tierarzt an.

 

 

Streng, aber gerecht

Im Juni wurde ich einmal vom Vater früher als sonst geweckt. Ich sollte das Vieh im Stall versorgen. Ich murrte.

Der Vater donnerte mich daraufhin nicht an, sondern sagte in seiner ruhigen Art, heute werde es ein heißer Tag; deshalb habe er seit 2 Uhr nachts mit den Knechten "Heu gemäht". Nun könne das Gras vor Abend dürr genug werden. Die Knechte sollten jetzt etwas Ruhe haben. Er werde mir beim Füttern helfen.

Da schämte ich mich

 

 

Die treue Magd und die Entdeckung des Frankenbrunnens

Meine Vater mußte 1933 seine Tätigkeit in Politik und Verwaltung aufgeben und war nur noch Bauer auf seinem Hof in Roßbach bei Neustadt/Aisch. Nun hatte er Zeit, mir, seinem Jüngsten, vieles aus unserer fränkischen Heimat zu erzählen.

Was er mir dabei über die Entdeckung des "Frankenbrunnens" berichtete, wird meines Wissens in den folgenden Zeilen zum ersten Mal aufgezeichnet.

"Mein Freund Hufnagel erwarb 1932 in Neustadt a.d. Aisch ein Haus, dessen Besitzer nach Amerika ausgewandert war. Mit dem Anwesen übernahm Hufnagel auch die alte Hausmagd". Dieser treuen Seele war dann die Entdeckung des Frankenbrunnens zu verdanken. Mein Freund hatte sich seit Wochen nicht wohl gefühlt. Er nahm sich aber keine Zeit, einen Arzt aufzusuchen. Als sich sein Zustand trotz Anwendung der üblichen Hausmittel nicht bessern wollte, wurde er von der besorgten Magd an ein Hausrezept ihres früheren Herrn erinnert:

'Wenn sich mein alter Herr nicht wohlfühlte, mußte ich ihm einen Trunk aus der Quelle bringen, die hinter dem Haus entspringt. Er schwor auf die gute Wirkung des Wassers. Sie sollten auch, sooft wie möglich, von dieser Quelle trinken'.

Hufnagel befolgte den Rat seiner treuen Magd."

Das war die Geburtsstunde des Frankenbrunnens im Jahre 1932.

 

 

Der gelähmte Johann Regler aus Höfen bejahte das Leben

Wir Kinder hatten Hochachtung von Johann Regler aus Höfen, der an den Rollstuhl gefesselt war. Er war mit drei Jahren an Kinderlähmung erkrankt. Die Professoren der Erlanger Kliniken gaben ihm eine Überlebenschance von höchstens zwölf Jahren; Johann Regler überlebte die Doktoren und starb 1949 im Alter von 75 Jahren. Es war für uns Kinder eine Ehrensache, den Rollstuhl mit dem Gelähmten in Richtung Höfen zu schieben, wenn Johann Regler am Sonntagnachmittag in Roßbach das Wirtshaus besucht hatte, wo er als Unterhalter gerne gesehen war. Johann Regler war eine Meister auf seinem Schifferklavier; an Winterabenden spielte er für die Dorfjugend Märsche und fränkische Rundtänze. Er erhielt Auszeichnungen für die Züchtung von Puten, Brieftauben, Bienen und Bernhardinern.

Am 01. Mai 1935 mietete mein Vater ein Taxi. Ich durfte mitfahren. In Höfen trug mein Vater den gelähmten Johann Regler in den Wagen und gab dem Fahrer den Auftrag, die schönsten Ziele im Steigerwald anzufahren. Dort zeigte meine Vater dem Gelähmten die Klosterkirche von Ebrach und andere Kunstdenkmäler unserer Heimat. Dabei trug er den Mann auf dem Rücken.

Diese Zeilen sollen nicht nur eine Anerkennung für die positive Lebenseinstellung eines Gelähmten, sondern auch mein Dank für die praktizierte Nächstenliebe meines Vaters sein.

 

 

Gleichgesinnte trafen sich im Dritten Reich heimlich

Während der Zeit des Dritten Reiches nahm mich meine Vater öfters nach Nürnberg mit. Er gab sich den Anschein, seinem Jüngsten die mittelalterliche Stadt zu zeigen. Bald aber besuchte er dann mit mir ein Lokal in der Nähe des Opernhauses, wo er sich mit politischen Freunden traf.

Gelegentlich besuchte er ohne mich den Kreis um Alois Hundhammer in München.

Nach dem Krieg erfuhr ich, daß meine Vater mit Generälen wie Stülpnagel befreundet gewesen war, die nach dem mißlungenen Attentat auf Hitler hingerichtet wurden. Er gehörte aber dem Kreis der Verschwörer nicht an.

Holte mein Vater kurz vor dem Kriege einen politischen Freund vom Bahnhof ab, hatte ich - nicht der Pferdeknecht - die beiden Politiker mit der Kutsche zu fahren. Ich schwieg über ihre Gespräche.

 

 

Konrad Frühwald stellte sich der Bekennenden Kirche als Laienprediger zur Verfügung

Im Dritten Reich versuchten die Nationalsozialisten, mit der Hilfe der "Deutschen Christen" eine nationalsozialistisch gelenkte protestantische Reichskirche zu errichten. In der sollte "artgemäßes" Christentum gepredigt werden. Die Verkündigung der christlichen Botschaft durch die Bekennende Kirche wurde durch staatliche Maßnahmen behindert. Die Gläubigen wurden durch Drohungen eingeschüchtert.

In diesen Jahren der Bedrängnis schloß sich mein Vater der Bekennenden Kirche unter Dekan Kern an. Ich durfte meinen Vater manchmal begleiten, wenn er in verschiedenen Kirchen als Laie auf der Kanzel predigte. an merkte ihm an, wie er jedes Wort abwägen mußte. Unter der Kanzel saßen jeweils Kriminalbeamte. Sie waren beauftragt, solche Sätze der Predigt zu notieren, die als Vorwand zur Verhaftung des Prediger dienen konnten.

Wir in der Freiheit des heutigen Staates aufgewachsen ist, kann sich die Unterdrückung auch der Kirche während der Zeit des Dritten Reiches kaum vorstellen.

 

 

Aus einer   Predigt des Bauern Konrad Frühwald in der Egidienkirche zu Nürnberg 1937

Der Beruf der Bauern und die christliche Botschaft

"Meine lieben Glaubensgenossen!

Es ist eine herrliche Aufgabe, ein Bauer zu sein. Denn der Bauer hat den schönsten Beruf, den man sich vorstellen kann. Wenn man heute so gern von den Fabrikhallen als den Domen der Arbeit spricht, sollte man eines bedenken: Gibt es einen prächtigeren Dom der Arbeit als den Arbeitsdom des Bauern, der im folgenden Liedervers besungen wird?" ... und die auf Erden, Luft und Meer in deinem Schatten wohnen, die preisen deines Schöpfers Macht, die alles also wohlbedacht. Gebt unserem Gott die Ehre!"

Weil der Bauer darauf eingestellt ist, beruflich an das Gestern und Morgen zu denken, ist er sich in seinem sozialen Verhalten dessen bewußt, daß er nur ein Glied in einer Kette ist. Die Gemeinschaft der Bauern auf dem Dorfe verpflichtete schon immer zur gegenseitigen Hilfeleistung

Hat die moderne Landtechnik das Wesen des Bauern verändert? Zum Teil ja. Der heutige Bauer, der sich der Technik bedienen muß, hat nicht mehr die innere seelische Bindung zur Scholle, die seine Väter hatten, die ihr mit eigener Hand den Samen anvertrauten. Aber trotz moderner Technik bleibt in allen Berufen der Bauer der Schöpfung am nächsten. Wie seit Jahrtausenden ist er der innigste Mitarbeiter unseres Gottes, des allmächtigen Schöpfers, geblieben.

Diese tägliche Begegnung mit Gottes Schöpfung gibt ihm immer wieder Kraft, "im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen" und die "Dornen und Disteln" zu jäten, die sein Acker tragen muß, seitdem Gott die Menschen aus dem Paradies vertrieben und verflucht hat. Aber der Bauer spürt in seinem Beruf mehr als jeder andere Mensch zugleich den Segen und die Verheißung des Herrn: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht".

Was können wir heute, wenn wir Christen sein wollen, vom Bauern lernen? Die Bauern haben durch alle Generationen den Glauben an Gott und die Botschaft des Christentums bewahrt. Durch ihr standhaftes Eintreten für den christlichen Glauben können für die Christen unserer Zeit ein Vorbild sein.

Was hat uns stark gemacht in aller Not, die uns je hat betroffen? Was hat uns stark gemacht in allen Schicksalsschlägen, die jeden einzelnen treffen können? Das hat uns die Kraft gegeben, was uns unsere Mütter und Väter als geistiges Gut übermittelt haben.

Und nun noch eine Wort zum Glauben unserer Vorfahren. Mich trennen noch elf Wochen von dem Tag, an dem es 200 Jahre her ist, daß meine Vorfahren den Hof erworben haben, der sich - in ununterbrochener Erbfolge vom Vater auf den Sohn - auf mich vererbt hat. Die Vorfahren hatten ihre Heimat südlich von Linz in Österreich um ihres Glaubens willen verlassen. Es waren die Schlechtesten nicht, die um 1650 als vertriebene Bauern aus den Tälern der österreichischen Alpen gekommen waren, um hier in Franken nach dem 30jährigen Krieg das zertretene Land wieder in Kultur zu nehmen.

Die Verbundenheit von Bauerntum, Christentum und Volkstum ist Schicksal unserer Väter gewesen. Wir wollen die Werte dieser Bindung an unsere Kinder weitergeben.

 

"Was Vaters Kraft begonnen

und Mutters Fleiß gewonnen,

halten wir zu treuen Händen.

Mög's Gott zum besten wenden".

 

Bild der Egidienkirche

- einfügen -

 

 

Konrad Frühwald predigte 1937

 

in der Egidienkirche zu Nürnberg

 

über das Thema

 

"Der Beruf des Bauern und die christliche Botschaft".

 

 

Das umseitige Bild zeigt

 

die Kanzel der Barock-Kirche,

 

die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

 

Photo: Karl Kolb, Nürnberg;

 

 

das Recht zur Veröffentlichung

 

erwarb der Verfasser

 

vom Landkirchlichen Archiv Nürnberg.

 

 

Auch für einen Bauern war Goethe "Der Dichterfürst"

Von den deutschen Dichtern las mein Vater am liebsten Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe. Er war davon beeindruckt, wie Goethe in verständlichen und doch dichterischen Worten jeweils ausdrücken konnte, was einen Menschen - wie auch ihn - bewegte. Mein Vater beantwortete zuweilen Fragen mit einer zutreffenden Zeile aus Goethes Dichtung.

Während seiner politischen Zwangspause im Dritten Reich beschäftigten sich mein Vater mit großem Interesse mit einer Abhandlung über Goethe, die von Jesuiten geschrieben war und in der scharfsinnig der Glaubensweg des Dichters gegliedert und in der eigenen Sicht dargestellt wurde. Danach soll sich Goethe vom Freigeist über den Protestanten zum Katholiken gewandelt haben. Dieser Weg des Dichters sei am Beispiel des "Faust" zu verfolgen, einer Dichtung, an der Goethe in seiner Jugendzeit zu schreiben begann, und die er im hohen Alter vollendete.

Im Wohnzimmer des väterlichen Hofes befand sich eine Tafel aus Kupferguß. Das Bild zeigte einen pflügenden Bauern in Reliefform. Darunter waren die Goetheworte erhaben geprägt: "Was Du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen." In der Forderung meines Vaters, einen ererbten Hof in verbesserter Form an die nächste Generation weiterzugeben, finden wir diesen Gedanken des großen Dichters in anderen Worten wieder.

 

 

Der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler prophezeite den Untergang des Abendlandes

1920 schrieb der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler sein berühmt gewordenes Buch "Der Untergang des Abendlandes". Der Titel des Buches wurde bald zu einem geflügelten Wort. Auch in meinem Vaterhaus hörten Gesinde und Familie aufmerksam zu, wenn der Vater an Winterabenden aus den Schriften des Philosophen vorlas.

Hitler schob die Prophezeiung vom Untergang des Abendlandes beiseite, als er nach seinen ersten Siegen im Zweiten Weltkrieg selbstbewußt verkündete, er werde ganz Europa aus dem Stadium des Untergangs wieder zu Weltgeltung führen. Seine Ideologie von einer artgemäßen Religion und Ethik (1) werde im Abendland eine neue geistige Kultur ohne Überfremdung aus dem Orient schaffen.

Es liegt zum Teil an dem Einfluß des Philosophen Oswald Spengler, wenn mein Vater sich immer wieder an die Jugend mit der Forderung wandte, sie sollte die überlieferten Werte der Religion und der Kultur ihrer Vorfahren bewahren. Er war zu sehr von der Schlußfolgerung betroffen, die der Philosoph Oswald Spengler aus seinen kulturhistorischen Untersuchungen zog: "Die Kultur erstarrt zur Zivilisation; ihre schöpferische Kraft ist erloschen; jetzt wird die Weltgeschichte von Caesaren bestimmt".

(1) Ethik, Sitte

 

 

Der Kreisleiter Krehmer wollte Konrad Frühwald nicht verhaften lassen

Die Gauleiter unterstanden im Dritten Reich direkt Hitler. Wie sie fühlten sich auch die Kreisleiter in ihren Entscheidungen an keine staatliche Instanz gebunden. Die heutige Generation kann sich nicht mehr vorstellen, wie hilflos jeder im Dritten Reich der Machtausübung eines Kreisleiters ausgeliefert sein konnte. Auf Anweisung der Kreisleitung wurden mißliebige Bürger von der Gestapo aus ihren Wohnungen geholt. Niemand durfte über die Verhaftung sprechen. Kamen die verhafteten Staatsbürger aus dem Konzentrationslager zurück, waren sie meist körperlich uns seelisch gebrochen. Manche überstanden die KZ-Zeit nicht.

Am 10. September 1941 wurde meine Vater zur Kreisleitung nach Neustadt a. d. Aisch bestellt. Er war besorgt.

Die Unterredung des Kreisleiters Krehmers mit meinem Vater dauerte etwa zwei Stunden. Der Kreisleiter forderte meinen Vater auf, in die NSDAP einzutreten; es sei für ihn eine führende Stelle in der Ernährungswirtschaft des Deutschen Reiches vorgesehen.

Wie mir mein Vater damals über seine Unterredung mit dem Kreisleiter berichtete, habe er das Angebot der Parteileitung mit der Begründung abgelehnt, er könne nicht in einem Staat mitarbeiten, der sich das Ziel gesetzt habe, das Christentum und dessen Organisation, die Kirche, zu beseitigen.

Bei meiner Suche nach Dokumenten über das Wirken meines Vaters fand ich jetzt - 1986 - Schriftstücke, aus denen hervorgeht, der Kreisleiter Krehmer habe den Auftrag gehabt, meinen Vater als mißliebigen Politiker verhaften zu lassen. Er habe aber den Standpunkt vertreten, erst wolle er diesen Konrad Frühwald persönlich kennenlernen. Nach einem langen Gespräch unter vier Augen sei er zu der Überzeugung gekommen, es sei besser, diesen fähigen Mann doch noch für die Mitarbeit im Staate zu gewinnen, anstatt ihn der Gestapo auszuliefern.

Kreisleiter Krehmer und mein Vater versicherten sich nach ihrem Gespräch im Herbst 1941 ihrer gegenseitigen persönlichen Hochachtung. Sie sahen sich nie wieder.

Hans Krehmer wurde am 06. Juni 1945 verhaftet und als Kreisleiter zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Er bat 1954 meinen Vater um ein Gutachten über seine Person für die Berufungskammer. In seinem Antwortschreiben bescheinigte mein Vater seinem ehemaligen politischen Gegner ein menschliches Verhalten als Kreisleiter, das auch im Spruchkammerbescheid gewürdigt worden war.

Hier einige Sätze aus der Urteilsbegründung vom 14.11.1949 - zusammengefaßt - wiederholt:

"Der Betroffene ist eine ausgesprochene idealistisch veranlagte Natur. Er war der Überzeugung, Volk und Vaterland zu dienen. Er war kein brutaler Fanatiker, der seine politischen Gegner verfolgt und drangsaliert hätte".

 

 

Im Buch "Mein Kampf" nannte Hitler seine Ziele

Mein Vater erlaubte mir 1946 nicht, das Buch Adolf Hitlers "Mein Kampf" zu entfernen, das ich inzwischen den politischen und philosophischen Schriften in seinem Bücherschrank gefunden hatte.

Dieses Buch, argumentierte meine Vater, habe ihm dazu verholfen, die Politik Hitlers und das Verhalten seiner Gefolgsleute besser zu verstehen.

Hitler hatte in seinem Buch "Mein Kampf" neuen Lebensraum für das deutsche Volk im Osten gefordert. Auch nach Abschluß des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes blieb mein Vater bei seiner Überzeugung, ein Einmarsch deutscher Armeen in Rußland werde die zwangsläufige Folge der Forderung Hitlers nach "Lebensraum" im Osten sein. Stalin hätte diese Gefahr, die ihm aus Mitteleuropa drohte, rechtzeitig erkannt und deshalb das westliche Rußland von der Kriegsindustrie entblößt und diese östlich des Urals wieder aufgebaut. Wie der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler schon zur Zeit der Machtübernahme Hitlers geschrieben habe, könnten seitdem Armeen aus Mitteleuropa nur noch in einen leeren Raum des westlichen Rußlands eindringen.

Für Hitlers Idee, neuen Lebensraum im Osten zu gewinnen, verlor mein Vater 1942 einen Sohn bei Charkow.

Als Politiker vor 1933 hatte sich mein Vater das Vertrauen seiner Wähler durch Wahrheitsliebe und Aufrichtigkeit erworben. Er mußte den Grund für den Erfolg der braunen Propaganda darin erkennen, daß Hitlers Gefolgsleute, wie Dr. Joseph Goebbels, die Anweisung Hitlers in "Mein Kampf" befolgten, man solle das Volk soviel wie möglich belügen, weil doch nur die Hälfte des Gesagten geglaubt werde.

Auch nach der Zeit Hitlers sollen Politiker eine ähnliche Meinung vertreten haben.

Besonders skrupellos fand mein Vater die Forderung, die Hitler in seinem Buch "Der Kampf" erhob, die Propaganda dürfe dem Volk nur einen einzigen Gegner zeigen. Diesem Gegner müsse die Schuld an jedem Mißstand aufgebürdet werden, unter der die Bevölkerung leide. Nur deshalb - so folgerte mein Vater - sei der Haß der Bevölkerung gegen die Juden angestachelt worden. Das "Weltjudentum" sei die einzige und einigende Kraft, die hinter allen Feinden des deutschen Volkes stehe. Darüber hinaus war mein Vater davon überzeugt, nach der Ausrottung der Juden in Europa seien die Kirchenführer als nächste "Feinde" vorgesehen gewesen, die "zum Schutze des deutschen Volkes" beseitigt werden müßten.

 

 

Die ökumenische Zusammenarbeit von Hundhammer, Bischof Scharnagl und Konrad Frühwald im Dritten Reich

Nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 20. Juli 1994 durch Hitler wurden die meisten schriftlichen Unterlagen über den Widerstand gegen das Dritte Reich von den gefährdeten Personen vernichtet. Zum Teil gingen die Papiere über den Widerstand durch Kriegseinwirkung verloren. (4)

Vielleicht sind dies die hauptsächlichen Gründe, warum meine Bemühungen erfolglos waren, von den zuständigen Stellen und Personen Aufzeichnungen über die Gruppe Hundhammer-Bischof Scharnagl-Frühwald aus der Zeit des Dritten Reiches zu erhalten. So dürften mir Historiker dafür dankbar sein, wenn ich hier über die Tätigkeit meines Vaters in diesem Kreis aus eigener Erinnerung berichte.

Es läßt sich über die ökumenische (8) Zusammenarbeit von Hundhammer, Bischof Scharnagl und meinem Vater ein Mosaikbild aus vielen Steinchen zusammensetzen, die ich während des Dritten Reiches bei Gesprächen meines Vaters mit seinen Freunden aus München aufgelesen und bis heute aufbewahrt habe.

Mein Vater lernte Dr. Alois Hundhammer vor 1933 kennen, als beide in Organisationen der bayerischen Landwirtschaft an führender Stelle tätig waren. 1932/33 vertrat Hundhammer als strenger Katholik im Bayerischen Landtag die Bayerische Volkspartei. Im Kampf gegen den Nationalsozialismus gewann er die Freundschaft des Protestanten Konrad Frühwald aus Mittelfranken, der als Vertreter der Deutschnationalen Volkspartei in den Bayerischen Landtag gewählt worden war. (1)

Ein Kampfgefährte Hundhammers war der katholischen Kirchenrechtler Anton Scharnagl, der seit 1920 Vertreter der Bayerischen Volkspartei dem bayerischen Landtag angehörte. Er warnte öffentlich vor der Kirchenfeindlichkeit des Nationalsozialismus. 1930 wurde er Domdekan und 1943 Weihbischof in München.

Bei dem Versuch, die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Bayern zu verhindern, wurden Dr. Alois Hundhammer, Bischof Scharnagl und Konrad Frühwald zunächst politische Freunde. Als die Nationalsozialisten nach 1933 das deutsche Volk nicht nur politisch, sondern auch weltanschaulich beherrschen wollten und deshalb bestrebt waren, die Bevölkerung ihrer Kirche zu entfremden, wurden die drei Männer Hundhammer, Scharnagl und Frühwald auch Gefährten um der beiden großen christlichen Kirchen willen. (1)

Nachdem die Machthaber des Dritten Reiches immer mehr dazu übergingen, die katholische und evangelische Kirche durch Verhaftung ihrer prominenten Vertreter einzuschüchtern, machte es sich der Kreis Hundhammer - Bischof Scharnagl - Frühwald zur Aufgabe, kirchlich exponierte Personen vor einer vorgesehenen Festnahme noch rechtzeitig zu warnen.

Der führende Kopf dieses ökumenischen Kreises war Dr. Alois Hundhammer. Er, der zweifache Doktor, eröffnete 1933 in München eine Schuhmacherei. (1) (5) Sie wurde zur Nachrichtenzentrale. (5)

Mitteilungen, z. B. über drohende Verhaftungen, wurden in Schuhen, die repariert werden sollten, von Schulmädchen in die Schusterwerkstätte Hundhammers gebracht. In den reparierten Schuhen, die dieselben Mädchen wieder abholten, waren dann die Anweisungen Hundhammers versteckt. (5)

Hundhammer, Bischof Scharnagl und meine Vater trafen sich in München nicht im Haus Dr. Hundhammers, das von der Geheimen Staatspolizei überwacht wurde, sondern in der Grünwalder Straße 177 a. Dort besprachen sie die eingegangenen Mitteilungen über die vorgesehenen Verhaftungen kirchlicher Würdenträger und der Männer, die der Kirche nahestanden. Aus diesem Hause brachte das Schulmädchen Hildegund B. reparaturbedürftige Schuhe in die Werkstätte Hundhammers. (3) Es hatte von einem doppelten Zweck seines Botenganges keine Ahnung. (3)

An diesen geheimen Treffen in der Grünwalder Straße nahm gelegentlich der italienische Außenminister und Schwiegersohn Mussolinis, Graf Ciano, teil. (2) Etwaige Notizen, die für spätere Jahre aufbewahrt werden sollten, nahm mein Vater an sich und versteckte sie in seinem Bauernhof in Mittelfranken. (2)

Auch im häuslichen Kreis ihrer Familienangehörigen schwiegen die drei Männer Hundhammer, Scharnagl und mein Vater über ihre Besprechungen. Erst durch ein besorgniserregendes Ereignis wurde meine Familie Mitwisser der gefährlichen Treffen in München. (2)

Mein Vater war in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges zuweilen mit dem Zug unterwegs, ohne daheim sein Ziel zu erwähnen.

Am 09. November 1942 hielt sich Graf Ciano in München auf. (6)

In einer der folgenden Nächte hörten meine Angehörigen Hilferufe meines Vaters im Hausflur unseres Bauernhofes. Er wurde dort mit einem Kreislaufkollaps aufgefunden. Als er das Bewußtsein wiedererlangte, brach er sein jahreslanges Schweigen. Er berichtete in kurzen Sätzen: "Ich werde am Kriegsende meine drei Söhne nicht mehr sehen. Unser Volk ist verloren. Die Verfolgungen durch die Nazis werden noch zunehmen. Ich habe gestern, wie seit Jahren den Kreis um Hundhammer in München besucht. Graf Ciano hat wieder am Treffen teilgenommen". (2)

Als Hitler am 20. Juli 1944 den Aufstand seiner Gegner niedergeschlagen hatte, kam mein Vater vom Schafehüten in sein Bauernhaus. Er holte ein verborgenes Bünden Schriften, die auf Grund bestimmter Schriftzeichen als Notizen aus der Grünwalder Straße in München zu erkennen waren. (2) Alle diese Blätter, die Dr. Hundhammer, Bischof Scharnagl und Graf Ciano hätten belasten können, wurden unter Aufsicht meines Vaters verbrannt. Die Asche wurde sofort mit der Spreu des Pferdestalles vermengt. (2)

Damit waren die wichtigsten Schriftstücke über die Zusammenarbeit katholischer und evangelischer Christen im ökumenischen Kreis um Hundhammer und Bischof Scharnagl unwiederbringlich für die Nachwelt verloren.

Hundhammer entging den letzten Kriegsmonaten den Fängen der Geheimen Staatspolizei, indem er als Soldat in verschiedenen zusammengewürfelten Haufen der geschlagenen deutschen Wehrmacht untertauchte. (5) Er erhielt nach 1945 als Minister die Verbindung und Freundschaft mit meinem Vater aufrecht. (1)

Graf Ciano der Schwiegersohn des italienischen Staatschefs Mussolini, floh 1943 zu den Deutschen. Er wurde nach der Befreiung Mussolinis aus den Händen der italienischen Partisanen an seinen Schwiegervater ausgeliefert und im Januar 1944 auf dessen Befehl erschossen.

Vor der Niederschrift des vorliegenden Berichtes wandte ich mich an die Bischöflichen Ordinariate in Würzburg und München und bat um veröffentlichte Schriftstücke über Bischof Scharnagl, in denen ich einen Hinweis auf seine Zusammenarbeit mit meinem Vater und anderen evangelischen Christen gegen die Unterdrückung der Kirchen im Dritten Reich zu finden hoffte.

Am Ordinariat München wurde ich vom Sprecher des Bischöflichen Archivs an den Münchner Rechtsanwalt Gritschneder verwiesen.

Ich gebe die Antwort des bekannten Juristen sinngemäß wieder: (7)

"Nach einem Artikel des Nachrichtenmagazins "DER SPIEGEL" soll Bischof Scharnagl ein Spitzel der Geheimen Staatspolizei gewesen sein".

"Mit Wissen des Kardinals Faulhaber hatte Anton Scharnagl von Januar bis Sommer 1940 Gespräche mit der Geheimen Staatspolizei geführt. Mit Hilfe dieses Kontaktes wollte das Ordinariat München rechtzeitig über drohende Verhaftungen von Geistlichen unterrichtet werden. Dabei hat Bischof Scharnagl der Gestapo gegenüber aber nie ein Geheimnis preisgegeben".

(1) Mündliche Mitteilungen von Konrad Frühwald an den Verfasser vor 1970 und Gespräche von Konrad Frühwald mit Freunden aus München in Gegenwart des Verfassers vor 1943
(2) Mündliche Mitteilungen an den Verfasser von Erna Sondermann, 8481 Eschenbach, der ältesten Tochter des Konrad Frühwald 1987
(3) Mündliche Mitteilung an den Verfasser von Frau Hildegund Stäbler, 7518 Bretten in Baden, im vorliegenden Artikel "Schulmädchen Hildegund B." genannt; 1987
(4) Schriftliche und fernmündliche Mitteilung des Ordinariats Würzburg an den Verfasser vom 09. Juli 1987
(5) P. Hussarek: Hundhammer; Treuga-Verlag, München; 1951
(6) Tagebücher 1939 - 1943 des Grafen Ciano; Scherz-Verlag, Bern; 1947
(7) Gritschneder, Rechtsanwalt in München; mündliche und schriftliche Mitteilungen an den Verfasser 1987
(8) ökumenisch, kirchlich-gemeinsam

 

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Weihbischof Scharnagl und die Gestapo

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Die Veröffentlichung

über

"Weihbischof Scharnagl und die Gestapo"

wurde dem Verfasser

von

Rechtsanwalt Dr. Gritschneder, München,

überlassen

 

 

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"Hund mit Schusterhammer"

im Gartentor von Minister Hundhammer

 

Nach seiner Entlassung

aus dem

Konzentrationslager Dachau

war

der Politiker

Dr. Dr. Alois Hundhammer

ein Schuhmacher

geworden

 

 

 

Bildnachweis zur Zeichnung

 

"Hund mit Schusterhammer":

nach einem Foto

von Dr. Richard Hundhammer, München

 

 

 

Die jahrzehntelange freundschaftliche Zusammenarbeit mit Hundhammer

Aus einem Brief von Dr. Dr. A. Hundhammer vom 01. Juni 1960

Herrn
Senator Konrad Frühwald

Zu Ihrem 70. Geburtstag möchte ich Ihnen aus unserer wirklich freundschaftlichen jahrzehntelangen Zusammenarbeit heraus und überdies selbstverständlich als bayerischer Staatsminister für das Landwirtschaftsressort meine besonders herzlichen Glückwünsche übermitteln.

Ich darf Sie bitten, mich wissen zu lassen, wann Sie bei der nächsten Gelegenheit wieder hier in München sein werden und eine Viertelstunde frei haben, um mich aufzusuchen.

Mit herzlichen Grüßen und der Wiederholung meiner besten Wünsche

Ihr Dr. Hundhammer

 

Anmerkungen des Herausgebers:

Vor 1933 gehörte Dr. Dr. A. Hundhammer im Bayerischen Landtag der Bayerischen Volkspartei, Konrad Frühwald der Deutschnationalen Volkspartei an. Beide Politiker standen sich als Gegner der Nationalsozialisten nahe. Während des Dritten Reiches setzten sie sich gemeinsam gegen die Verfolgung ihrer Kirchen ein. Nach 1945 schätzte mein Vater die Offenheit, mit der Hundhammer seine politischen Ziele verfolgte.

 

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Dr. Dr. Alois Hundhammer

 

 

rolf poss

photograhie

meisterbetrieb

 

Rabensteinstraße 14

8227 Siegsdorf

Tel. (0 86 62) 93 87

 

 

Eine Anekdote über Hundhammer

Erzählt von Konrad Frühwald

"Hundhammer wurde mit dem bayerischen Staatsschatz und der letzten bayerischen Jungfrau auf Weltreise geschickt. Er brachte beide unberührt zurück".

 

 

Ein Patriot zog sich im Dritten Reich in die Einsamkeit zurück und wurde Schäfer

Konrad Frühwald hatte im Dritten Reich die ihm angebotenen öffentlichen Ämter abgelehnt. Er war nur noch Bauer.

Zu Kriegsbeginn bewirtschaftete er seinen Bauernhof mit zwei Fremdarbeitern aus Osteuropa. Seine Söhne standen an der Front. Seine politischen Freunde befanden sich in Schutzhaft, waren ins Ausland geflüchtet oder wagten es kaum mehr, zu gemeinsamen Gesprächen zusammenzukommen.

So fand der frühere Politiker keinen Mann mehr, mit dem er über seine Sorgen um sein Volk hätte sprechen können.

Bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hatte er als Landtagsabgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei den Untergang Deutschlands vorausgesagt. Jetzt mußte der Patriot zusehen, wie sein Volk in den Krieg und in den Abgrund getrieben wurde. Er wollte die Siegesmeldungen aus den Lautsprechern nicht mehr hören und diese in den Zeitungen auch nicht mehr lesen.

Da reifte Konrad Frühwald der Entschluß, sich mit seiner Schafherde in die Einsamkeit eines Wanderschäfers zurückzuziehen.

 

 

Als Wanderschäfer unterwegs

"Nachdem ich zu Kriegsbeginn die alten Schafweide-Rechte unserer Gemeinde-Schäferei in Roßbach erworben hatte", erzählte meine Vater, "konnte ich auf meinem Bauernhof eine eigene große Schafherde halten, die ich selbst hütete.

Dazu pachtete ich als Vorsommer- und Sommerweide einige Gemeindefluren im Steigerwald. Im Herbst hütete ich meine 250 Schafe auf den abgeernteten Feldern der fränkischen Keuper-Platte. Immer Winter blieb ich mit meiner Herde meist in unserem Dorf. Hier standen den Schafen die Ställe und Futtervorräte meines Bauernhofes zur Verfügung.

Vor einem Weidewechsel kürzte ich die Klauen der Schafe mit einer Zange und schnitt sie bei lahmenden Tieren sorgfältig aus. Lahmte ein Schaf trotzdem noch, ließ ich es auf dem Hof zurück, wenn es noch nicht schlachtreif war.

Auf dem Weg zum nächsten Weideplatz wandere ich mit meiner Herde bis zwanzig Kilometer am Tag. Die Unterbringung der Schafe bei Nacht hatte ich mit den Gemeinden, die entlang des Triebweges lagen, rechtzeitig abgesprochen. Erreichte ich mein vorgeplantes Tagesziel nicht, übernachtete ich mit meiner Herde meist in einem Hochwald.

Wenn ich mit meiner Herde am neuen Weideplatz ankam, wurde ich wie jedes Jahr von den dortigen Bauern und ihren Familien als vertrauter Freund begrüßt.

Von der vorherigen Schafweide war die ganze Ausrüstung, die für den Betrieb einer Wanderschäferei benötigt wird, zu dem neuen Weideplatz gefahren worden. Auf einem Acker, auf dem ich zuerst pferchen sollte, stand auch schon mein Schäferkarren, der nun nach der Wanderschaft für einige Monate wieder mein Zuhause war".

 

 

Erklärung der Begriffe "Das enge Gehüt" und "Das Pferchen"

In der Lebensbeschreibung eines Wanderschäfers waren einige Fachausdrücke nicht zu vermeiden. Diese ollen für den interessierten Leser hier kurz erläutert werden.

Während den Schäfern in den Heidegebieten und in den Marschen auch heute noch ausgedehnte Weideflächen zur Verfügung stehen, erforderte das "enge Gehüt" vom Schäfer in Franken eine eigene Hütetechnik. Im "engen Gehüt" bedeutet: das Weiden der Schafe auf Äckern mit kleiner Fläche. Als Folge wiederholter Erbteilung waren in Unterfranken Felder mit einer Breite bis zu zwanzig Meter keine Seltenheit.

"Er schlug den Pferch" heißt: zur Unterbringung seiner Herde umzäunte der Schäfer auf einem Acker ein Rechteck mit Hürden. Dieses Rechteck wurde Pferch genannt und diente den Schafen als Stall für eine Nacht oder eine Mittagspause unter freiem Himmel. Der Pferch wurde täglich um 4 Uhr morgens und am späten Vormittag "weitergeschlagen", d. h. jeweils auf der angrenzenden Fläche wieder aufgebaut.

War mit Hilfe des "Pferchens" der ganze Acker nach etwa zehn Tagen lückenlos gedüngt, wurden die Hürden, das übrige Pferchgerät und der Schäferkarren auf den Acker eines anderen Bauern gefahren, der als nächster "den Pferch pachtete" hatte.

 

 

Senator Frühwald erzählt aus seinem Alltag als Wanderschäfer in Franken

"Der Alltag eines Wanderschäfers hat wenig mit der Schäferromantik gemeinsam, wie sie von den Dichtern besungen und von den Malern dargestellt wird.

Wie jeder Wanderschäfer verbrachte auch ich im Sommer und Winter den Nächte in meinen Schäferkarren, der auf freiem Feld neben dem Pferch der Schafe stand. Morgens um 4 Uhr "schlug ich den Pferch weiter", damit das Feld gleichmäßig mit Schafdung versorgt wurde.

Wenn ich während einer Winternacht im Schneetreiben "den Pferch weiterschlagen" wollte, waren die Schafe zuweilen im Pferch zugeschneit. Vielleicht, so denke ich, empfanden die Tiere die Schneedecke, die auf ihnen lag, als einen Schutz gegen die Kälte; oder die Schafe besaßen noch die Erbanlagen ihrer Vorfahren, die in der Wüste lebten und keinen mitteleuropäischen Winter kannten.

Morgens wurden mir von der Familie des Bauern, auf dessen Feld ich pferchte, drei Brotzeiten für einen Tag und das Futter für meine Hunde an den Pferch gebracht. Vor dem Morgenaustrieb befreite ich bei lahmenden Schafen die Zwischenklauenspalten von etwaigen Steinchen oder verhärtetem Lehm. Falls nötig, schnitt ich die Klauen mit dem Schäfermesser aus und bestrich die Wundränder mit Holzteer. Zuletzt "schlug" ich noch "den Pferch" für den Abend oder eine etwaige Mittagspause.

Erst nach dem Morgentau trieb ich die Schafherde zur Hütung aus. Die Schafe sollten die Wurmlarven nicht aufnehmen, die an den taunassen Gräsern hochgeklettert waren.

Bei sengender Mittagshitze ließ ich die Herde im Schaden eines Waldrandes ruhen; bei kühlerem Wetter "pferchte" ich sie für etwa zwei Stunden wieder "ein". Die Schafe brauchten die Mittagspause zum Wiederkäuen. Danach hütete ich sie wieder bis zum Abendtau.

Meine allabendliche warme Mahlzeit bekam ich jeweils im Familienkreis des Bauern, der gerade "den Pferch gepachtet" hatte.

Nach dem Abendessen saß die ganze Familie mit mir manchmal lange am Tisch. Wir plauderten über die Ereignisse der weiten Welt und unserer engeren Heimat. Solange die Kinder aufbleiben durften, hörten sie aufmerksam zu. Ihnen mußte ich auch aus alten Zeiten erzählen. Ich wurde oft in wirtschaftlichen und zuweilen in familiären Angelegenheiten um Rat gefragt. Es war die Zeit, da jung und alt abends noch nicht schweigend beim Fernsehen saß, sondern gemeinsame Gespräche führte und sich dabei die Probleme des anderen anhörte".

 

 

Aus den Festansprachen des Senators Frühwald an Schäfertagen in Hessen und Bayern von 1949 bis 1954

Der Schäfer und der Bauer

"In der vorhistorischen Zeit war der Mensch eine Jäger und Sammler. Später, in der historischen Zeit, finden wir zuerst den Beruf des Wanderschäfers und später des seßhaften Bauern.

Eine Textstelle im ersten Buch der Bibel könnte darauf hinweisen, daß die Schäfer mit ihren Herden von den landsuchenden Bauern zuweilen mit Gewalt aus ihren Weidegebieten bedrängt wurden. Wie das alte Testament berichtet, beginn den ersten Mord der Menschheitsgeschichte der Bauer Kain an dem Schäfer Abel.

In abgeschwächter Weise ist der Gegensatz zwischen Schäfer und Bauer bis heute erhalten geblieben. Auch heute noch muß der Schäfer ein Psychologe sein, um ein gutes Verhältnis zum Bauern herzustellen und zu erhalten. Der Schäfer sollte immer versuchen, sich in den Bauern hineinzudenken, um dessen Standpunkt zu verstehen. Daraus entsteht dann ein gegenseitiges Verstehen und Sich-Finden.

Aus meinen Erfahrungen als Wanderschäfer will ich nun den Jungen unter uns einige Ratschläge mit auf den Weg geben, die ein Schäfer befolgen sollte, um sich die Bauern zu Freunden zu machen:

Auf unseren fränkischen und hessischen Fluren mit dem "engen Gehüt" braucht der Schäfer zwei Hunde, welche die Schafe von den Kulturen der angrenzenden Felder abhalten. Der Pferch ist immer rechtzeitig zu schlagen, damit das Feld gleichmäßig von den Schafen gedüngt wird. Im Jahr nach dem Pferchen wird man dem Weizenfeld oder dem Kartoffelacker ansehen, ob der Schäfer seinen Pferch auch nachts zur rechten Zeit weitergeschlagen hatte.

Persönliche Verschwiegenheit des Schäfers ist eine Voraussetzung für das Vertrauen, das ihm im Dorf entgegengebracht wird: der Schäfer darf alles sehen, aber nichts wissen. Er muß alles verzehren, was ihm im Kosthaus angeboten wird; doch im nächsten Haus darf er sich nicht mehr daran erinnern, welche Mahlzeit ihm am Tag zuvor die Nachbarin vorgesetzt hatte.

Schäfersein ist eine Lebenskunst. Es hat nichts mit der Lebensweise eines Landstreichers gemeinsam. Auch gescheiterte Existenzen sind nicht fähig, den Beruf eines Schäfers richtig auszuüben. Schäfersein ist eine Beruf, zu dem man geboren sein muß."

 

 

Viele Schäfer sind Philosophen

Ein Schäfer, der zum Grübeln neigt, wird in seiner Abgeschiedenheit zum Philosophen. Wenn er - meist allein auf weiter Flur - über Fragen der Religion oder über den Sinn des Lebens nachdenkt, hat er keinen Gesprächspartner, dem er seine Gedanken mitteilen könnte. Er kann alle Fragen nur an sich selbst richten und muß sie selbst beantworten. Ein Schäfer entwirft so in seiner Einsamkeit sein eigenes Weltbild. Seine Lebensphilosophie wird sich zwangsläufig von der vorherrschenden Lebensansicht seiner Mitmenschen entfernen. Sie kann auch von der Lehre seiner Kirche abweichen. Das durch Nachdenken erworbene Gut wird sein Leben lang sein eigener Besitz bleiben, den er mit niemanden teilen kann. Schließlich wird der Schäfer seine durch Nachdenken entstandene Lebensphilosophie mit ins Grab nehmen.

 

 

Ein Politiker, der beim Schafehüten zum Philosophen wurden

Konrad Frühwald fand in den Jahren 1940 - 1945, in denen er seine Schafe hütete, mehr Zeit und Ruhe zum Nachdenken als in den vergangenen zwanzig Jahren zuvor, als er Bauer und Politiker war. Das Gedanken-Gebäude, das er sich in der Abgeschiedenheit eines Wanderschäfers aufgebaut hat, ist zum Teil in diesem Buch nachgezeichnet. 1945 kehrte er von seinen Äckern und Schafweiden wieder in die Politik zurück.

Wie Konrad Frühwald waren viele Schäfer Denker und Grübler, doch nur er hatte die Möglichkeit, als Politiker anderen Menschen durch Schrift und Wort seine geistig-philosophischen Erkenntnisse mitzuteilen, die er sich als Schäfer durch Nachdenken erworben hatte. Von nun an wurde er in der Presse "Der Bauern- und Schäferphilosoph" genannte.

"Ich hatte als Schäfer viel Zeit zum Nachdenken", berichtete Senator Frühwald später, "besonders im Herbst und Winter, wenn ich auf weiten Flächen hüten konnte. Und doch reichte mir kein Tag zum Denken aus.

Viele Texte, die ich als Schäfer formuliert hatte, wurden nach 1945 in die Agrargesetzgebung aufgenommen.

Auch konnte ich damals abends ungestört in meinem Schäferkarren die Schriften von Theologen und Philosophen lesen. Am darauffolgende Tag grübelte ich dann über die gelesenen Themen beim Schafehüten nach.

Am Sonntag blieb ich bei meinen Schafen und verfaßte im Gedanken die Predigt, die ich in der Kirche nicht hören konnte".

 

 

Ein Schäfer las die Schriften des Theologen Karl Barth

Als Soldat an der Westfront nahm mein Vater im Ersten Weltkrieg so oft wie möglich an den Andachten und Diskussionen der christlichen Studentenverbindung "Wingolf" teil. Dabei kam er zum ersten Male mit den Schriften und Gedankengängen des Theologen Karl Barth in Berührung. Karl Barth war im Ersten Weltkrieg durch seine Stellungnahme gegen die "Kampftheologie" seiner Amtsbrüder bekanntgeworden.

Im Dritten Reich stand mein Vater dem Theologen Karl Barth im gemeinsamen Eintreten für die Bekennende Kirche nahe.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges vertiefte sich mein Vater in die Schriften dieses Theologen; er suchte in ihnen eine Antwort auf seine grüblerischen Gedanken, denen er in der Einsamkeit als Schäfer nachhing. Er fand schließlich eine Antwort in den Sätzen von Karl Barth, die hier für alle suchenden Menschen wiedergegeben werden sollen:

"Wir können als irrende Menschen Gott nicht selber finden; er muß sich uns selbst offenbaren. Diese Offenbarung geschah durch seinen Gottessohn. Als Zeugnis der göttlichen Offenbarung gilt nur die Bibel".

 

 

Der Treuhänder der Reichswollverwertung

1945 wurde in München unter Vorsitz des damaligen Staatsrats Niklas über die Neuorganisation der alten Reichswollverwertung beraten. Das Gremium beschloß, diese Aufgabe dem Schäfer und früheren Politiker Konrad Frühwald zu übertragen. Nach langem Drängen übernahm er die undankbare Tätigkeit eines Treuhänders der Reichswollverwertung

Der Leiter der bayerischen Tierzucht und der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter bescheinigten dem Treuhänder Frühwald nach zwei Jahrzehnten, er habe durch seine "ruhige und sachkundige Leitung" und als eine "abwägende und überlegende Persönlichkeit" erreicht, daß die Wollverwertung erhalten blieb und "ihre segensreiche Arbeit" für die deutsche Schafzucht fortgesetzt werden konnte.

Quellenangabe:
Briefe von Dr. Diener, Landesverband Bayerischer Schafzüchter, vom 05. Juni 1950 und von Dr. Robert Winnigstedt, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rinderzüchter, vom 08. Juni 1965.

 

 

Ehrenurkunde

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Brief vom 12.12.1943

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- Schafherde -

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Ein Politiker im Deutschen Bundestag, der in seinem Herzen ein Schäfer geblieben war

"Konrad Frühwald hat viele Jahre hindurch seine Schafe selbst gehütet und betreut, wobei sich seine von Natur aus ruhige und besondere Art vermutlich voll ausgebildet hat. Er besaß auch die Eigenschaft, die ein Charakterzug fast aller Schäfer ist: schweigen, anderen Menschen zuhören und über ihre Probleme nachdenken können".

"Konrad Frühwald war bis heute der einzige Wanderschäfer im Deutschen Bundestag, dem er von 1949 bis 1957 angehörte. Er hat als Agrarpolitiker im Bundestag nicht nur die Interessen der Landwirtschaft, sonder auch die Belange der Schafzucht vertreten. Durch sein Eintreten wurden zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen für die Schafweiden-Verpachtung im Landpachtgesetz verankert. Er konnte vor allem als Mitglied des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag dafür sorgen, daß bei Etat-Beratungen die Schafhaltung nicht vergessen wurde. Die Stützung des Wollpreises ging auf seine Initiative zurück. Wenn die Schäfer von ihm sprachen, nannten sie ihn "unseren Minister".

"Wirtschaftliche Erwägungen waren nicht die alleinigen Gründe, weshalb sich Präsident Frühwald im Bundestag für die Erhaltung der deutschen Schafzucht eingesetzt hat; er war auch als Agrarpolitiker im Herzen ein Schäfer geblieben".

Quellen:
Süddeutsche Schäferzeitung vom 1950 - 1960
Deutsche Schäferzeitung von 1960 - 1970
Gespräche während der Schäfertage in Hessen und Bayern von 1949 bis 1954

 

 

Neigung zur Hege und Pflege, eine Charaktereigenschaft des Schäfers

Daß Politiker eine hohe Meinung über Schäferstand haben können, bewies Bundesminister Dr. Thomas Dehler. Er schrieb 1955 über Senator Konrad Frühwald, der über 5 Jahre Wanderschäfer war:

"Lebensweisheit sowie seine tiefe, aus dem urtümlichen Milieu des Schäfers stammende Neigung zur Hege und Pflege sind ein Charakteristikum seiner Persönlichkeit".

 

 

Aus der Rede des Konrad Frühwald im Deutschen Bundestag am 21.06.1956

Die Schäfer, ein Stand der Vergessenen

"Zum Schluß meiner Ausführungen über den "Grünen Bericht" muß ich Sie noch auf eine Gruppe aufmerksam machen: auf die Gruppe der Vergessenen. Denn im "Grünen Bericht" unseres Bundes-Landwirtschafts-Ministeriums ist eine ganz bestimmte Berufsgruppe vergessen worden." (Zuruf aus dem Plenarsaal: "Die Schäfer"). "Der Zuruf stimmt. Diese Vergessenen sind die Schäfer. Denn von allen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die beim "Grünen Bericht" und beim "Grünen Plan" erörtert wurden, wurde die deutsche Schafwolle nicht erwähnt, die auf den niedrigsten Preis gesunken ist. Unsere Regierung hat in ihren Berichten über die Lage der Landwirtschaft aber nicht nur den Tiefstand der deutschen Schafwolle verschwiegen, sie hat auch die Zuschüsse der Mastversuche an Schafen in ihrem Etat gestrichen.

Würde der Schäfer mit Hilfe des "Grünen Planes" noch rechtzeitig einen angemessenen Erlös für seine Wolle erhalten, würden wir als verantwortliche Politiker eine Wirtschaftsgruppe am Leben erhalten, die wir eines Tages wieder als Wollieferanten brauchen werden. Vergessen wir aber weiterhin die Gruppe der Schäfer, werden wir einmal einen viel höheren Betrag aufwenden müssen, um diese Vergessenen in Wald und Heide dann unserem Volk als Denkmäler einer vergangenen Zeit in einem eigenen Naturschutzpark wieder vorführen zu können".

 

 

Eine jahrtausendalte Tradition geht zu Ende

Heute (1987) sind die Wanderschafherden auf fränkischen Fluren selten geworden. Fast glaubt man, die Natur habe mit den Schafherden und Schäfern einen Teil ihres pulsierenden Lebens verloren. Der Pflug hat die Herden der führenden Wanderschäfer von ihren ehemaligen Weideflächen weitgehend verdrängt. Außerdem ist von der jüngsten Generation kaum noch jemand bereit, die Strapazen eines Wanderschäfers auf sich zu nehmen.

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in Bayern mehr als 50 000 Wanderschäfer (1), 1986 waren es nur noch 356 (2).

Die Koppelschafhaltung hat die Wanderschäfer abgelöst.

Quellen:
(1) Süddeutsche Schäferfibel; Dr. Hans Oskar Diener; Verlag J. Gotteswinter; München; 1949
(2) Jahresbericht der Vereinigung Deutscher Landschafzuchtverbände e. V.; Ausgabe 1987

 

 

Der Bürger ist rechtlos, wenn  e i n e  Gruppe den Staat beherrscht

Mein Vater hatte bis 1933 als Politiker vergeblich versucht, die Wähler davon zu überzeugen, daß eine einzelne Gruppe leicht ein ganzes Volk zugrunde richten könne, wenn sie die alleinige Macht im Staat übernommen habe. Es sei auch der einzelne Bürger, der nicht dieser Gruppe nahestehe, schutzlos der Willkür der Behörden ausgeliefert, wenn alle Posten im Staat - einschließlich der Justiz - von Funktionären oder Gesinnungsgenossen dieser einen Gruppe besetzt seien.

Es sei dabei gleichgültig, in welcher Hand sich die alleinige Macht im Staate befinde: in der Hand einer politischen Partei, der Großindustrie, der Gewerkschaften oder anderer Wirtschaftsverbände oder einer Glaubensgemeinschaft.

Hat sich ein Staatsvolk für die Demokratie entschieden, dann brache diese Demokratie wenigsten drei Parteien, so argumentierte mein Vater, damit jeweils die beiden schwächeren Parteien gemeinsam die alleinige Machtausübung der stärksten Partei behindern könnten, falls sie über 50 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigten. Dies würde dann auch dem mehrheitlichen Wählerwillen entsprechen.

Diese politische Ansicht war an seinem Entschluß mitbeteiligt, sich 1949 nicht einer der großen Parteien wie z. B. der CSU, sondern der Freien Demokratischen Partei anzuschließen.

 

 

"Das brachliegende Land neu bestellen"

In den Aufzeichnungen meines Vaters aus dem Jahre 1945 fand ich folgende Sätze:

"Deutschland ist ein Land geworden, daß einem Bauernhof gleicht, dessen Äcker brachliegen und verwildern. Wir müssen alle an die Arbeit gehen und unseren Staat wie ein braches Land wieder neu bestellen. Ich werde mitarbeiten. Unser aller Acker heißt jetzt Deutschland".

Mein Vater übernahm nach dem Zusammenbruch von 1945 das Ernährungsamt-A in Neustadt a.d. Aisch. Auch bei Wind und Wetter legte er täglich den Hin- und Rückweg zu seinem 10 km entfernten Arbeitsplatz zu Fuß zurück. Motorfahrzeuge fehlten; eine Fahrradbereifung war nur über den Schwarzhandel zu erwerben.

Gleichzeitig übertrug ihm das bayerische Ernährungsministerium die undankbare Aufgabe, als Bevollmächtigter für Nordbayern dafür zu sorgen, daß die Bauern ihr Ablieferungssoll erfüllten und das die Lebensmittel die vorgesehenen Bestimmungsorte erreichten und nicht in den Kanälen des Schwarzhandels verschwanden.

Als Verkehrsmittel standen ihm dabei in den Nachkriegsmonaten die überfüllten Züge zur Verfügung. Seine Tätigkeit für das Ministerium wurde zuweilen durch die Willkür der Besatzungsmacht behindert. Wie aus seinen Aufzeichnungen zu entnehmen ist, wurde er gelegentlich - auch nachts - von Beauftragten der Militärregierung aus dem Zug geholt und festgehalten. Am nächsten Tag kam er dann erschöpft und manchmal entmutigt wieder in Roßbach an.

In den folgenden Kapiteln ist nachzulesen, wie der hartnäckige Franke und deutsch Patriot trotzdem nicht seine Mitarbeit am Wiederaufbau der Heimat aufgab.

Wenn wir heute von den Feldern ernten, die unsere Väter in der Nachkriegszeit wieder unter den Pflug genommen haben, sollten wir dankbar die Arbeit der alten Generation anerkennen, die mit Zähigkeit und z. T. unter Strapazen das brachliegende Land, daß heißt ihre Heimat und ihr Vaterland, neu bestellte.

 

 

Bittgottesdienste sollen eine Hungerkatastrophe vom deutschen Volk abwenden

Abschrift eines Briefes von Konrad Frühwald, Leiter des Ernährungsamtes-A Neustadt/Aisch, vom 20.02.1948.

An Herrn Landesbischof D. M e i s e r
M ü n c h e n
Himmelsreichstraße 22

Hochverehrter Herr Landesbischof!

Die Ernährungslage in unserem deutschen Volk wird immer katastrophaler. Aus diesem Grunde gestatte ich mir, Ihnen eine Bitte vorzutragen.

Wäre nicht zu erwägen, eine Anordnung zu erlassen, daß unsere Pfarrer an einem bestimmten Sonntag einen Bittgottesdienst gestalten, der in der Endauswirkung darauf abzielt, einen Appell an diejenigen Völker der Erde zu richten, die wirtschaftlich in der Lage sind, uns vor einer Hungerkatastrophe zu bewahren? Vielleicht würde diese Maßnahme - und ich nehme es bestimmt an - in Amerika eine nachhaltige Wirkung hervorrufen als die aus diesen Gründen durchgeführten und ständig neu erörterten Streiks.

 

 

Konrad Frühwald berichtet über die Gründung und den Aufbau des Bayerischen Bauernverbandes

Roßbach/Mittelfranken, den 16.07.1946

Am 07. September 1945 war ich zur Gründungsversammlung des Bayerischen Bauernverbandes in München eingeladen. Dieser Verband ist nach dem Muster des Schweizer Bauernverbandes gebildet. Er soll überparteilich und überkonfessionell sein. Er wird von früheren führenden Mitgliedern des Christlichen Bauernvereins, des Bayerischen Landbundes und des Bayerischen Bauernbundes getragen.

Es wurden drei kommissarische Präsidenten berufen:

1. Sturm, Josef aus Niederbayern
2. Frühwald, Konrad aus Mittelfranken
3. Dr. Fehr, Anton aus dem Allgäu

Mein Ziel ist es, daß dem Bayerischen Bauernverband alle die Rechte und Funktionen übertragen werden, welche der frühere Reichsnährstand bzw. die früheren Landwirtschaftskammern hatten.

 

Roßbach/Mittelfranken, den 16.01.1947

Im Bauernverband war die Wahl des 1. Präsidenten fällig. Die Vertreter aus Alt-Bayern forderten den Sitz für ein früheres Mitglied des Christlichen Bauernvereins. Für den Kandidaten des Christlichen Bauernvereins wurden 33 Stimmen abgegeben. 22 Stimmen fielen auf mich, den ehemaligen Vertreter des Landbundes. Der Schwerpunkt des Landbundes lag vor 1933 in Franken.

 

 

Auszug

des Bayerischen Staatsanzeigers

 

"einfügen"

 

Gründerväter

 

des Bayerischen Bauernverbandes

 

 

 

 

 

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Photo: Sauter - Mohn, München

 

 

 

 

Von links:
Konrad Frühwald, Dr. Michael Horlacher, Dr. Josef Baumgartner

 

 

Kirchenführer und Politiker begrüßten die Vereinigung der bayerischen Bauern in einem Gesamtverband

Vor 1933 wurden die Belange der bayerischen Bauern von drei Verbänden wahrgenommen: dem Christlichen Bauernverein, der sich politisch an das Zentrum und an die Bayerische Volkspartei anlehnte, dem Bayerischen Landbuch, der bis zu 55 000 Mitglieder zählte und politisch rechts ausgerichtet war, und dem Bayerischen Bauernbund, der als Partei eigene Vertreter in die Parlamente entsandte. Infolge des Kampfes gegeneinander konnten diese drei getrennten Verbände die wirtschaftlichen Interessen der Bauern gegenüber anderen Interessengruppen und gegenüber den Parlamenten und staatlichen Stellen nicht wirkungsvoll genug vertreten.

Nach dem Zusammenbruch des deutschen Reiches im Jahre 1945 wurden von den früheren noch lebenden Bauernvertretern, zu denen mein Vater zählte, die unterschiedlichen Auffassungen dem Streben nach Zusammenschluß aller bäuerlichen Gruppierungen untergeordnet. Am 07. September 1945 wurden der Bayerische Bauernverband gegründet und dessen vorläufiges Präsidium gewählt.

Sehr aufgeschlossen zeigten sich für den Gedanken der Bauer-Einigung Kardinal Dr. Michael Faulhaber und Landesbischof D. Meiser. (1)

Daß auch solche Bauernführer, die bei der Gründungsversammlung des neuen Einheitsverbandes nicht anwesend waren, die Gründung des Verbandes begrüßten und der Wahl des vorläufigen Präsidiums zustimmten, zeigt ein Auszug eines Briefes vom 31.10.1945 von Adam Sühler aus Oberfranken, der vor 1933 der zweite Vorsitzende des Bayerischen Landbundes war.

"Gestern habe ich im Radio München gehört, daß der Bayerische Bauernverband von der Militär- regierung als berufsständische Bauernorganisation anerkannt wurde. Durch Zusammenfassung aller Kräfte des bayerischen Bauerntums ist endlich unser alter Wunschtraum für eine Bauern-Einigung auf breiter Grundlage in Erfüllung gegangen. Diese Einigung ist früher leider immer wieder durch parteipolitische Machenschaften durchkreuzt worden.

Ich kann versichern, daß es mich besonders gefreut hat, den Namen Konrad Frühwald als führendes Mitglied des Landesverbandes des Bayerischen Bauernverbandes zu hören".

Mein Vater berichtete mir aus der Gründungszeit des Bayerischen Bauernverbandes, es sei für ihn damals schwer gewesen, die Einheit des Gesamtverbandes zu erhalten. Besonders die Vertreter der ehemaligen Christlichen Bauernvereine hätten immer wieder mit der Wiedergründung ihrer alten Verbände dann gedroht, wenn sie versuchten, bestimmte Ziele im Gesamtverband durchzusetzen.

Literatur:
(1) Zehn Jahre Bayerischer Bauernverband; Bayerischer Landwirtschaftsverlag, München; 1955

 

 

Präsident Konrad Frühwald nimmt sich 1943 der Landjugend an

Nach den Richtlinien der amerikanischen Militärregierung durften Parteien in der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands keine Jugendgruppen bilden.

Der zweite Präsident im Bayerischen Bauernverband, Konrad Frühwald, schuf deshalb im September 1946 ein Kulturwerk der Landjugend Bayerns. Dieses Kultwerk sollte Katholiken und Protestanten, Flüchtlinge und Einheimische zusammenführen. Es sollte die gesamte Landjugend auf christliche Grundlage kulturell fördern und sie zum Dienst an Volk und Staat erziehen.

An die Eltern der Landjugend gewandt, schrieb Konrad Frühwald 1946: "Eltern, die keine Hemmungen haben, bestehende Rechtsgrundsätze zu umgehen, können ihren Kindern kein Vorbild sein. Ihre Kinder können sich nie zu sittlich starken Menschen entwickeln; sie verlieren das Verständnis für alle moralischen Begriffe und damit das Rückgrat einer sittlichen Lebensführung."

In der sogenannten "Nürnberger Entschließung" vom 28.09.1946 wandte sich Konrad Frühwald gemeinsam mit den Vertretern der bayerischen Landjugend auch an die Politiker: "Der Jugend müssen Wege gezeigt werden, die den Staat und dem Volke und das Volk dem Staate näherbringen. Voraussetzung ist, daß die jeweiligen Träger der Staatsgewalt und der Jugend an sittliches und charakterliches Vorbild sind".

 

 

Die Idee von Ständestaat fand wenig Echo

Als das Parteisystem der Weimarer Republik versagt hatte und aus ihr eine Partei hervorgegangen war, die Deutschland in die Katastrophe führte, suchte mein Vater nach 1945 nach ganz neuen Wegen in der Politik.

Er glaubte, im Staat müßten nicht unbedingt die politischen Parteien regieren; der Parteienstaat könne durch eine Stände-Staat und der Landtag durch ein Stände-Parlament durch ein Stände-Parlament ersetzt werden.

In Bayern war - nach seiner Meinung - ein Versuch in dieser Richtung unternommen worden, als der Bayerische Senat, eine Ständevertretung, errichtet wurde. Er fand die Arbeit im Senat, dem er seit 1947 angehörte, sachlicher und deshalb fruchtbarer als in den Parteien-Parlamenten vor 1933, die er ebenfalls als Abgeordneter kennengelernt hatte.

Am 20. Juli 1947 hatten der Bayerische Bauernverband und der Bayerische Gewerkschaftsbund eine Arbeitsgemeinschaft besiegelt. Der Militärregierung und den Partei-Politikern gegenüber bezeichneten die beiden Berufsstände ihre Arbeitsgemeinschaft als unpolitisch. "Die Arbeitsgemeinschaft will nicht gegen die Parteien auftreten. "Sie will die Staatsautorität stärken".

Die Arbeitsgemeinschaft war ein totgeborenes Kind. Die Beerdigung fand in aller Stille statt.

Mein Vater gab seine Vorstellung von einem Stände-Staat wieder auf. Ab 1949 vertrat er wieder - wie vor 1933 - die Interessen der Landwirtschaft im Parlament.

Es bleibt dem Urteil jedes einzelnen überlassen, ob ihm ein Ständestaat die gleiche Freiheit gebracht hätte wie der Staat, in dem er heute lebt.

 

 

Über die Politik in Bayern nach 1945

In diesem Kapitel sind Auszüge aus Briefen notiert, in denen Konrad Frühwald einem alten deutschnationalen Parteifreund über die politischen Vorgänge in Bayern von 1945 bis 1947 berichtet.

Roßbach/Mittelfranken, den 29. Dezember 1945

Wir Deutschen sind heute als Volk wieder dort angekommen, wo wir im Jahre 1813 abmarschiert sind. Ob dies unser deutsches Volk endlich auch erkennt? Und wird es auch den Mut aufbringen, sich zu seiner Armut zu bekennen?

 

Roßbach/Mittelfranken, den 08. Februar 1946

Die französische Diplomatie pflegt bewußt die bayerische Sonderwünsche, weil sie hofft, dadurch leichter ihr Ziel zu erreichen, eine gesamtdeutsche Regierung auch dann zu verhindern, selbst wenn die verfassungsmäßige Einheit späterer deutscher Bundesstaaten noch so locker sein sollte.

 

Roßbach/Mittelfranken, den 07. August 1946

Ich gehöre bis heute keiner Partei an. Ich kann als Franke einer bayerischen Politik mit separatistischen Tendenzen (19 nicht zustimmen. Mein Platz ist dort, wo Deutschland steht. Ich lasse mir den Glauben nicht nehmen, daß die Westmächte erkennen müssen: Deutschland muß leben, damit Europa nicht untergeht. Die westlichen Sieger werden bald die Folgen davon spüren, daß sie im Ersten Weltkrieg das Habsburger-Reich (2) und nach dem zweiten das übrige Mitteleuropa zertrümmert haben.

Die CSU hat mir eine Kandidatur zur Verfassungsgebenden Landesversammlung in Bayern angeboten. Ich habe abgelehnt. Die heutigen Parteien sind überaltert, und jede hat eine Vorgängerin aus der Zeit vor 1933 als Basis. Ich dagegen bin der Meinung, eine Partei von heute muß sich ein eigenes Fundament mit neuen Grundsätzen schaffen. Außerdem hat nur die Partei eine Zukunft, der es als erster gelingt, die Jugend für sich zu gewinnen.

 

Roßbach/Mittelfranken, den 16. Januar 1947

Bayern macht seine eigene Politik. Die CSU gewann bei der letzten Landtagswahl 104 Mandate, die SPD 54. Aber in der Koalitionsregierung wird die CSU 5 und die SPD 4 Minister stellen. Gleichzeitig hat die SPD bestimmt, wer aus den Reihen der CSU bayerischer Ministerpräsident zu werden hat. Die SPD errang diese Macht infolge eines Zwiespaltes innerhalb der CSU.

Der liberale Flügel der CSU wird vom Parteivorsitzenden Dr. Müller geführt. Dr. Müller ist Katholik aus Oberfranken und war im Widerstand gegen Hitler der Verbindungsmann zum Vatikan. Dabei arbeitete er mit evangelischen Persönlichkeiten zusammen. Auf seiner Seite stehen alle protestantischen Abgeordneten der CSU. Die Gruppe um Müller bekennt sich zur Idee des Reiches.

Der andere Flügel der CSU wird von den Vertretern der früheren Bayerischen Volkspartei gebildet, die ideologisch dem Zentrum nahestand.

Dieser Flügel versucht mit allen Mitteln, die Partei für ihre konfessionellen und separatistischen Ziele einzuspannen.

(1) bayerische separatistische Tendenzen: Bestrebungen, Bayern vom übrigen Deutschland zu trennen
(2) das Habsburger-Reich: das österreichische Kaiserreich

 

 

Konrad Frühwald lehnte den 2. Parteisitz in der CSU ab

Während der Gründungszeit der CSU hatte Herr Centmayer, der später der Landtagsfraktion der CSU angehörte, nach Rothenburg o. T. zu einer Bauernversammlung eingeladen. (1) Ich begleitete meinen Vater.

Nach der Versammlung führte mein Vater ein langes Gespräch mit Rechtsanwalt Dr. Josef Müller aus München, dem damaligen Landesvorsitzenden der Christlich-Sozialen Union. Er bot meinem Vater den zweiten Parteivorsitz in der CSU an. Dr. Müller sinngemäß: "Wir brauchen in der Parteispitze als zweiten Vorsitzenden einen Bauern, der wie Sie, Herr Präsident, einen großen Anhang in Franken hat. Der dritte Parteivorsitzende sollte ein Arbeiter sein".

Mein Vater lehnte das Angebot ab. Als einen seiner Ablehnungsgründe nannte er mir seine schlechte Erfahrung mit einigen Parteigrößen innerhalb der Gremien der CSU. Bestimmte Spitzenpolitiker der CSU, mit denen er dann in München zusammenarbeiten müsse, würden Eigenschaften besitzen, die er nicht schätzen, und politische Ziele verfolgen, denen er nicht zustimmen könne.

(1) Im Herbst 1946

 

 

Aus einem Brief von F. J. Strauß

"Mit Interesse habe ich die Gliederung Ihres Buches und die übersandten Textauszüge gelesen"

schrieb der bayerische Ministerpräsident F. J. Strauß am 13. Oktober 1987 zum Entwurf des Buches "Ein Lebensbild aus Franken".

"Konrad Frühwald hat sich um den Bauernstand und um die Entwicklung unserer Partei größte Verdienste erworben. Daß die Christlich-Soziale-Union auch in lutherisch-konservativen Kreisen, vor allem im protestantischen Bauerntum, Fuß fassen konnte, ist nicht zuletzt auch Konrad Frühwald zu verdanken".

"Zu der Zeit, als Dr. Josef Müller Ihrem Vater den stellvertretenden Parteisitz der CSU anbot, war ich Generalsekretär".

Weitere Anmerkungen des Herrn Ministerpräsidenten findet der Leser im nächsten Abschnitt:
"Wurde durch den Verzicht von Konrad Frühwald auf den 2. Parteivorsitz der Aufstieg von F. J. Strauß erleichtert?"

 

 

- Brief von Dr. Müller - 04. Juli 1946 einfügen -

 

 

 

Anmerkung des Verfassers zum Brief von Dr. Josef Müller an Konrad Frühwald

Dr. Josef Müller sollte 1945 im Konzentrationslager Flossenburg hingerichtet werden. Er hatte mit der Widerstandsgruppe um Oberst Oster und den Theologen Bonhoeffer zusammengearbeitet. Sein Todesurteil wurde in letzter Minute nicht vollstreckt. Dr. Josef Müller vermutete später, er sollte auf Anweisung Hitlers als Zeuge für einen Schauprozeß gegen die christlichen Kirchen zu Verfügung stehen.

Man beachte dazu auch den Satz im Kapitel "Im Buch 'Mein Kampf' nannte Hitler seine Ziele": "...nach Ausrottung der Juden in Europa seien die Kirchenführer als nächste "Feinde" vorgesehen gewesen".

 

 

- Brief der Christlich-Sozialen Union - Dr. Eichhorn einfügen -

 

- Brief der Bayerischen Staatskanzlei vom 19.02.1946 einfügen -

 

 

Wurde durch den Verzicht von Konrad Frühwald auf den 2. Parteivorsitz der Aufstieg von F. J. Strauß in der CSU erleichtert?

Konrad Frühwald hatte im Herbst 1946 (5) auf den stellvertretenden Parteivorsitz der CSU verzichtet. Die zweiten Vorsitzenden der CSU wurden im Februar 1948 Michael Horlacher (4) und August Haußleiter (1). Haußleiter verließ die CSU im September 1949 und gründete zwei Monate später eine eigene Partei "Die Deutsche Gemeinschaft". (1)

Es bleibt dem Scharfsinn der Parteipolitik überlassen, inwieweit der Aufstieg von Franz Josef Strauß innerhalb der CSU dadurch erleichtert wurde, daß "der eigenwillige Franke" Konrad Frühwald 1946 auf das Angebot von Dr. Josef Müller verzichtet hatte, die Stellung des 2. Landesvorsitzenden zu übernehmen.

F. J. Strauß galt 1945/46 (5), in der Gründungszeit der CSU, als "Der junge Mann von Dr. Josef Müller". Er war von 1948 bis 1952 Generalsekretär der CSU. Im März 1961 wurde er der Vorsitzende seiner Partei. (1) (5)

Franz Josef Strauß verfocht kulturpolitisch die gleichen Ziele wie Konrad Frühwald. So konnte er in den 60er Jahren (5) die Wahllandschaft in Nordbayern verändern: er gewann die liberalen und protestantischen Wähler meiner fränkischen Heimat für die CSU, indem er den Einfluß der Kirche in Partei und Staat zurückdrängte. Eingeweihten ist bekannt, welche internen Auseinandersetzungen deshalb zwischen Strauß und Kardinal Döpfner stattgefunden haben. Der gewiegte Taktiker Frank Josef Strauß erreichte dennoch, daß der Kardinal weiterhin die Gläubigen auffordern ließ, "christlich", das heißt die CSU, zu wählen.

Anmerkungen des Herrn Ministerpräsidenten F. J. Strauß im Wortlaut: (2)

"1. Zu der Zeit, als Dr. Josef Müller Ihrem Vater den stellvertretenden Parteivorsitz der CSU anbot, war ich Generalsekretär. Ich habe dieses Amt auch nach dem Rücktritt Josef Müllers behalten. Die Alternative lautete also damals nicht: Konrad Frühwald oder Franz Josef Strauß? Mein Amt war unmittelbar von der Entscheidung Ihres Vaters nicht berührt. Ich bin erst drei Jahre, nachdem Erhard Landesvorsitzender der CSU geworden war, zu seinem Stellvertreter gewählt worden, konnte also gar nicht im Wettbewerb mit Ihrem Vater stehen. Es war vielmehr Dr. Horlacher, ein ausgewiesener Agrarpolitiker (3), der schon seit der 2. Hälfte der 40er Jahre stellvertretender Landesvorsitzender war.

2. Im Anschluß an diese Episode vollziehen Sie einen sehr großen Sprung in die 60er Jahre. Ich hoffe, daß die Leser die zeitliche Einordnung trotzdem richtig treffen können. (5)

Vor allem geben Sie jedoch die damaligen politischen Entscheidungen nicht genau wieder. Es ging mir nicht schlechthin darum, den Einfluß der Kirche - womit Sie offensichtlich die römisch-katholische Kirche meinen - in Partei und Staat zurückzudrängen, sondern Übertreibungen abzubauen. Die kulturpolitischen Auseinandersetzungen um die konfessionelle Lehrerbildung und um die Konfessionsschule waren nicht in erster Linie von machtpolitischen oder taktischen Interessen bestimmt, sondern waren parteiintern Klärungen zwischen zwei Richtungen. Die Christlich-Soziale-Union überwand damals jede einseitige konfessionelle Bindung, während die Betonung des christlichen Gedankengutes und die Verpflichtung auf das christliche Sittengesetz erhalten blieben. Es handelt sich für die CSU um einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer liberal-konservativen Volkspartei auf christlich-sozialer Grundlage. Sonst hätte sie keine Chance für absolute Mehrheiten gehabt.

Die Haltung, die damals die CSU eingenommen hat, entsprach dem Verhältnis von Staat und Kirche im modernen, weltanschaulichen neutralen Staat.

Zu Ihrer weiteren Information füge ich die Rede bei, die ich auf dem Parteitag der CSU am 22. November 1985 zum Thema "40 Jahre CSU" gehalten haben".

(1) Munzinger Archiv, Ravensburg
(2) aus einen persönlichen Brief des Herrn Ministerpräsidenten an den Verfasser vom 13. Oktober 1987
(3) Dr. Michael Horlacher war wie Konrad Frühwald 1945 ein Mitbegründer des Bayerischen Bauernverbandes
(4) "Wer ist wer?" 1951
(5) Ich danke dem Herrn Ministerpräsidenten F. J. Strauß für seine liebenswürdige Anregung, in diesem Kapitel die Geschichte der CSU mit einigen Daten so zu ergänzen, "daß die Leser die zeitliche Einordnung ... richtig treffen können".

 

 

Der tolerante König

Im Abschnitt "Die ökumenische Zusammenarbeit von Hundhammer, Bischof Scharnagl und Konrad Frühwald im Dritten Reich" wird geschildert, wie sich der Protestant Konrad Frühwald im Dritten Reich über die Grenzen der Konfessionen hinweg für die gesamte christliche Kirche eingesetzt hat.

"Mit seinen Nächsten und mit seinen Freunden verband ihn ein Verhalten, das aus christlicher Grundgesinnung heraus von Toleranz getragen war", schrieb Bundesminister a. D. Ertl.

Ein Vorbild christlicher Toleranz war für Senator Frühwald der letzte bayerische König.

In Frühwalds Aufzeichnungen sind folgende Sätze zu lesen:

"Ich kann mich gut an die Zeit vor 1918 erinnern, als der katholische bayerische König gleichzeitig das Oberhaupt unserer evangelisch-lutherischen Kirche war. Der bayerische König verstand es, konfessionelle Gegensätze unter seiner Beamtenschaft und in seinem Offizierskorps zu überbrücken. Die konfessionellen Gegensätze entwickelten sich erst nach 1918, als die Parteien auch die Personalpolitik der Regierung bestimmten".

 

 

Die CSU und der "eigenwillige Franke"

Der Politiker aus Oberfranken und Landesvorsitzende der CSU, Dr. Josef Müller, hatte seine Vorstellung von einer deutsch ausgerichteten und überkonfessionellen Union nicht verwirklichen können. Er unterlag innerparteilich den konservativen Kräften aus den Reihen der ehemaligen Bayerischen Volkspartei, die vor 1933 die Geschicke Bayerns bestimmt hatte.

Auch in den Augen des früher deutschnationalen Abgeordneten Konrad Frühwald war die Christlich-Soziale-Union in ihrem Kern die Nachfolgerin der Bayerischen Volkspartei.

Er wurde in seiner Ansicht durch die Bestrebungen führender CSU-Politiker bestärkt, die nach 1945 die konfessionell ausgerichtete Politik der Bayerischen Volkspartei und der Christlichen Bauernvereine fortzusetzen gedachten.

1949 wurde der "eigenwillige Franke" Konrad Frühwald in der Wahlliste für den ersten Deutschen Bundestag als Kandidat der F.D.P. aufgestellt, obwohl er kein Mitglied dieser Partei war. Er erhielt auf der Landesliste nach Dr. Thomas Dehler den 2. Platz.

In Wahlversammlungen und in Druckschriften wurde der daraufhin als Gegner der CSU und der Kirche (1) bezeichnet. Die damaligen Politiker der Christlich-Sozialen-Union waren sich dessen bewußt, daß sie mit Senator Frühwald zugleich auf ein großes Wählerpotential in Mittelfranken verzichten mußten.

Literatur:
(1) Werkbrief für Landjugend, Heft 5; herausgegeben von der Landesstelle der Katholischen Jugend Bayerns

 

 

Aus einem Wahlaufruf von Konrad Frühwald 1949

"Unser aller Acker ist Deutschland"

Fränkisches Landvolk!

Zur Wahl des Bundestages ist es mir ein inneres Bedürfnis, das gesamte mittelfränkische Landvolk anzusprechen; denn W a h r h e i t  und K l a r h e i t  waren zeit meines Lebens Richtschnur meines persönlichen und politischen Denkens und Handelns.

Der fränkische Bauer war den bayerischen separatistischen Bestrebungen (1) noch nie zugänglich und ist bis zur Stunde trotz aller Nöte unseres Vaterlandes deutsch geblieben, genauso wie er sich bedingungslos zu den christlichen Sittengesetzen bekennt.

Die Wahl zum Bundestag am 15. August 1949 wird ein Meilenstein in der neuen deutschen Geschichte werden. Das neue Haus in Bonn wir nur dann auf festem Grund gebaut werden können, wenn alle, die dort einziehen, den Willen aufbringen, über alles Trennende hinweg deutsch zu handeln.

Eine Partei kann nie Selbstzweck, sondern darf nur Mittel zum Zweck sein. Die Landwirtschaft muß deshalb daran interessiert sein, in allen Parteien Verständnis für ihre Belange zu suchen, weil sie keine eigene Partei in das Parlament entsenden kann.

Im Jahre 1945 gelang es, das bayerische Landvolk organisatorisch zu einer Einheit im Bayerischen Bauernverband zusammenzufassen. Ich erinnere daran, daß ich einen gewissen Verdienst an dieser Lösung hatte. Es ist mein Ziel, die geschaffene berufsständische Organisation ohne Rücksicht auf konfessionelle und parteipolitische Unterschiede nicht nur zu erhalten, sondern den Bauernverband zu einer Kraft zu machen, die im wirtschaftspolitischen Machtkampf mitentscheiden kann.

Ich habe bis 1933 die Belange der bayerischen Landwirtschaft im Landtag vertreten. Wenn ich mich jetzt der F.D.P. angeschlossen habe und mich wieder ins parteipolitische Leben begebe, dann geschieht dies in der Erkenntnis, daß letztlich die Forderungen der Landwirtschaft nur im Parlament wirkungsvoll vertreten werden können. Es wurden mir seit 1946 von namhaften Parteien hohe Positionen angeboten; mancher wäre dabei unter Preisgabe seiner Grundsätze gestrauchelt.

Ich bin aber meiner Grundeinstellung treu geblieben, wie ich dies auch in der Zeit von 1933 bis 1945 tat. Gerade im Dritten Reich habe ich mich trotz der damit verbundenen Gefahr öffentlich für die Grundsätze des Christentums eingesetzt. Ich werde das auch weiterhin tun, selbst wenn die CSU glaubt, allein berechtigt zu sein, Christentum und Kirche zu vertreten.

(1) Bayerische separatistische Bestrebungen, hier: der Versuch, Bayern von Deutschland zu trennen

 

 

- Auszug aus Süddeutscher Zeitung Nr. 83 vom 09. August 1949 einfügen -

 

 

 

- Brief von Dr. Hans Bornkessel vom 17. August 1949 einfügen -

 

 

Aus einem Rundfunkvortrag von Senator Frühwald am 21.07.1949 zur Wahl des Deutschen Bundestages

Neuaufbau 1949 durch eine freie Wirtschaft

Die Haltung der Bayerischen Staatsregierung und der Mehrheit des Bayerischen Landtages zum Bonner Grundgesetz haben mich persönlich bewogen, aus meiner bisherigen parteipolitischen Reserve herauszutreten. Für jeden von uns ist die ablehnende Haltung Bayerns zum Grundgesetz umso bedauerlicher, da Bayern als das größte Land bei der Neugestaltung von Restdeutschland die führende Rolle hätte übernehmen müssen. Ich weiß, daß sich weite Kreise unseres Volkes schon 1945 gerade an die Hoffnung geklammert haben.

Es ist bekannt, daß ich als Zweiter Präsident dem Bayerischen Bauernverband vorstehe, der satzungsgemäß auf überparteilicher und überkonfessioneller Grundlage steht. Da und dort mag der Eindruck entstanden sein, daß der Bayerische Bauernverband bisher zu sehr zur Hilfsgruppe der CSU geworden sei.

Ich bis aber der Auffassung, daß im demokratisch-parlamentarisch regierten Staat eine organisierte Berufsgruppe ihre Ziele am besten dann erreichen kann, wenn sie nicht nur in der jeweiligen Regierungspartei, sondern auch in der Oppositionspartei vertreten ist. Die Gewerkschaften haben dies im Zweizonenwirtschaftsrat sehr geschickt ausgenützt.

Im Deutschen Bundestag wird die Freie Demokratische Partei mit mir in ihrer Agrarpolitik die Befreiung der Landwirtschaft von den Fesseln der Zwangswirtschaft fordern. Es ist auf die Dauer untragbar, daß durch Niedrighalten der Erzeugerpreise die Verarmung des Landvolkes von unseren Politikern in Kauf genommen wird. Die Zwangsbewirtschaftung der Lebensmittel wird heute von alle Kreisen abgelehnt, von den Verbrauchern noch mehr als von den Erzeugern.

Wer hält sich denn heute noch an die Vorschriften der Bewirtschaftung? Noch nicht einmal diejenigen, die gezwungen sind, die einschlägigen Verordnungen mit ihrem Namen zu unterzeichnen. In der Zeit vor 1918 ist man allen Anordnungen der Regierung mit Ehrfurcht begegnet und hat sich auch dementsprechend gewürdigt und ihren Vollzug gewährleistet. Die Anordnungen der Weimarer Republik wurden ebenfalls respektiert. Im Dritten Reich wurden Anordnungen aus Furcht vollzogen. Die heute auf dem Ernährungssektor von der Militärregierung erzwungenen Anordnungen werden noch nicht einmal zur Kenntnis genommen. Daß dadurch der Staat seine Autorität im Volke verliert, wird niemand bestreiten wollen. Neben der Demontage der Fabriken ist die Aufrechterhaltung einer widersinnigen Bewirtschaftung das beste Mittel, das Ansehen unserer jungen Demokratie zu zerstören und den weiteren demokratischen Staatsaufbau zu gefährden. Wer positiv am Aufbau des Staates mitarbeiten will, muß also mithelfen, daß die Ursachen beseitigt werden, die den Aufbau unseres neuen Staates stören. Wenn wir auf allen Gebieten der Wirtschaft die Freizügigkeit der Marktbildung wirken lassen, dann kann die Ernährungswirtschaft auf die Dauer nicht unter Sondergesetze gestellt bleiben.

Ich fordere daher auch für die Ernährungswirtschaft so bald wie möglich einen freien Markt und die Befreiung von allen gesetzlichen und insbesondere bürokratischen Fesseln.

Man spricht so gerne davon, daß sich ein Land wie Deutschland die freie Marktwirtschaft nicht leisten könne, solange es Agrarprodukte einführen müsse. Bei einem Importland, wie es das heutige Deutschland darstellt, ist es aber durch die Regulierung der Einfuhr möglich, die Höhe der Einfuhr dem inländischen Bedarf anzupassen. Diese Regulierung des deutschen Bedarfes kann über eine zentrale Einfuhrstelle erfolgen.

Der Übergang zur freien Marktwirtschaft kann soziale Spannungen auslösen. Diese können solange anhalten, bis sich bei einem gesättigten Marktangebot die Preise von selbst regulieren. Wenn durch den freien Markt der Schwarzmarkt beseitigt ist, werden dem Staat Steuerquellen erschlossen, die ihm wesentliche Mehreinnahmen bringen. Mit Hilfe dieser Mehreinnahmen müßte es möglich sein, über Verbilligungsscheine für Brot, Fleisch, Fett und Zucker auch den sozial Schwachen einen angemessenen Lebensstandard zu gewährleisten.

Eine der ersten Aufgaben des deutschen Bundesstaates wird es sein müssen, die außenpolitische Freiheit Deutschlands wiederzugewinnen, um über Handelsverträge die deutsche Wirtschaft wieder in Gang zu setzen.

Die Freie Demokratische Partei wird bei ihrem Kampf um die Freiheit des Einzelmenschen ständig auch darum kämpfen, daß dem deutschen Menschen die Freiheit und Freizügigkeit seines Handelns wieder zurückgegangen werden. Dabei ist sich die Freie Demokratische Partei bewußt, daß die Freizügigkeit auf dem Gebiete der Wirtschaft heute unter anderen Gesichtspunkten zu beurteilen und zu handhaben ist als vor 100 und mehr Jahren.

Damals verstand mancher unter wirtschaftlicher Freiheit das Streben nach Gewinn und persönlicher Bereicherung auf Kosten des wirtschaftlich Schwächeren. Heute verstehen wir unter wirtschaftlicher Liberalität die größtmögliche Freizügigkeit in der persönlichen Arbeitsmöglichkeit und in der einzelnen Leistung. Es hat aber derjenige, der die Produktionsmittel und Produktionsanlagen besitzt und damit der wirtschaftlich Stärkere ist, entsprechende soziale Verpflichtungen der Allgemeinheit gegenüber. Dies ist für uns als Demokraten eine Selbstverständlichkeit, ja ein Gesetz der christlichen Gesinnung und staatspolitischen Gebundenheit.

Wir Bauern fordern im Interesse der notwendigen Erzeugungssteigerung wieder größere Freizügigkeit und Eigenverantwortung auf unseren Höfen, fühlen uns aber gleichzeitig unseren in der Hausgemeinschaft lebenden Mitarbeitern sozial verpflichtet. Bei dieser Auffassung lehnen wir eine Sozialisierung der Landwirtschaft ab. Wenn sich die sozialisierte Wirtschaft hinter die Anonymität (1) des Staates verkriecht, dann bedeutet dies nach zahlreichen Beispielen der neueren Geschichte immer einen Rückgang der wirtschaftlichen Leistungskraft.

wer mit mir der Meinung ist, daß ein deutscher Bundesstaat sich seine staatsrechtliche Stellung in Europa und in der Welt zurückgewinnen kann, der trage dazu bei, aus Deutschland einen Bundesstaat zu machen, der nicht von den Launen kleiner partikularistischer Länderparlamente (2) und Länderregierungen abhängig ist. Er wird den Gedanken an Deutschland über alle Standesinteressen und Gegensätze stellen in dem Bekenntnis: "Unser aller Acker ist Deutschland!"

(1) Anonymität, ohne Namensnennung; hier: ohne Eigenverantwortung einer Person
(2) partikularistische Länderparlamente, hier: Landtage, welche die eigenen Interessen gegenüber der zukünftigen Bundesrepublik durchsetzen wollen.

 

 

Der Weg eines Bauern ins Parlament

Von Senator Konrad Frühwald

Die Voraussetzung für den Weg ins Parlament ist die angeborene Veranlagung für politisches Denken. Schon der Jugendliche kann diese Veranlagung in seiner Umgebung zeigen. Wenn er als Heranwachsender in einer Gemeinschaft durch sein Können hervorragt, wird er bald Aufgaben in seiner Berufsorganisation oder in einem Gemeinwesen übernehmen, wo er dann durch Leistung die Hochachtung seiner Mitmenschen erwirbt. Zeigt er Charakter, wird er das Vertrauen seiner Mitbürger gewinnen.

Nur der Bauer, der seinen Hof mit Erfolg bewirtschaftet, wird auch fähig sein, ein Mandat in einem Parlament zu übernehmen. Scheitern wird, wer glaubt, er könne mit einem Sitz im Landtag oder Bundestag seinen Betrieb sanieren.

Wer seine Mitarbeit der Öffentlichkeit oder dem Parlament widmet, hat bei aller Freiheit zu beachten, daß der moderne demokratische Staat Einordnung unter Unterordnung für alle bis hin zum Bundeskanzler verlangt.

 

 

Die Trumpfkarte "Konrad" der Bayernpartei

1920 wurde mein ältester Bruder geboren. Da nach fränkischer Sitte der Erstgeborene den Bauernhof übernehmen soll, war es naheliegend, daß mein Vater dem vorgesehenen Hoferben auch seinen Vornamen "Konrad" gab. ER konnte damals nicht ahnen, daß 30 Jahre später dieser Vorname bei Parlamentswahlen eine Rolle spielen würde, und daß es einmal eine sogenannte Bayernpartei geben werde, die den Namen "Konrad" als Trumpfkarte ausspielen sollte.

Mein Vater war den Wählern in Mittelfranken als "Konrad" Frühwald gut bekannt. Er war dort vor 1933 in den bayerischen Landtag und zum Präsidenten des Bayerischen Landbundes und nach dem Zweiten Weltkrieg in den ersten Deutschen Bundestag gewählt worden.

1949 war in Mittelfranken auf Wahlplakaten der F.D.P. der Aufdruck "Bauern wählen Konrad Frühwald" zu lesen. Ein Jahr später wunderte sich mein Vater, den gleichen Aufruf mit seinem Namen "Konrad Frühwald" auf den Wahlplakaten der Bayernpartei wiederzufinden.

Er hatte während seiner Tätigkeit als Abgeordneter im Bundestag wenig Kontakt mit seinem ältesten Sohn Hoferben "Konrad". So war es ihm entgangen, daß sein Ältester von der Bayernpartei als mittelfränkischer Kandidat für die bayerische Landtagswahl aufgestellt worden war.

Nach der Landtagswahl erhielt mein Vater, der Bundestagsabgeordnete Konrad Frühwald senior, zahlreiche Glückwünsche zu "seiner" Wahl in den Bayerischen Landtag als Vertreter der Bayernpartei. Damit hatte die Bayernpartei ihre Trumpfkarte "Konrad" mit Erfolg ausgespielt.

Mein Bruder, Konrad Frühwald junior, konnte später als erfolgreicher Parteipolitiker in München und Landrat in Neustadt/Aisch beweisen, daß er von seinem Vater nicht nur den Vornamen "Konrad", sondern auch dessen Fähigkeiten geehrt hatte.

 

 

Ein Parlamentarier schätzte die Ruhe während einer Bahnfahrt

"In meinem Zugabteil habe ich meist meine Ruhe und kann auch einmal schlafen", war die Antwort meines Vaters, als ich ihn einmal fragte, warum er als Parlamentarier lieber mit der Bahn als mit dem Auto fahre.

"Tagsüber muß ein Parlamentarier bei Plenarsitzungen und in Ausschüssen aktiv sein; und abends soll er in der Lage sein, in Parteiversammlungen seine politische Meinung überzeugend zu vertreten. Er findet auch zu Hause keine Ruhe, wenn seine private Telefonnummer im öffentlichen Telefonbuch steht. Ruhe hat ein Parlamentarier nur, wenn er sich allein auf Gottes weiter Flur aufhält, oder wenn er im Zug allein in einem Abteil sitzt".

"Bei weiten Strecken, wie von München nach Bonn", fuhr mein Vater fort, "benütze ich grundsätzlich nicht das Auto, sondern immer die Bahn. Oft bin ich in einem Zugabteil der einzige Fahrgast. Zuerst lese ich meine Protokolle durch. Dann stelle ich meine Schuhe unter den Sitz und bitte zuweilen den Schaffner, mich kurz vor meinen Zielbahnhof zu wecken.

Wie tief ich im Zug schlafen kann, merkte ich einmal, als ich kurz vor Bonn aufwachte und meine Schuhe nicht mehr fand".

Mein Vater blieb dennoch ein treuer Kunde der Deutschen Bundesbahn. Eher wäre er nochmals in Bonn ohne Schuhe angekommen, als daß er auf die Ruhe in seinem Zugabteil verzichtet hätte.

Aus einem Vortrag des Zweiten Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes Konrad Frühwald zum Landjugendtag in Schwabach 1949

 

 

Einige Lebensweisheiten des Bauernphilosophen

"Ich habe in Wort und Schritt wiederholt auf die Aufgabe eines Bauern hingewiesen, er habe seinen Hof in verbesserter Form der nächsten Generation weiterzuvererben. Dazu reichen körperliche Kräfte allein nicht aus. Ein Hof sollte dem Begabtesten übergeben werden. Ein Hoferbe, der mehr körperliche als geistige Gaben besitzt, wird vielleicht den Hof erhalten, aber nicht verbessern können. Wir wissen aus Erfahrung, daß ein Bauer seinen ganzen Hof verlieren kann, wenn er ihn ohne Verstand bewirtschaftet, obwohl er sein Leben lang schafft und sich abrackert. Wir können diesen Bauern mit einem Menschen vergleichen, der alles in einer Schürze zusammenträgt. An einen festen Traggurt denkt er aber nicht. Plötzlich hat er seine leere Schürze in der Hand, weil der Gurt gerissen ist".

"Es gibt auch Menschen, die hochbegabt sind, aber nicht die Energie besitzen, ihre Begabung im Leben zweckmäßig einzusetzen. Ein solches Talent könnte ein Genie sein und scheitert doch im Leben. Ein Mensch mit guten Erbanlagen kann im Leben nur dann erfolgreich sein, wenn er seine Begabung mit Fleiß und Energie verbindet".

"Bei der Wahl eines Bürgermeisters gibt es Interessengruppen, die den als Kandidaten empfehlen, der nach ihrer Meinung ihren Zielen am wenigsten seinen eigenen Willen entgegensetzt. Ich dagegen erwarte von einer führenden Persönlichkeit Wissen, Können, einen eigenen Willen und vor allem Charakter".

"Ein guter Schullehrer kann dazu beitragen, daß sich eine ganze Generation seines Wirkungskreises emporarbeitet. Deshalb trägt gerade der Lehrer eine große sittliche Verantwortung".

"Nur wenn wir nach dem Guten streben, hat unser Leben einen Sinn. Doch, was ist gut und böse? Die Antwort geben die Zehn Gebote. Wir Älteren sollten der Jugend die zehn Gebote nicht vorlesen, sondern vorleben".

"Die Fehler der Mitmenschen sind nicht dazu da, um damit die eigenen zu entschuldigen, sondern um daraus zu lernen. Wir sollten über schlechte und unglückliche Eigenschaften der anderen nicht lästern, sondern versuchen, unsere eigenen Unzulänglichkeiten abzulegen. Dazu fordert uns auch die Bibel in einem bildhaften Vergleich auf: Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge und wirst nicht gewahr des Balkens in deinem Auge?"

"Mancher von uns ist von seiner Ehe enttäuscht, in der seine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Viele von uns wollen in der Gemeinschaft mehr nehmen als geben. Ein Partner, der nur an sich selber denkt, muß in der Ehe scheitern. Ein solcher Mensch wird auch kein brauchbares Glied in unserer Gesellschaft sein".

 

 

Sätze aus Gesprächen mit Bundespräsidenten Theodor Heuss

Professor Theodor Heuss (1884 - 1963) war von 1946 bis 1949 der Bundesvorsitzende der Freien Demokratischen Partei und von 1949 bis 1959 der erste Bundespräsident. Aus seinen Gesprächen mit meinem Vater und mit meinem Bruder möcht ich nur zwei bemerkenswerte Sätze weitergeben.

Theodor Heuss zu Konrad Frühwald senior:
"Das schlimmste im Amt eines Bundespräsidenten ist die ständige Gegenwart eines Kammerdieners. Dieser achtet darauf, daß sein Herr nur noch Präsident und keine Mensch mehr sein darf".

Theodor Heuss zu Konrad Frühwald junior:
"Das merk dir, junger Freund: wenn alle zustimmen, dann wird es Zeit, daß man sein Vorhaben nochmals überdenkt!"

 

 

- Brief des Landesbischofs vom 01.06.1950

einfügen -

 

- Bild "ehemaliger Landesbischof"

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- Bild aus der Fränkischen Landeszeitung

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Aus der fränkischen Landeszeitung vom 29. September 1950

"Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen"

Besinnliche Worte des Bauern Konrad Frühwald zum Erntedankfest 1950

"Im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen" und "Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen". Mit diesen Worten strafte Gott die Menschheit nach dem Sündenfall bei der Vertreibung aus dem Paradies. Es muß uns wundern, daß sich trotzdem immer wieder Menschen bereit finden, diesen Fluch der Menschheit mit Gottes Hilfe zu einem Segen zu gestalten. Unser Bauernvolk in Deutschland und in allen anderen Ländern der Erde bemüht sich täglich, "im Schweiße seines Angesichts" aus der Mutter Erde die "Dornen und Disteln" zu vertreiben, um die Möglichkeit zu schaffen, daß die Grundlage unserer Ernährung. "Unser täglich Brot", jedes Jahr neu gesichert ist.

Wenn ein Bauer seine Lebensaufgabe unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, wird er erkennen, daß sein Kampf mit den Dornen und Disteln die Grundlage, ja die Voraussetzung seiner täglichen Berufstätigkeit ist. Wenn er trotzdem Ende des Jahres feststellen kann, daß seine Bemühungen zum Segen geworden sind, wird ihn diese Erkenntnis auch dazu bewegen, dafür seinem Schöpfer zu danken.

Für diesen besonderen Dank hat die Kirche das Erntedankfest geschaffen. Es soll immer wieder alle Menschen an die Dankespflicht für die Sicherung unseres täglichen Brotes erinnern. Wenn auch manche Menschen und auch ganze Gruppen von Menschen glauben, an dieser Dankespflicht achtlos vorübergehen zu können, wird sich unser Bauernvolk dieser Verpflichtung nicht entziehen können und wollen.

Durch seinen täglichen Kampf um die Erzeugung unseres Brotes ist der Bauer der engste Mitarbeiter des großen Weltenschöpfers geworden. Im täglichen Erleben wird es ihm immer wieder bewußt, daß alles menschliche Wissen, Können und Planen bei der Schaffung des Brotes zwecklos ist, wenn nicht der Schöpfer selbst in seiner Güte seinen Segen dazugibt.

Man muß sich wundern, daß die Last des strafenden Gotteswortes "Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen" nicht schon längst den Bauern dazu bewogen hat, seinen Acker zu verlassen. Der Bauer wird die Last weiter tragen, weil er auch täglich immer wieder erkennen kann, daß Gott nach der Sintflut die Erde mit der Verheißung gesegnet hat: "Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht".

 

 

Präsident Frühwald zum Erntedankfest in Buch 1954

Nach einem Bericht von Diplom-Landwirt Ermann aus Nürnberg

Der Redner wurde von den zahlreichen Besuchern mit Beifall begrüßt. In der ihm eigenen philosophischen Art setzte der Redner sich mit der betrieblichen und geistigen Situation des heutigen Bauerntums auseinander. Er sprach von einer Revolution in der Landwirtschaft und des Bauerntums, ausgelöst durch die fortschreitende Rationalisierung und Technisierung. Der Bauer sei mehr oder weniger in die Rolle eines Lebensmittelproduzenten gedrängt worden. Er laufe Gefahr, daß er von der Entwicklung und dem Tempo der Zeit überrollt werde, wenn er sich nicht rechtzeitig vom Bauern zum Kaufmann oder Fabrikanten wandle.

Obwohl die Technisierung das Gesicht des Betriebes und des Hofes weitgehend gewandelt habe und obwohl die Maschine im Bauernhof Arbeit einspare und Arbeit erleichtere, habe der Bauer für sich und seine Familie nicht mehr, sondern weniger Zeit als bisher. Vor allem habe die Technisierung der schwer arbeitenden Bauersfrau wenig oder keine Erleichterung gebracht; die auf ihr liegende Arbeitslast verbrauche ihre Kräfte vorzeitig. Diese Arbeitslast sei es auch, die die junge Generation veranlasse, sich leichteren und schnelleren Verdienst außerhalb des bäuerlichen Berufsstandes zu suchen.

In eindringlichen Worten brachte der Redner eine Gegenüberstellung der Agrartechnik einerseits und des agrarsozialen Gedankens andererseits. Der Bauernhof werde zur Zeit in seinem äußeren und inneren Betriebsablauf umgestaltet und revolutioniert, damit werde eine Entwicklung in Gang gebracht, die das wirtschaftliche Denken des Bauern zu kaufmännischen oder gar fabrikmäßigen Prinzipien hinlenke. Daß mit dieser Entwicklung automatisch ein schärferes Rechnen, oder wenn man so will, der Begriff der Kalkulation in das Betriebsgefüge Eingang finde, sei eine zwangsläufige Erscheinung. Damit hätten sich im bäuerlichen Denken die früheren Begriffe von Haus und Hof und von Acker und Scholle grundlegend gewandelt und seien einem rein markt- und absatzmäßigen Denken gewichen. Damit aber sei nur die materielle Seite der revolutionären Entwicklung erfaßt.

Inmitten dieser agrartechnischen Entwicklung stehe nun der bäuerliche Mensch, und es sei die große und zugleich beängstigende Frage, was aus ihm selbst in geistiger und sozialer Hinsicht werde, d. h. es stehe vor uns ein noch größeres agrarsoziales Problem. Kann der Bauer bei einer solch stürmischen Entwicklung bleiben, so wie er als geschichtlicher Begriff gesehen wird?

Kann er inmitten seiner Maschinen, die ihn hetzen, noch jenes alte Bauerntum verkörpern, das von der Scholle, vom Acker geprägt wurde? Es sei nicht zu leugnen, daß der heutige Bauer von dem geistigen Inhalt es Begriffes "Bauerntum" weitgehend gelöst und in die heutige Zeit hineingewachsen sei, und zwar ohne eigene Schuld. Er sei ein anderer Mensch geworden; er habe zu seinem Betrieb eine andere geistige Einstellung gewonnen; ja, seine gesamte Geisteshaltung unterliege der revolutionären Wandlung in gleichem Maße wie die Agrartechnik selbst. Der Präsident forderte daher, daß der Bauer in seiner Seele, in seinem Empfinden, in Wesen und Art Bauer bleibe. Dieser Bauer müsse Herr der Scholle sein, aber Knecht des Ackers bleiben.

Der Festredner widmete seine weiteren Ausführungen dem Problem der Strukturverbesserung bzw. Aufstockung der landwirtschaftlichen Betriebe. Hier handle es sich um ein Problem, dessen Folgen gar nicht abzuschätzen seien. Dabei sei zu berücksichtigen, daß von den fast 2 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben in der Bundesrepublik etwa 1,2 Mill. unter 5 ha und 576 000 Betriebe unter 2 ha lägen. Lediglich 346 000 Betriebe lägen über 10 ha. Aus diesen Zahlen allein ergebe sich schon die weittragende Bedeutung des Aufstockungsproblems. Es könne keinesfalls mit Zwangsmaßnahmen angefaßt und gelöst werden. Wenn schon die Lösung überhaupt denkbar sei, so nur durch eine organische Entwicklung, die sich nicht über Jahre, sonder über Jahrzehnte, vielleicht auch über ein Jahrhundert, erstrecken würde.

Mit außergewöhnlich starkem Beifall dankten die Festbesucher dem Präsidenten für seine Rede, die an die Wurzeln der bäuerlichen Grundfragen rührte.

Aus dem Referat des stellvertret. Präsidenten des Bayer. Bauernverbandes Konrad Frühwald, Mitglied des Bundestages, auf der Herbsttagung 1951 der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Würzburg

 

 

Ursachen unserer Landflucht

Der bäuerliche Mensch hängt von Natur aus an Haus und Hof. Wenn man aber bisher der bäuerlichen Bevölkerung einen angemessenen Lebensstandard vorenthält und der jungen bäuerlichen Generation die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg nicht erleichtert, wird demnächst in den bäuerlichen Familien die Zahl der Abwandernden die Zahl der Geburten übersteigen.

Im Wirtschaftsjahr 1949/50 hatten der Bauer und seine mithelfenden Familienangehörigen neben der freien Kost und Wohnung einen baren Stundenlohn von 13,7 Pfennig. Dabei sind für eine Arbeitskraft pro Tag 7,5 Stunden zugrundegelegt. Tatsächlich ist aber gerade bei den bäuerlichen Familienkräften die tägliche Arbeitszeit erheblich länger. Einer Bauersfrau unserer klein- und mittelbäuerlichen Betriebe in Süddeutschland, der man eine Arbeitszeit von nur 7 Stunden und 30 Minuten je Tag vorrechnen würde, könnte man damit nicht imponieren. Ein mitleidiges Lächeln wäre noch die freundlichste Antwort. Bei den wirklichen Arbeitsstunden sind 8 Pf. der höchste Stundenlohn, der sich errechnen ließe. Aber die 8 Pfennige werden nie ausbezahlt, sondern verschwinden in den Betriebsverbesserungen.

Dies ist die wichtigste Ursache unserer Landflucht. Sie ist materieller Art. Diese Ursache der Landflucht könnte durch Maßnahmen der Regierung und durch die Gesetzgebung beseitigt werden. Es ist auch eine Forderung sozialer Gerechtigkeit, daß die Arbeit der Bauernfamilien und ihrer Mitarbeiter, insbesondere der Landfrauen, ebenso hoch bewertet wird wie jede andere ehrliche Arbeit in unserem Land.

Es ist eine Forderung der wirtschaftlichen Vernunft, daß auch für die Landwirtschaft der Grundsatz der Kostendeckung Anwendung findet und die Preise und Löhne denen der übrigen Wirtschaft entsprechen.

Das geringere Einkommen einer Bauernfamilie führt dazu, daß die Ausnützung der Arbeitskraft im Kindesalter und im hohen Alter in der Landwirtschaft viel größer ist als in allen anderen Berufen.

Die heutige Landjugend hat durch die modernen Mittel der Kommunikation (1) und des Verkehrs einen größeren Gesichtskreis als vor 50 Jahren. Sie kann ihre Arbeit mit der Tätigkeit der Jugendlichen vergleichen, die nicht in der Landwirtschaft arbeiten, und sie sieht den gesicherten Lebensabend der Menschen in anderen Berufen. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn die bäuerliche Jugend aus diesen Gründen immer mehr eine Berufsausbildung in der Landwirtschaft ablehnt. Ein Bericht aus Schleswig-Holstein in der Deutschen Bauernzeitung Nr. 30 vom 26. Juli 1951 bestätigt dies. 59 % der Lehrstellen in der Landwirtschaft sind dort nicht besetzt. Dies führt zu einer Überalterung in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die Lücken, die durch das Weggehen der Jugend entstehen, lassen sich eines Tages nicht mehr schließen. Was dann?

Eine weitere Ursache der Landflucht ist heute die Wohnraumfrage (2). In unserem süddeutschen Raum arbeiteten früher die ledige Magd und der ledige Dienstbote auf den Bauernhöfen. Heute nimmt die Jugend die Arbeit in der Landwirtschaft überhaupt nicht mehr auf, um sich dem ungeschriebenen Gesetz zu entziehen. "Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben". Die Lage am Arbeitsmarkt zwingt deshalb landwirtschaftliche Betriebe, auf den verheirateten Landarbeiter mit Familie zurückzugreifen. Auf dem Bauernhof kann zunächst der Landarbeiterfamilie meist eine halbwegs anständige Wohnung zur Verfügung gestellt werden.

Nach einigen Monaten, oft schon nach Wochen, stellt der neuaufgenommene Landarbeiter seine Tätigkeit in dem bäuerlichen Betrieb ein und sucht sich einen anderen Arbeitsplatz. Aber seine Wohnung im Bauernhof räumt er nicht. Die Folge ist, daß weder ein verheirateter Landarbeiter noch lediges Gesinde als Ersatz eingestellt worden können. Es wäre Aufgabe der Parlamente, ein Gesetz zu schaffen, wonach derjenige, der mit einem Arbeitsverhältnis in einem landwirtschaftlichen Betrieb eine Werkwohnung erhalten hat, dieselbe bei Lösung des Arbeitsvertrages räumen muß. Im Bundesgebiet sind zur Zeit 34,6 % aller landwirtschaftlichen Werkwohnungen mit Berufsfremden belegt (2).

Ein schwerwiegender Grund für die Landflucht ist die hohe Belastung einer Hofübergabe.

Die eigenen Kinder erhalten während ihrer Arbeitsleistung auf dem elterlichen Hof keinen Barlohn und kommen so zu keinen eigenen Ersparnissen. Nun kommt der Tag der Hofübergabe. Die Eltern erhalten ein Altenteil mit Taschengeld. Bei der derzeitigen steuerlichen Belastung und den hohen Zinssätzen eines Bankkredites ist die Auszahlung eines Vermögensteils an die weichenden Erben durch den Bauern oder den Hoferben in der Regel unmöglich. Während mit Hilfe des "Flüchtlings-Siedlungs-Gesetzes" Kindern von Flüchtlingen bei einer Heirat öffentliche Finanzmittel für eine Hofübernahme zur Verfügung gestellt werden, besteht für die Kinder der einheimischen Bauern zur Zeit keine Möglichkeit, bei einer Hofübernahme einen öffentlichen Kredit zu erhalten. Wegen der hohen Belastung verzichten sie auf die Übernahme des eignen oder eines fremden Hofes. Sie sehen als Bauern in der Heimat keine Zukunft mehr.

Über die kulturelle Betreuung des Landvolkes möchte ich nur eines herausgreifen: die Reform unserer bäuerlichen Erziehung.

Zunächst in der Familie. Solange Vater und Mutter ihren Kindern gegenüber in ständigem Jammer und Klagen den Bauernhof als den verabscheuenswürdigsten Beruf hinstellen, brauchen wir uns über die Einstellung unserer Bauernjugend nicht zu wundern.

In der landwirtschaftlichen Berufsfortbildungsschule sollten Lehrkräfte tätig sein, die von Kindheit an mit dem Bauernleben vertraut sind. Ihre Aufgabe ist es, das in der Volksschule Erlernte unter dem Gesichtswinkel des Dorflebens auszubauen und die Schüler für den Besuch der Fachschule vorzubereiten. Das in der Volksschule geweckte Berufsethos (3) ist so zu entwickeln, daß die kommenden Bauerngenerationen, Mann und Frau, von den gegenwärtig noch bestehenden Minderwertigkeitskomplexen frei werden.

Trotzdem bleibt es ein Wunschdenken, zu glauben, man könne die Landjugend durch den Hinweis auf bäuerliche Kultur und Tradition zum Verbleiben auf dem Lande bewegen, solange die Existenz des Bauern nicht gesichert ist und sein Lebensstandard nicht dem der übrigen Gesellschaftsschichten angeglichen wird.

(1) Kommunikation, hier: Verständnismöglichkeit
(2) Man beachte: im Jahre 1951
(3) Berufsethos, hier: die positive Einstellung zum Beruf

 

Aus einem Vortrag des Zweiten Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes, Konrad Frühwald, bei der Kundgebung der ehemaligen Landwirtschaftsschüler in Düsseldorf am 27.01.1952.

 

 

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"Roßbach, ein Dorf im Steigerwald"

nach einem Foto von Karl Polka, Neustadt/Aisch; 1987

 

 

Roßbach war ursprünglich im Besitz der Herren von Abenberg. Ein Heinrich von Abenberg übergab das Dorf an das Benediktiner-Kloster Münchsteinach, dessen Abt er von 1372 bis 1393 war. Von 1933 bis 1486 werden die Seckendorff als Grundherrn von Roßbach genannt. Als im Bauernkrieg von 1524 die Roßbacher Bauern ihrem Grundherrn treu ergeben blieben, wurde ihr Dorf von aufständischen Bauern aus dem Aischgrund überfallen und zerstört (nach Lehnes 1833). Die Reste der Roßbacher Burg wurden 1737 von einem Vorfahren von Konrad Frühwald erworben. In der Mitte des Dorfes befindet sich das große Fachwerkhaus der "Schloßbauer", in dem Konrad Frühwald 1890 geboren.

 

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Die Landjugend und das Kulturgut unseres Volkes

Die deutsche Jugend von heute kann nicht mit der Jugend zur Zeit der Jahrhundertwende verglichen werden. Damals hatte die Jugend feste, überlieferte und traditionsgebundene Werte von Staat, Volk, Kultur und Religion; heute aber steht die Jugend vor einer Umschichtung aller Begriffe; sie sieht, wie alle überlieferten Werte zusammengebrochen sind, so daß Enttäuschung, Resignation (1), ja sogar politischer Nihilismus (2) die Folge sind. Die Jugend steht heute den Dingen des öffentlichen Lebens desinteressiert gegenüber. Unsere Landjugend leidet darüberhinaus oft an dem Gefühl, einem minderen Stand anzugehören. Schon deshalb muß sich unsere Landjugend aus sich selbst heraus in jedem Dorf kulturpolitische Kernpunkte schaffen, die sich deutlich von dem Zivilationsbereich der Stadt unterscheiden. Hierbei ist die Pflege lebensfähigen bäuerlichen Kulturgutes unerläßlich. Wir finden auf dem Land noch genug altes Ideengut, welches wert ist, in der Gegenwart gepflegt und für die Zukunft erhalten zu werden.

(1) Resignation, hier: mutloses Sich-Zurückziehen
(2) Nihilismus, Ablehnung aller Werte und Ordnungen

 

 

Aus einer Rede von Konrad Frühwald am 18.03.1953 vor dem Deutschen Bundestag.

Die einheimischen Bauern und die Heimatvertriebenen

Bei dem Problem "Einheimische Bauern und Heimatvertriebene" muß für beide Teile der Grundsatz gelten: Wenn du den anderen verstehen und begreifen willst, so tust du es am besten dadurch, daß du dich zunächst auf den Standpunkt des anderen stellst. Dies gilt für beide Teile.

Wenn über die Vertriebenen-Frage gesprochen wird, schwingt zu meinem Bedauern im Unterton immer etwas mit, was den Eindruck erweckt, als ob die einheimischen Bauern für die Not der Heimatvertriebenen kein Verständnis und kein Herz hätten. Man sollte dabei die Frage aufwerfen: Wo haben die ärmsten und gehetzten Menschen nach ihrer Flucht zuerst wieder ihre Ruhe gefunden? Die Antwort ist: in den Bauernhäusern der einheimischen Bauern.

In einigen Bauernhäusern war man nicht darauf vorbereitet, mehr als eine Familie aufzunehmen. Daraus ergaben sich zwangsläufig Schwierigkeiten. Wir sollten uns aber daran erinnern, daß in den Nachkriegsjahren Millionen dieser gehetzten Vertriebenen von den deutschen Bauern monate- bis jahrelang unentgeltlich unter Dach und in Verpflegung genommen worden sind. Bedingt durch die Ernährungssituation war es das Streben dieser Menschen, zunächst in einem Bauernhaus die ersten Schwierigkeiten zu überwinden. Erst später wanderten sie aus beruflichen und anderen Gründen in die Städte ab.

Für die Landzuteilung an Heimatvertriebene trete ich für folgende gesetzliche Regelung ein: In erster Linie soll solchen Heimatvertriebenen neues Bauernland zugeteilt werden, die in ihrer alten Heimat einen Hof verloren haben. Geflüchtete bäuerliche Familienangehörige und Landarbeiter sollen den einheimischen bäuerlichen Familienangehörigen und Landarbeitern gleichgestellt werden.

 

 

Im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes

Senator Konrad Frühwald wurde 1951 in das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes gewählt (1). Der Deutsche Bauernverband war im Oktober 1948 als Dachverband der Landesverbände gegründet worden (3). Konrad Frühwald besaß als einziger Vizepräsident eines Landesverbandes Sitz und Stimme im Präsidium der Dachorganisation. "Dies bewies die besondere Anerkennung des Agrarpolitikers im Kreise der bäuerlichen Berufsvertreter" (2).

"In den Sitzungen des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes hat Konrad Frühwald durch sein scharfes logisches Denken und mit seiner reichen parlamentarischen Erfahrung ganz wesentlich zur Gestaltung der Politik des Berufsstandes beigetragen" (3).

1965 würdigten Edmund Rehwinkel, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes und Johannes Hummel, der Generalsekretär des Verbandes, die Verdienste des Senators Frühwald im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes mit den Worten: "Wir danken Ihnen vor allem für Ihre langjährige Mitarbeit in vielen Sitzungen unseres Präsidiums und auch der anderen Organe des Deutschen Bauernverbandes. Sie haben sich um unsere gesamte Landwirtschaft verdient gemacht". (4)

Quellen:
(1) Reichsminister a. D. Dr. Andreas Hermes: Schreiben vom 14. September 1951 an Senator Frühwald
(2) Hans Lücker; ehem. Vizepräsident des Europ. Parlamentes: schriftliche Mitteilung an den Verfasser vom 27.07.1987
(3) Professor Dr. Antonius John: "Bauernköpfe"; Deutscher Agrarverlag, Bonn; 1986
(4) Edmund Rehwinkel und Johannes Hummel: Schreiben vom 04.06.1965 an Senator Frühwald

 

 

In der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft

Senator Frühwald gehörte seit 1948 mit der Wiedererrichtung der Deutschen Landwirtschafts- gesellschaft dem Gesamtausschuß der DLG an. Er fühlte sich besonders den Aufgaben der Landvolk-Abteilung verbunden, in der er als zweiter Vorsitzender mit Wissenschaftlern zusam- menarbeitete.

"Es ist nötig", sagte er, der Politiker und Landwirt, nach einer Besprechung in der DLG," daß Professoren und andere Fachleute dazu bewogen werden, in ihren wirtschaftlichen Ausführungen über die engen Grenzen ihres Fachgebietes zu blicken, um Zusammenhänge mit den Nachbargebieten zu erkennen".

Der Präsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft Lorberg schrieb am 11. Februar 1960 an Senator Konrad Frühwald: "In all diesen Jahren haben wir Ihrer Tatkraft und Ihrem Rat zur Bewältigung unserer Aufgaben viel zu verdanken. Ich hoffe, daß Sie an den Arbeiten der Landvolk-Abteilung noch lange teilnehmen können".

 

 

"Zeitungsanzeige"

Temperamentvolle Demokraten im ruhigen Lohr

 

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Bericht

"Rechts ist die Mitte"

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Aus dem Aufruf an alle mittelfränkische Bauern

Hilfe für die unwettergeschädigten Bauern Mittelfrankens

Ansbach, den 27. Juli 1951

Die diesjährigen Unwetterschäden, insbesondere die Hagelschäden, haben in Mittelfranken ein Ausmaß erreicht, wie wir es seit Jahrzehnten nicht erlebten. In 60 von den 169 mittelfränkischen Gemeinden wurden durch den Hagelschlag die gesamte Getreideernte vernichtet. Die hohen Schäden sind durch die Versicherung nicht gedeckt.

Zur Behebung der ärgsten Notstände führt deshalb der Bayerische Bauernverband in den nicht betroffenen Gebieten Mittelfrankens eine Hilfsaktion durch, die sich auf die Sammlung von Brot- und Futtergetreide erstreckt.

Stets hat sich bisher der Gemeinschaftsgeist unserer mittelfränkischen Bauern in Notzeiten bewährt. Wir rufen Euch heute zur Unterstützung Eurer Berufsgenossen auf. Beweist durch freudiges Geben Eure Hilfsbereitschaft und Eure Dankbarkeit dafür, daß Eure eigene Ernte verschont geblieben ist!

Bayerischer Bauernverband
Kreisverband Mittelfranken
Präsident Frühwald

 

 

Ein Politiker facht die Schmiedefeuer wieder an

"Ein Teil der 100 Schmiedebetriebe unseres Landkreises wird demnächst infolge Kohlenmangels die Arbeit einstellen müssen. Das wäre für unsere Landwirtschaft während der Ernte und der Herbstbestellung schwerwiegend und könnte politische Folgen haben", schrieb Konrad Frühwald am 18.07.1951 an seinen Parteifreund und Bonner Fraktionskollegen Dr. Blank. Dr. Blank war Direktor der Kohlenzechen der Gutehoffnungshütte AG in Oberhausen.

"Da Sie, sehr geehrter Herr Dr. Blank, an de Kohlenquelle sitzen, bitte ich Sie um Ihre Hilfe. Ich wäre Ihnen zu großem Dank verpflichtet, wenn Sie in der Lage wären, von einer Ihrer Zechen zwei Waggons Schmiedekohle für die Schmiede-Innung Neustadt/Aisch freizumachen".

Nach kurzer Zeit brannte das Feuer wieder auf allen Schmiedeherden.

 

 

National und liberal sind keine Gegensätze

Aus einem Brief von Guido Brunner, dem heutigen Botschafter der Bundesrepublik in Madrid, an Konrad Frühwald vom 22.04.1943

Sehr geehrter Herr Frühwald,

mit besonderer Freude haben wir von Ihrer Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden der bayerischen F.D.P. Kenntnis genommen, wissen wir uns doch mit Ihnen einig in dem Bekenntnis zum Nationalen, das nie in Widerspruch zum Liberalismus gestanden hat.

Im Namen der Liberalen Hochschulgruppe "Freiherr von Rechenberg" und deren Vorstandes sowie in meinem eigenen gestatte ich mir, sehr geehrter Herr Frühwald, Ihnen aus diesem Anlaß meine herzlichsten Glückwünsche zukommen zu lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Guido Brunner

 

 

Aus einer Wahlkampfrede des Mitglieds des Deutschen Bundestages Konrad Frühwald

Die weltpolitische Lage von 1953 und die Bundesrepublik

Das Christentum führt zur Zeit einen geistigen Kampf gegen den Kommunismus. Wichtig ist es, im Westen bald zu einer politischen Einigung zu kommen. Diese Einigung muß geistig fundiert sein; nur dann kann sich unsere christlich-abendländische Kultur in Zukunft behaupten. Wir müssen unsere Gesellschaft gegen eine kommunistische Infiltration (1) immunisieren (2).

Der Kommunismus versucht, sich überall in der Welt machtpolitische und weltanschauliche Stützpunkte zu schaffen. Erfolge hat er in Afrika. Asien ist für Europa verloren.

Es ist eine Tragik der europäischen Geschichte, daß der Vertrag von St. Germain das alte Österreich zerschlagen und so der slawischasiatische Welt den Weg nach Mitteleuropa geöffnet hat. Die Torheit von 1918 hat man 1945 wiederholt und Sowjet-Rußland und damit dem Kommunismus gestattet, seinen Vormarsch nach Westen weiter fortzusetzen. Mitteleuropa wurde von den Westmächten preisgegeben. Vom völlig am Boden liegenden Bundesrepublik in die europäisch-westliche Völkerfamilie aufgenommen. Der Westen brauchte unser Land als östliche Bastion (3).

Eine Neutralisierung Deutschlands ist für seine geschichtliche Zukunft deshalb bedenklich, weil bei einer Auseinandersetzung zwischen Ost und West der Sieger auch das neutrale Deutschland als Beute beanspruchen würde.

(1) Infiltration, hier: Durchsetzung
(2) Immunisieren, unempfänglich machen
(3) Bastion, Bastei, der vorspringende Teil einer Festung

 

 

Aussprache mit Bundeskanzler Adenauer über agrarpolitische Fragen

Mein Vater nahm am 19. Juni 1953 an einer Aussprache des Präsidiums des Deutschen Bauernverbandes mit Bundeskanzler Adenauer über agrarpolitische Fragen teil.

Die während der Aussprache vorgetragenen Wünsche und Forderungen der Bauernvertreter an den Bundeskanzler und die wichtigsten Teile eines dabei vorgelegten Aktionsprogramms für Sofortmaßnahmen sollen im folgenden Abschnitt in direkter Rede wiedergegeben werden.

"Die Preisschere zwischen Industrie und Landwirtschaft hat sich am Ende der Legislaturperiode des Deutsche Bundestages wieder weit geöffnet. Die erheblichen Produktionsleistungen, mit denen die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Festigung der deutschen Wirtschaft leistete, mußte sie mit zunehmender Verschuldung bezahlen. Der für die Ernährung unseres Volkes notwendige Zuschuß an Einfuhren ist dank der Leistungssteigerung der Landwirtschaft in den letzten vier Jahren von etwa 50 % auf weniger als 30 % zurückgegeben. Dadurch können heute für drei bis vier Milliarden DM weniger Nahrungsmittel eingeführt werden. Diese Ersparnis kann für die Einfuhr industrieller Rohstoffe verwendet werden und kommt so der gesamten deutschen Volkswirtschaft zugute".

"Über die weitere Entwicklung der deutschen Landwirtschaft entscheidet jetzt die Bundesregierung. Die Verantwortung liegt allein bei ihr".

"Die sozial gerechte Bewertung der bäuerlichen Arbeit ist den Verhältnissen der übrigen deutschen Wirtschaft anzugleichen".

"Der Bauernverband fordert, daß sich die Bundesregierung von einem Außenhandel entwendet, der das Gesamtinteresse der deutschen Wirtschaft stört. Als größte Abnehmergruppe für die einheimische Industrie ist die deutsche Landwirtschaft ein unentbehrliches Glied einer ausgeglichenen Gesamtwirtschaft. Sie darf daher einer Politik des Exportes nicht um jeden Preis geopfert werden".

"Aus steuerpolitischem Gebiet sind erhöhte Abschreibungspauschalen für nicht buchführende und für buchführende landwirtschaftliche Betriebe notwendig. Im Presseamt der Bundesregierung soll ein Agrarreferat eingerichtet werden, das das deutsche Volk ausreichend über die Fragen der Landwirtschaft aufklärt und so dazu beiträgt, daß unsere Bevölkerung von der Notwendigkeit überzeugt wird, daß die deutsche Landwirtschaft erhalten bleiben soll".

In der abschließenden Aussprache brachte der Bundeskanzler zum Ausdruck, mit ihm sei die Bundesregierung der Auffassung, daß die Landwirtschaft nicht in gleicher Weise an der Aufwärtsentwicklung wie die übrigen Zweige der deutschen Wirtschaft teilgenommen habe. Dies sei auch der deutschen Wirtschaft teilgenommen habe. Dies sei auch politisch ein bedenklicher Zustand. Er müsse überwunden werden. Er erachte es als Bundeskanzler für möglich, daß eine Reihe der geforderten Sofortmaßnahmen unverzüglich verwirklicht werde.

Quellen:
Mündliche Mitteilungen von Konrad Frühwald an den Verfasser
Landwirtschaftliches Wochenblatt, München; 04. Juli 1953

 

 

Die Agrarpolitik der Bundesregierung und der F.D.P. 1953

von Konrad Frühwald, Mitglied des Bundestages und Vorsitzender des Agrarpol. Ausschusses der F.D.P.

Die F.D.P. war für die Agrarpolitik der vergangenen vier Jahre nicht allein verantwortlich. Es war eine Politik der gegebenen Möglichkeiten angesichts der Tatsache, daß die drei entscheidenden Ministerien - nämlich für Wirtschaft, für Landwirtschaft und Ernährung und für Finanzen - von der CDU/CSU besetzt waren.

Bringt man die Agrarpolitik von 1953 auf einen Nenner, so ergibt sich, daß sie ein Bastardprodukt von Erhard'scher freier Marktwirtschaft und Niklas'scher Marktordnung war. Das Ergebnis könnte gut sein, wären die verschiedenen Voraussetzungen für Industrie und Landwirtschaft richtig gegeneinander abgewogen worden. Man muß von der Tatsache ausgehen, daß für die Landwirtschaft andere Gesetze als für die Industrie gelten. Der industrielle Arbeits- und Wirtschaftsprozeß wird fast ausschließlich durch Marktlage und Technik bestimmt. Klimatische Verhältnisse spielen dabei kaum eine Rolle. Ganz anders in der Landwirtschaft: ihre Erzeugungsgrundlage wird von Klima, Boden und Wetter bestimmt. Sie ist abhängig vom jahreszeitlichen Ablauf der Natur. Für die deutsche Landwirtschaft ergibt sich darüber hinaus, daß sie in den natürlichen Bedingungen gegenüber den überseeischen Anbaugebieten benachteiligt ist.

Soll nun die Landwirtschaft die Grundlage der Ernährung unseres Volkes liefern, so müssen die genannten Unterschiede berücksichtigt werden. Mit kurzen Worten wiederholt: Für die Landwirtschaft gelten andere Gesetzmäßigkeiten. Aus dieser Erkenntnis entstanden die Marktordnungsgesetze für Getreide, für Vieh und Fleisch und für Milch und Fett.

Eine sinnvolle Agrarpolitik erfordert ein sinnvolles Zusammenarbeiten zwischen den drei erwähnten Ministerien. Leider hat sich zwischen dem Wirtschaftsminister und dem Ernährungsminister manch aufreibender Ressortstreit abgespielt. Kam es schließlich zu einer Einigung, so verweigerte der Finanzminister als Dritter im Bund oft den finanzwirtschaftlichen Segen.

Wie gestaltete sich nun die praktische Versorgungspolitik? Die Anwendung der Marktordnungsgesetze ist beim Brotgetreide verhältnismäßig leicht. Wir haben zur Zeit einen Zuschußbedarf von rund 40 v. H. des Gesamtbedarfes, der über die Einfuhr- und Vorratsstelle marktmäßig reguliert werden kann.

Schwieriger liegt das Problem bei Vieh und Fleisch. Hier werden 97 v. H. des Bedarfes vom Inland gedeckt. Das Entscheidende einer erfolgreichen Agrarpolitik bleibt die richtige Bedienung der Grenzschleuse. Die Ordnung des Marktes im Innern darf nur eine gewisse Ergänzung sein, um die kurzfristigen Kurven der Unruhe zu verhindern. Die Landwirtschaft braucht eine stetige natürliche Preisentwicklung.

Neben der Ernährungssicherung unseres Volkes soll es das Ziel der Agrarpolitik sein, den Bauern, ihren Mitarbeitern und Familien eine Existenz mit einem angemessenen Lebensstandard zu sichern.

Aus:
"Bonner Porträts"; Landwirtschaftliches Wochenblatt, München; 04.01.1954

 

 

Ein Agrarpolitiker aus Bayern in Bonn

Am 05. Juni 1953 ist Präsident Frühwald 63 Jahre alt geworden. Er gehört zu jener Generation, der praktisch nichts erspart geblieben ist: Zwei Weltkriege, zwei Inflationen, zweimal Wiederaufbau.

Seine Vorfahren sind seit dem 17. März 1737 auf dem Hof in Roßbach ansässig. Sie waren vor fast 300 Jahren als evangelische Exulanten aus dem Salzburger Gebiet ausgewandert. Drei Generationen hat es damals gedauert, bis die alten Frühwalds die Reste des Rittergutes in Roßbach/Mittelfranken erwerben konnten.

Wir Heutigen sind voll Ungeduld und Unrast. Da wir nicht mehr zu warten verstehen, sollten wir uns daran erinnern, daß unsere Vorfahren mit Geduld und zäher Arbeit auch ihre Ziele erreichten.

Charakteristisch für den Bauern Frühwald ist, daß er als Heimkehrer aus dem Ersten Weltkrieg sich nicht nur um seine Landwirtschaft kümmerte; er arbeitete von Anfang an in der Ständeorganisation des Bayerischen Landbundes mit. Man wählte ihn bald in die Kreisbauernkammer Mittelfranken, deren Präsident er von 1930 bis 1933 war. Daneben gehörte er von 1928 - 1933 der Landtagsfraktion der ehemaligen Deutschnationalen Volkspartei an.

1933 war jedoch der Tätigkeit der Demokraten im politischen und öffentlichen Leben Deutschlands ein Ende gesetzt. Immerhin sind die zwölf Jahre Unterbrechung von 1933 - 1945 bei vielen, die damals schwiegen oder schweigen mußten, durchaus als "schöpferische Pause" anzusehen; denn nur so ist es zu verstehen, daß diese Generation nach dem Zweiten Weltkriege die Leistungen vollbringen konnte, welche die Bundesrepublik wieder zu einem geachteten Mitglied der Völkerfamilie machten.

So wirkte Konrad Frühwald 1945 bei der Gründung des Bayerischen Bauernverbandes mit, wurde in den Bayerischen Senat berufen und in den Bundestag gewählt. Bei ihm gibt es keinen Zwiespalt zwischen dem Zweiten Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes und dem F.D.P.-Abgeordneten. In den Ausschüssen für Haushalt und Ernährung, denen Präsident Frühwald im Bundestag angehörte, wird ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit sachliche Arbeit geleistet.

Der Bundestags-Abgeordnete Frühwald nimmt einen maßgeblichen Einfluß auf die Agrarpolitik der Freien Demokraten. Er ist Vorsitzender des agrarpolitischen Ausschusses der Bundespartei der F.D.P. und Mitglied des Bundesvorstandes der F.D.P. Hier kommen wir zur grundsätzlichen Auffassung dieses bayerischen Politikers und Landwirts: Die deutsche Landwirtschaft kann bei einem Anteil von 15 Prozent an der Gesamtbevölkerung nur mit Hilfe auch der kleinen Parteien ihre politischen Interessen im Parlament wahrnehmen.

Senator Frühwald ist der Beweis dafür, daß das bayerische Bauerntum immer wieder Persönlichkeiten hervorbringt, die da, wo sie gebraucht werden, ihre Pflicht tun und dafür sorgen, daß die Güter unserer Heimat nicht nur erhalten bleiben, sondern noch gemehrt werden.

 

 

- Urkunde einfügen -

Schreiben vom Bayer. Staatsministerium vom 06.05.1987 einfügen

 

- Glückwünsche zum 65. Geburtstag einfügen -

- Zeitungsartikel "Abgeordneter" einfügen -

 

 

Ein selbständiges Bayern in einer starken Bundesrepublik

Von Senator Frühwald; 1955

Der Tod des bayerischen Kronprinzen bedeutet für viele, die noch vor 1918 politisch zu denken begonnen hatten, den Einsturz der letzten Säule, auf der die bayerische Eigenstaatlichkeit im Rahmen des deutschen Staatenbundes beruhte. Ich bin weit davon entfernt, etwa heute noch zu glauben, daß der Bestand eines bayerischen Staates außerhalb der deutschen Bundesländer möglich wäre. Vielmehr frage ich mich, ob ihm Rahmen der Deutschen Bundesrepublik wir Bayern und insbesondere unsere bayerischen Politiker nicht selbst viel dazu beitragen, das Eigenleben der Länder zu untergraben. Wenn man grundsätzlich den Artikel 73 des Grundgesetzes, der die ausschließliche Gesetzgebung für den Bund festlegt, bejaht, so bin ich andererseits der Überzeugung, daß ein reges Kulturleben und ein gewisses Eigenleben der deutschen Länder für die Zukunft garantiert sind, wenn Bund und Länder sich auf die verschiedenen Aufgaben beschränken, die jedem von ihnen das Grundgesetz zugewiesen hat.

Als Mitglied des Bundestages mußte man in den letzten fünf Jahren in Bonn den Eindruck gewinnen, daß seit dieser Zeit das Schwergewicht auch in innenpolitischen Fragen sich mehr und mehr zum Bund verlängert hat. Schuld daran tragen sowohl der Bundestag als auch die Länder selbst.

In erster Linie ist dies eine Folge der Finanzpolitik. Der Bundesfinanzminister mußte angesichts der außenpolitischen Situation, der Ansprüche der Besatzungsmächte, des nationalen Sozialbudgets und der zunehmenden Notwendigkeit, eine eigene Verteidigungsarmee zu schaffen, seine Haushaltsmittel zusammenfassen. Er mußte an den Finanzausgleich mit den Ländern mit aller Vorsicht herangehen, um später nicht in Schwierigkeiten zu geraten.

Keineswegs wollte der Bundesfinanzminister von sich aus Aufgaben übernehmen, die nach dem Grundgesetz eigentlich den Ländern zukommen.

Daß die Eingliederung der vertriebenen Bauern als eine Kriegsfolgelast im wesentlichen vom Bund finanziert werden mußte, war selbstverständlich. Daß aber die heimische Siedlung, die Flurbereinigung und das große Gebiet der Landwirtschaftsförderung gesetzgeberisch und finanziell vom Bund gefördert werden, war bei Schaffung des Grundgesetzes im Jahre 1949 keineswegs vorgesehen. Natürlich ist dies eine Folge des noch nicht vorhandenen bzw. unbefriedigenden Finanzausgleiches zwischen Bund und Ländern.

Aber suchte und sucht nicht auch der Landwirtschaftsminister des Landes Hilfe bei seinem "großen Bruder" im Bund, weil er sich in der eigenen Landesregierung nicht durchsetzen kann? Und welcher von unseren Bundestagsabgeordneten versucht nicht, beim Bund für seinen Wahlkreis irgendwelche Zuschüsse oder Kredite herauszuholen? Es gibt sogar Abgeordnete im Bundestag, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, von Ministerium zu Ministerium zu wandern, um für ihren Wahlkreis derartige Schenkungen zu "organisieren"!

Begraben wir aber damit nicht die Eigenstaatlichkeit der Länder selbst? Denn wer Geld gibt, w i l l und m u ß wissen, wofür er es gibt und wie diese Mittel angewandt werden. Jede Vergabe von Bundesmitteln an die Länder erfordert besondere Gesetze, Verordnungen, Finanzierungsrichtlinien und zusätzliches Personal. Die Kompetenzausweitung des Bundes, zu der solche Zuschüsse führen, engen die Zuständigkeiten de Länderverwaltungen ein.

Wenn die Entwicklung so wie in den letzten fünf Jahren weitergeht, wird die Finanzhoheit der Länder mehr und mehr schwinden; es fragt sich dann nur: können sich die Länder neben einer starken Bundesverwaltung noch ihren heutigen Verwaltungsapparat an Ministerien, Landtagen usw. leisten?

Möge die junge Generation den rechten Weg finden, um die meines Erachtens so notwendige Selbstverständlichkeit der Länder in einer starken Deutschen Bundesrepublik zu erhalten.

 

 

"Daß er den Pflug noch lange nicht zur Seite stellen wird"

von Bundesminister Dr. Thomas Dehler
zu Konrad Frühwalds 65. Geburtstag am 05.06.1955

"Der bayerische F.D.P.-Bundestagsabgeordnete Senator Konrad Frühwald, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes von Mittelfranken und Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes, vollendete heute sein 65. Lebensjahr", schrieb die Zeitschrift "Freie Demokratische Korrespondenz" am 05.06.1955. "In Würdigung seines rastlosen Einsatzes für die F.D.P. hat uns der Bundesvorsitzende der F.D.P., Dr. Thomas Dehler, folgende Worte der Verbundenheit übermittelt":

"In mehrfachem Sinne fühle ich mich mit Konrad Frühwald verbunden - mit dem eigenwilligen Franken, mit dem Mann hohen Rechtsgefühls, mit dem leidenschaftlich bewegten Politiker.

In einem Bauernhaus in Roßbach im Landkreis Neustadt/Aisch stand die Wiege Konrad Frühwalds, der am 05. Juni 1890 geboren wurde. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die um ihres protestantischen Glaubens willen einst aus Österreich emigriert war, verbrachte der junge Frühwald seine Jugendjahre im bäuerliche Lebenskreis. Das erste den jungen Bauern formende Erlebnis war die Zeit der Ableistung seiner Militärdienstpflicht in Metz. Dort lernte der Wißbegierige und stets für alles Aufnahmebereite in jungen Jahren schon die Fragen des deutsch-französischen Verhältnisses und der Grenzlande kennen. Noch heute klingen in Unterhaltungen mit ihm Erinnerungen und Erfahrungen aus jener Zeit an. Der Erste Weltkrieg sah den jungen Soldaten an der Front. Schon 1914 schwer verwundet, nahm Konrad Frühwald nach Genesung an den Schlachten in Flandern teil. 1918 übernahm er den verwaisten elterlichen Hof.

Die Nöte und Sorgen der Kriegs- und Nachkriegszeit brachten ihn sehr bald mit der berufsständischen Arbeit in Berührung. Schon 1919 wurde er Vorsitzender des Bayerischen Landbundes, zu dessen Mitbegründer er gehörte. 1920 hob er mit anderen Berufsfreunden die Kreisbauernkammer Mittelfranken aus der Taufe, deren Präsidentschaft er von 1930 - 1933 innehatte. Seine sehr aktive Tätigkeit in diesem Gremium brachte ihn bald zu der Überzeugung, daß eine nachhaltige Vertretung des Bauernstandes ihren Niederschlag auch im politischen Raum finden müsse. So vertrat er von 1928 - 1933 die Landwirtschaft politisch als Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei im Bayerischen Landtag. Die Ereignisse von 1933 waren ihm Anlaß zum Rückzug aus dem politischen Leben. Die Jahre bis 1945 sehen Konrad Frühwald im angestammten Beruf als Bauer und Schäfer. die ihm eigene Lebensweisheit, Besinnlichkeit und philosophische Ruhe schöpfte er nicht zuletzt aus dieser Zeit der Trennung vom politischen Leben. Seine unbeugsame christliche Haltung hat ihn damals veranlaßt, in der Öffentlichkeit seiner Überzeugung als Mitglied der Bekennenden Kirche Ausdruck zu geben. Dabei scheute er sich nicht, auch in Großstädten auf die Kanzel zu treten und vornehmlich der Jugend, an der noch heute sein ganzes Herz hängt, Zuversicht und Glaubensstärke zu vermitteln.

Als nach dem größten Zusammenbruch der deutschen Geschichte 1945 Männer gesucht waren, die wieder anpackten und den Mut besaßen, aus der Trostlosigkeit der damaligen Situation heraus neues Leben zu gestalten, trat Konrad Frühwald aus seiner selbstgewählten Zurückgezogenheit heraus und übernahm 1945 mit der Leitung des Ernährungsamtes in Neustadt/Aisch nicht nur die Sorge für das tägliche Brot der ihm anvertrauten Bevölkerung, sondern auch erneut die Aufgaben für die bäuerlichen Berufsstand. Ungebrochen in seiner Aktivität und seiner Zielstrebigkeit sehen wir ihn unter den Gründern des Bayerischen Bauernverbandes, dessen Vizepräsident er damals wurde. Getragen vom Vertrauen der bayerischen Landwirtschaft entsandte ihn der Bauernverband in den Bayerischen Senat.

Wie vor 1933 gelangte Konrad Frühwald nach 1945 wieder zur Ansicht, daß die da und dort zutrage tretende Isolierung des Bauernstandes von der übrigen Wirtschaft und dem Volksganzen politisch nicht von Nutzen sein könne. Er suchte und fand die Möglichkeit, seiner fortschrittlichen Lebensauffassung Gestalt zu geben in der F.D.P., die ihn schon 1949 als Kandidaten zum Bundestag aufstellte, dem er bis zum heutigen Tage angehört. Bald wurde er in den Bundesvorstand und zum Vorsitzenden des Agrarpolitischen Ausschusses der F.D.P. berufen. Die agrarpolitischen Aktivität der Partei ist wesentlich von der Führerpersönlichkeit Frühwalds bestimmt. Die feine menschliche Art, die ihn zu Hause zum Mittelpunkt der engeren und weiteren Familie werden ließ, seine warme Herzlichkeit und sein Humor verschafften ihm in den Reihen der Parteifreunde Achtung und Zuneigung. Immer wieder bewundern die Parteifreunde die Ruhe und anscheinend von den Dingen um ihn her unberührte Besinnlichkeit, mit der der Bauernphilosoph sich die erregtesten Diskussionen anhören kann, um zum Schluß mit einem Satz den Kern der Sache zu treffen und herauszuschälen und seine Meinung konsequent mit sicherer Begründung zu vertreten.

Seine Lebensweisheit, seine Gedankenschärfe und seine köstliche Art, in treffsicheren Vergleichen die schwierigsten Probleme auf einen manchmal verblüffend einfachen Nenner zu bringen, sind unnachahmlich. Sie sind ebenso ein Charakteristikum seiner Persönlichkeit wie seine tiefe, aus dem urtümlichen Milieu des Schäfers stammende Neigung zur Hege und Pflege alles Schönes und Förderungswürdigen.

So bleibt uns am Beginn eines hoffentlich noch lange dauernden Lebensabschnitts der Wunsch, daß Konrad Frühwald seiner Arbeit, seiner Familie und seinen Freunden noch recht lange in Rüstigkeit und Frische erhalten bleiben möge. Sein trotz aller Wechselfälle seines Lebens jung gebliebenes Herz ist uns Gewähr dafür, daß der soeben mit der Goldenen Bayerischen Staatsmedaille ausgezeichnete Jubilar den Pflug im eigentlichen und übertragenen Sinne noch lange nicht zur Seite stellen wird".

 

 

Die Mystik

Bundesminister Dehler und Senator Frühwald hatten eines gemeinsam: sie waren zwei ernste und tiefreligiöse Männer. Ich konnte ihnen manchmal zuhören, wenn sie sich über Religion und Kirche unterhielten.

Dr. Thomas Dehler war strenger Katholik und gleichzeitig Freimaurer. Die Lehre der protestantischen Kirche, der Mensch könne nur durch die Gnade Gottes erlöst werden, bewegte ihn. Er bejahte auch den Satz Luthers, daß das Wort vom Evangelium den Menschen zum Glauben führe. "Ich vermisse aber", so Dr. Thomas Dehler wörtlich, "an der lutherischen Lehre die Betonung der Mystik (1). Die Mystik ist es, die mich an meinen katholischen Glauben fesselt".

Soweit ich mich erinnere, verstand Dr. Thomas Dehler unter dem Wort und Begriff "Mystik" die Weihehandlung während der Messe, in der sich nach seiner Überzeugung die menschliche Seele mit Gott verbindet.

(1) Die Mystik stellt die Seele in den Mittelpunkt der Theologie. Die Seele ist nach ihrer Lehre der göttliche Teil des Menschen und kann schon im Diesseits "Gott schauen". Die Mystik ist ein wichtiger Bestandteil der Religionen Asiens. Der Gläubige sucht über seine Seele nach Verdrängung menschlicher Regungen die Verbindung mit Gott. In unserem christlichen Kulturkreis waren es im Mittelalter die Geißelungen und die Askese, die den Menschen für die göttliche Offenbarung bereit machen sollten.

 

 

Bauernland in Bauernhand"

Die Landesvorsitzenden der F.D.P. in Bayern, Dr. Thomas Dehler und der Agrarpolitiker Konrad Frühwald, vertraten in Fragen der Agrarpolitik gegensätzliche Meinungen.

Dr. Thomas Dehler trat dafür ein, auch das landwirtschaftlich genutzte Land dem freien Wettbewerb zu unterwerfen. Nur so könnten die Nahrungsmittel nach den Gesetzen des freien Marktes erzeugt und preiswert angeboten werden.

Der Bauer und Agrarpolitiker Konrad Frühwald setzte sich innerhalb der bundesdeutschen F.D.P. mit seiner Forderung durch, das bewirtschaftliche Land müsse wie bisher in dem Besitz von bäuerlichen Familien bleiben. Am Grundsatz der bayerischen Verfassung "Bauernland in Bauernhand" dürfte nicht gerüttelt werden. Die sogenannten Bauerngerichte hätten darüber zu wachen, daß das Land eines aufgegebenen Bauernhofes wieder in den Besitz eines Bauern käme.

 

 

Viele Jahre hindurch die Agrarpolitik beeinflußt

Aus einem Brief von Dr. Reinhold Maler vom 01.02.1957

Lieber Herr Frühwald!

Mit Bedauern erfuhr ich, daß Sie aus gesundheitlichen Gründen eine erneute Wahl in den Bundesvorstand der F.D.P nicht wieder annehmen wollten. Wenn Sie kandidiert hätten, wären Sie mit einer ebenso großen Mehrheit wie im vorigen Jahr in Würzburg wiedergewählt worden. Ihr Ausscheiden stellt unsere Partei vor eine schwierige Lage. Sie haben viele Jahre hindurch die Agrarpolitik der F.D.P. maßgebend beeinflußt. Wir hoffen, daß Sie uns weiter mit Ihrem bewährten und klugen Rat zur Seite stehen werden.

 

Anmerkung des Verfassers:
Dr. Reinhold Maier war von 1945 bis 1952 Ministerpräsident von Württemberg-Baden und 1952/53 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Von 1957 bis 1960 war er Bundesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei.

 

 

Der liberale Ministerpräsident Maier und der konservative Bauer Frühwald

Bei agrarpolitischen Auseinandersetzungen stimmte der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Dr. Maier, seinem Parteifreund Konrad Frühwald zu, die Landwirtschaft dürfte nicht dem gnadenlosen Gesetz des Verdrängungswettbewerbs ausgesetzt werden. Der Hofbesitz eines Bauern müsse mit Hilfe von gesetzlichen Maßnahmen gesichert werden. Die bisher freien Bauern von Mitteleuropa würden ohne Landbesitz zu Landarbeitern werden und dann ein ländliches Proletariat bilden; sie würden nicht mehr an den überlieferten Werten ihrer Vorväter festhalten, sondern den Parolen des Kommunismus erliegen.

Parteipolitisch waren Dr. Maier und Konrad Frühwald entgegengesetzter Auffassung. Dr. Maier erklärte als Parteivorsitzender 1952 in seiner Rede von Bad Ems, für die Ideen der alten Deutschnationalen sei heute in einer liberalen Partei kein Platz mehr vorhanden. Der ehemalige deutschnationale Abgeordnete Frühwald warnte daraufhin die F.D.P. vergeblich vor einer Hinwendung nach links: "Ohne die Stimmen der ehemaligen deutschnationalen Wähler wäre die bayerische F.D.P. weder im bayerischen Landtag noch im Deutschen Bundestag vertreten. Wenn die F.D.P. keine Synthese findet zwischen konservativ und liberal, begeht sie Selbstmord".

Die folgende Entwicklung der F.D.P. hat bewiesen, daß der konservative Bauer recht behalten sollte. Die heimatlos gewordenen konservativen Wähler der F.D.P. wurden von der CDU/CSU mit offenen Armen aufgenommen.

 

 

Auszug aus dem

"Beitrag zur Frage einer Investitionshilfe für die Landwirtschaft"

von Konrad Frühwal, Mitglied des Deutschen Bundestages; 03.05.1956

Schon bei der Debatte um das Landwirtschaftsgesetz hat sich erwiesen, daß eine Heranführung der bundesdeutschen Landwirtschaft an den technischen Fortschritt ungeheure Mittel erfordert. Die in Jahrhunderten gewachsene und heute überalterte Struktur unserer Höfe und Dörfer bedarf einer anderen Ebene als die mit dem Landwirtschaftsgesetz gewollte Behebung der naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen. Das Landwirtschaftsgesetz will die Einkommensverhältnisse der Landwirtschaft mit Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik, insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik verbessern. Dagegen soll ein Investitionshilfeprogramm mit der Modernisierung des maschinellen Inventars, der Gebäude und der Agrarstruktur den schon längst fälligen Rationalisierungsprozeß herbeiführen.

Die Betriebsstätten der Grundstoffindustrie waren nach dem Zusammenbruch von 1945 zum großen Teil zerstört. Ihre Produktionsanlagen wurden mit Hilfe der gesamten deutschen Wirtschaft neu aufgebaut und nicht dem völligen Verfall verlassen. Vor der gleichen Frage steht heute die Landwirtschaft. Erschwerend kommt für sie jedoch hinzu, daß die Versäumnisse von Jahrzehnten und - was die Flurzersplitterung und die Gebäude betrifft - von Jahrhunderten zu beheben sind. Hier hat sich ein Nachholbedarf angestaut. Er kann niemals von der Landwirtschaft allein, sondern nur in einer nationalen Kraftanstrengung bewältigt werden.

Wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen, daß bis zu 70 % der landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude veraltet sind und nur durch Neubau oder umfangreichen Umbau den Erfordernissen neuzeitlicher Wirtschaftsweise angepaßt werden können. Ein anderes Beispiel ist ebenso einleuchtend. Die Justus-Liebig-Hochschule in Gießen hat in 174 Landbaugebieten Westdeutschlands festgestellt, daß 61 % der untersuchten Milchviehställe über 50 Jahre alt sind und daß 50 % der Schweineställe bereits vor der Jahrhundertwende gebaut wurden. Wir können uns aus diesen Zahlen ein ungefähres Bild von den Aufgaben machen, die uns allein auf diesem Sektor bevorstehen.

Was hilft die Mechanisierung der Landwirtschaft, wenn diese nicht in der Lage ist, die modernen Geräte und Maschinen in entsprechend angelegten Zweckbauten unterzubringen? Was nützen Schlepper und Gummiwagen, wenn der einzelne Bauer wegen der räumlichen Enge des Dorfes und des Hofes nicht in der Lage ist, im Hofraum oder auf der Straße zu wenden? Was nützt ihm weiterhin eine Erntemaschine, wenn er wegen der zu kleinen Ackerstücke schon nach kurzer Zeit über die Grenzfurche auf das Gebiet seines Nachbarn kommt?

Wir werden uns weiter darum kümmern müssen, die notwendige Rationalisierung und Technisierung nicht nur wie bisher auf dem Acker, sondern - zunehmend zur Entlastung der Bäuerin - auf dem Hofe, in der Hauswirtschaft und im Stalle durchzusetzen. Es genügt nicht, eine Melkmaschine anzuschaffen. Gleichzeitig müssen die übernommenen Gebäude um- und ausgebaut werden. Dieser Teil der Investitionshilfe kann große Ausmaße annehmen.

Wir sehen also, daß die gesamte Technisierung der Landwirtschaft von Vorfragen abhängig ist, deren Lösung weitgehend für die Industrie nicht nur aus Liefergründen von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten interessant ist, sondern lebenswichtige Bedeutung hat, weil nur eine modern arbeitende Landwirtschaft in der Lage ist, in späteren Zeiten ohne die Hilfen auszukommen, deren sie heute noch auf Kosten der übrigen Wirtschaft bedarf.

Zuerst wird es notwendig sein, die an sich strukturell gesunden, aber ungenügend zahlungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebe mit Kapital auszustatten, damit sie die notwendigen Modernisierung ihrer Höfe hinsichtlich der Gebäude und des Maschinenparks durchführen können.

Zweitens soll das Strukturwandlungsprogramm mit einer umfassenden Auflockerung unserer Dörfer in Angriff genommen werden, wobei der im Weichbild der Dörfer frei werdende Raum durch nachziehende Kleinindustrie, Handwerk und Gewerbe aufgefüllt werden könnte.

Hinsichtlich der Höhe des Investitionsbedarfs und seiner geldmäßigen Festlegung ist man vorläufig noch auf die Schätzungen angewiesen. Nach Angaben von Wirtschaftsexperten bewegen sich die Kosten zwischen 35 und 45 Mrd. Über den Daumen gepeilt, kann man sagen, daß für Umbau- und Neubauten ungefähr 15 Mrd. für die Mechanisierung 5 Mrd., für die Dorfauflockerung im Zusammenhang ist der Industrieansiedlung 10 Mrd. und für die restlichen Anlagen von Wasser, Strom usw. noch einmal 5 bis 8 Mrd. nötig sein werden.

Diese Zahlen mögen im Moment erschrecken. Daß die Finanzierung der Investitionshilfe aber möglich ist, zeigt ein Vergleich mit dem Wohnungsbauprogramm, das ebenfalls aus einer Zwangslage heraus zu einem nationalen Aktionsprogramm geworden ist. Der Finanzierungsaufwand für das Wohnungsbauprogramm betrug 1955 rund 10 Mrd. DM. Daraus ist zu ersehen, daß ein auf 15 Jahre geplantes landwirtschaftliches Investitionsprogramm - wenn man einmal einen Gesamtbedarf von 40 Mrd. Gesamtkosten unterstellen will - eine Jahresrate von rd. 2,7 Mrd. erfordern würde.

Auch bei der Überlegung, wie die Mittel aufzubringen sind, kann das Beispiel Wohnungsbauprogramm richtungsweisend sein. Die Mittel für das Wohnungsbauprogramm 1954 wurden aufgebracht zu 43,1 % von Kapitalsammelstellen wie Sparkassen, private Hypothekenbanken, öffentlich-rechtliche Kreditanstalten, Lebensversicherungen, Sozialversicherungen und Bausparkassen. 33 % stammten aus den Haushaltsmitteln des Bundes, der Länder und der Gemeinden und aus Lastenausgleichsmitteln. Der Rest, d. h. weniger als ¼ des gesamten Aufwandes, wurde durch echtes Eigenkapital, den Wert der Selbsthilfe, Arbeitgeberdarlehen, Mieterdarlehen und Zuschüsse u. a. m. aufgebracht.

Sofern es gelingt, in der Öffentlichkeit die Anerkennung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Investitionshilfe wie im Falle des Wohnungsbauprogramms durchzusetzen, wird es möglich sein, zu ihrer Finanzierung in einer dem Wohnungsbauprogramm vergleichbaren Größenordnung nicht nur öffentliche Mittel aufzubringen, sondern auch die Wirtschaft zu mobilisieren. Soweit man dabei an öffentliche Anleihen denkt, wird es darauf ankommen, diese durch entsprechende Ausstattung interessant zu machen.

Es darf daran erinnert werden, daß die deutsche Landwirtschaft schon einmal eine grandiose Vorleistung erbracht hat, als sie nach der Inflation von 1924 durch Solidarhaftung mit ihrem gesamten Grundbesitz die Sicherung der Rentenmark übernahm.

Die Mithilfe des Staates ist nicht nur zur Finanzierung der strukturell bedingten Bauvorhaben, sondern vornehmlich auch zur Zwischenfinanzierung und der Zinsverbilligung nötig.

Obwohl die nachhaltige Mithilfe des Staates und der Wirtschaft schon in Anbetracht der genannten Größenordnungen unerläßlich ist, soll der Gedanke der Selbsthilfe in den Vordergrund gestellt werden. Es handelt sich um die Errichtung einer landwirtschaftlichen Investitionssparkasse. Deren Hauptaufgabe dürfte es sein, die Gelder für Technisierung und Inventarbeschaffung, Umbauten und Neuerrichtungen von landwirtschaftlichen Gebäuden, Entwässerungen, Beregnungsanlagen und Betriebsvergrößerungen bereitzustellen.

Die landwirtschaftliche Investitionssparkasse ist also als Selbsthilfe-Kreditinstitut der westdeutschen Landwirtschaft gedacht und müßte nach dem System der Bausparkassen ins Leben gerufen werden. Durch steuerliche Begünstigungen der Sparraten müßte der Sparwille angeregt werden.

Für alle landwirtschaftlichen Betriebe, die aus eigenen Mitteln und auch auf dem Umweg über die Investitionsaufwand nicht decken können, ist ein Finanzierungsplan zu entwickeln, der sich in einen mittelfristigen und einen langfristigen Abschnitt gliedert. Das mittelfristige Programm wird dazu dienen müssen, die kurzfristigen Kredite abzulösen und in lang- und mittelfristige Kredite umzuwandeln. Für das langfristige Kreditprogramm wird ein Zeitraum von 15 Jahren angenommen, um für die auf ungefähr denselben Zeitraum befristete Verwirklichung einer europäischen Agrarunion gerüstet zu sein. Dagegen müßte bei der Flurbereinigung mit einer Dauer von 30 Jahren gerechnet werden.

 

 

Aus dem Landwirtschaftlichen Wochenblatt, München; 06.05.1961

Bauernhöfe ohne Bauern

von Senator Frühwald

Der Rückgang der Beschäftigtenzahl in der Landwirtschaft vollzieht sich in einem immer schnelleren Tempo. Die Bearbeitung einer immer größeren Flächeneinheit durch eine Arbeitskraft bedingt eine immer stärker werdende Mechanisierung des landwirtschaftlichen Arbeitsvorganges.

Hier sollen nicht die wirtschaftlichen, sondern die ethischen (1) Wirkungen dieses Vorganges dargestellt werden. Der Bauer wird immer mehr zum Techniker. Dazu muß er sich auf ein kaufmännisches Denken umstellen. Das entfernt ihn von den bäuerlichen Grundlagen der Vergangenheit. Bäuerliches Denken, bäuerliche Lebensform und bäuerlicher Lebensstil lösen sich damit von selbst auf.

Die gesellschaftliche Wandlung des Dorfes regt die Bauernfamilie - hier insbesondere die heranwachsenden Kinder - dazu an, ihre soziale Entwicklung kritisch zu betrachten und ihr Einkommen mit dem Verdienst in anderen Berufen zu vergleichen. Die Agrarpolitik der EWG führt zu einer ständigen Verringerung der Kleinbetriebe mit einer Aufstockung zu großbäuerlichen Betrieben. Mit jeder Auflösung eines Kleinbetriebes aber scheidet eine weitere Familie aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit aus. Als erste werden die Jugendlichen die kleinen und später auch die großen Bauernhöfe verlassen.

An Hand der Schülerzahl unserer landwirtschaftlichen Berufsschulen läßt sich heute schon ausrechnen, daß in der Landwirtschaft nach einer bestimmten Zeit nur noch wenige Bauern mit entsprechender Ausbildung vorhanden sein werden.

Was dann, wenn in 20 bis 30 Jahren trotz Zusammenlegung nur noch für die Hälfte der Bauernhöfe fachlich ausgebildete Bauern vorhanden sind?

Deutschland wird immer eine gewisse Sicherung seines Nahrungsbedarfes benötigen. Es genügte eines Korea- und eine Suezkrise, daß man über die Gefährdung der Ernährung unseres bevölkerten Staates besorgt sein mußte. Wer dies bis zur letzten Konsequenz durchdenkt, wird erkennen, daß die Nachfolge in unseren bäuerlichen Familienbetrieben gesichert sein muß. Fehlt der Nachwuchs, ist die Erzeugung von Nahrungsmitteln im eigenen Land gefährdet. Dann ist auch die technische Entwicklung in der Landwirtschaft zwecklos.

(1) ethisch, sittlich

 

 

Auszug eines Briefes vom 03. Juni 1965

BAYERISCHER SENAT

P r ä s i d e n t

Sehr geehrter Herr Kollege Frühwald!

Zur Vollendung Ihres 75. Lebensjahres gestatte ich mir, Ihnen namens des Bayerischen Senats und persönlich die herzlichsten Glückwünsche auszusprechen.

Es ist mir ein aufrichtiges Bedürfnis, Ihnen für Ihre intensive und verantwortungsbewußte Mitarbeit herzlich zu danken, die Sie im Senat seit dessen Gründung, also seit 18 Jahren, in Treue geleistet haben. Dabei darf ich insbesondere Ihre Tätigkeit als Schrittführer hervorheben, der Sie sich seit vielen Jahren in loyaler und kollegialer Weise gewidmet und mich damit in der Führung der Präsidialgeschäfte wirkungsvoll unterstützt haben.

Ferner möchte ich nicht versäumen, Ihre vorbildliche Mitarbeit im Rechts- und Verfassungsausschuß zu erwähnen. Wir alle im Senat sind immer wieder beeindruckt von Ihrer Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft, mit denen Sie Ihr reiches Wissen in den Dienst der Sache zu stellen wissen.

Mögen Sie dem Bayerischen Senat Ihren geschätzten Rat und Ihre großen Erfahrungen noch lange zur Verfügung stellen können.

Mit kollegialen Grüßen
bin ich Ihr

(Dr. Singer)

 

 

Aus dem Bayer. Landwirtschaftlichen Wochenblatt vom 05.06.1965

Präsident Frühwald, genannt "Der Bauernphilosoph", wird 75 Jahre alt

Senator Frühwald feierte heute seinen 75. Geburtstag.

Er war von früher Jugend an einer der rührigsten Kämpfer für seinen bäuerlichen Berufsstand.

Wer den Lebensweg des seit 50 Jahren für seinen Berufsstand tätigen Zweiten Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes kennt, versteht, warum ihm die bayerische Landwirtschaft und alle, die ihn kennen, mit Hochachtung und Verehrung begegnen.

Senator Frühwald gehört zu den Großen der bayerischen Landwirtschaft. Als Vertreter seines Berufsstandes und als Politiker hat er sich unschätzbare Verdienste erworben. Er gewann die Anerkennung, Vertrauen und Verehrung bei all denen, die mit ihm zu tun hatten. Seine Arbeit wurde durch zahlreiche öffentliche Ehrungen gewürdigt. Zu seinem 65. Geburtstag erhielt er die ihm vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verliehene Staatsmedaille für seine besonderen Verdienste um die bayerische Landwirtschaft, vor allem auf dem Gebiete der ländlichen bayerischen Berufsorganisation und der Agrargesetzgebung. Er ist Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes.

Bei allem Erfolg, der seiner unermüdlichen Arbeit beschieden war, ist Konrad Frühwald ein bescheidener Mensch geblieben. Der "Bauernphilosoph", wie ihn viele nannten, macht sich nicht viel aus öffentlichen Ehrungen. Stolz aber ist er auf die Achtung, die ihm von jung und alt seit fünf Jahrzehnten entgegengebracht wird. Pflichtgefühl und Verantwortungsbewußtsein bei allem Tun sind die Ursache dafür; menschliche Größe und Wärme kommen darin zum Ausdruck.

 

 

Mitteilungen der DLG; 11.05.1967

Der Nachwuchs an Führungskräften in der Landwirtschaft

von Senator Konrad Frühwald , Neustadt an der Aisch

Als Vertretung der Landwirtschaft für den Staat und für die Öffentlichkeit hatte der Nationalsozialismus die Organisation "Der Reichsnährstand" geschaffen. Mit dem Untergang des Dritten Reiches gehört auch "Der Reichsnährstand" der Vergangenheit an. Die neuen Organisationsformen der Landwirtschaft wurden - mit Ausnahme der Bauernverbände - nach dem Zweiten Weltkrieg wieder so aufgebaut, wie sie vor 1933 bestanden hatten. Der deutsche Raiffeisenverband ist mit seinem Geld- und Warenverkehr die verbesserte Form aus der Zeit vor 1933. Auch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft hat in ihrer Beschränkung auf die technische Förderung der Landwirtschaft - aber in Anpassung an zeitgemäße Bedürfnisse - ihre alte Organisationsform wiederhergestellt.

In allen diesen Organisationen gibt es wie früher eine ehrenamtliche und eine hauptamtliche Besetzung der einzelnen Stellen.

Bei der Umgestaltung und den Neugründungen der landwirtschaftlichen Organisationen wurden 1945 und später in der ehrenamtlichen Führung von bäuerlicher Seite jene Personen eingesetzt, die durch eine Mitarbeit im Reichsnährstand und in de NSDAP nicht belastet waren. Für die Führung der bäuerlichen Organisation durch Bauern wird sich in nächste Zeit ein gewisser Engpaß ergeben. Nach jeder Parlamentswahl zeigt sich, daß die Zahl der Abgeordneten, die aus der landwirtschaftlichen Praxis kommen, immer geringer wird. Dies ist sowohl durch die wirtschaftspolitische als auch durch die allgemeine soziologische Entwicklung auf dem Lande bedingt. Unsere bäuerlichen Familienbetriebe, die von jeder nicht zur Familie gehörenden Arbeitskraft entblößt sind, fordern nicht nur den geistigen Einsatz schon des jungen Bauern, sondern auch seine volle körperliche Leistung. Dies ist der Hauptgrund, warum er immer weniger zu ehrenamtlichen Leistungen bereit ist.

Auf dem Lande sind die schulischen Voraussetzungen heute günstiger als zur Zeit vor 60 bis 70 Jahren. Mit sieben Jahren einer einklassigen Landschule waren vor dem Ersten Weltkrieg die Bildungsmöglichkeiten auf dem Lande in der Regel erschöpft. Heute ist alle Aussicht vorhanden, daß unsere Reform der Volksschule die gleichen Bildungsmöglichkeiten eröffnet werden, wie sie für die Stadt selbstverständlich sind.

Für jeden jungen Menschen, der Bauer oder Bäuerin werden soll oder will, ist nach dem Besuch der landwirtschaftlichen Berufsschule der Besuch einer Fachschule ein Gebot der Stunde. Dem Erben eines Vollbauernbetriebes muß der Besuch wenigstens einer Realschule ermöglicht werden.

Die bäuerliche Jugend kann und muß heute alle gebotenen Möglichkeiten nutzen, sich in Ausbildung und Studium ein Rüstzeug zu schaffen, das sie befähigt, später in Verwaltung, Lehrtätigkeit, Parteien und agrarpolitischen Organisationen eine führende Stelle einzunehmen.

Wo Begabungen vorhanden sind, ist es nicht nur ein Recht, sonder eine Pflicht, sie - auch in der Landwirtschaft - einzusetzen und auszuwerten. Der bäuerliche Vater, der sich einbildet, seine Kinder seien nach ihrer Schulausbildung für den bäuerlichen Beruf zu schade, schaufelt das Grab seines eigenen Hofes und seines Berufsstandes.

Wir sollten einem Bauern, der begabt ist und eine entsprechende Ausbildung besitzt, den Aufstieg in die Führungsstellen gönnen. Denn er ist bereit, dem gesamten Berufsstand zu dienen. Schon der Schule und in den Jugendorganisationen muß diese Bereitschaft beginnen. Mit dem Dank der Allgemeinheit ist dabei selten oder nie zu rechnen!

Durch Können findet man Beachtung, durch Leistung erreicht man die Achtung der anderen, durch Beharrlichkeit der anderen in der Leistung deren Hochachtung. Durch eine hohe ethischen (1) Lebenshaltung gewinnt man das Vertrauen aller.

(1) ethisch, sittlich

 

 

Aus den Schreiben des Landesbischofs der Evang.-Luther. Kirche in Bayern, D. Dietzfelbinger, vom 27.04.1970
und des Regierungspräsidenten von Mittelfranken, Burkhardt, vom 21.04.1970

Ein Politiker diente seiner Kirche

"Viele Jahre hat Konrad Frühwald in de Landessynode mitgewirkt und war dadurch mit anderen, die in der Ev.-Luth. Kirche in Bayern Verantwortung tragen, eng verbunden. Seine Schlußansprachen als Senior (1) in der Landessynode (2) der Ev.-Luth. Kirche in Bayern sind über die Synode hinaus gekannt geworden. In klarer Zusammenfassung hat er dabei mit großer Weisheit die Schlußfolgerungen gezogen und auch Wegweisungen für die Zukunft gegeben".

Konrad Frühwald hat zu den Männern gezählt, die ihre Kraft und ihre Hingabe gleichzeitig in den Dienst der Politik und der Kirche gestellt haben. Dabei war es besonders beeindruckend, daß er auch bei seiner politischen Tätigkeit nie verleugnet hat, ein überzeugter Christ zu sein". "Das Thema "Warum ich als Bauer Christ bin", über das er 1937 bei einer Bekenntnisversammlung in Nürnberg gesprochen hat, war zugleich Thema seines Lebens".

(1) Senior, Vorsitzender
(2) Landessynode, gesetzgebende Versammlung

 

 

Der Leiter der Evangelisch-Lutherischen Volkshochschule Hesselberg schreibt über Senator Frühwald::

Präsident Frühwald hat mit väterlicher Treue und tiefer Herzlichkeit durch Wort und Tat mitgeholfen, daß die Arbeit der Volkshochschule Hesselberg im bayerischen Bauernstand und im fränkischen Land einen festen Platz einnehmen konnte. Er hat bei großen Veranstaltungen, die die große Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen hat, ein gutes Wort für die Volkshochschule gesprochen. Präsident Frühwald hat eine ganze Bauerngeneration beispielhaft vertreten und ihr Wege für die Zukunft gezeigt. Wir haben mit Interesse zugehört, wenn Konrad Frühwald von der geistigen Situation unserer Gesellschaft sprach. Er sah Entwicklungen mit Seherblick voraus".

Quellenangabe:
Briefe vom 04.06.1965 und 29.04.1970 von Pfarrer Wiegel, Leiter der Volkshochschule Hesselberg.

 

 

Aus den Briefen des Regierungspräsidenten Burkhardt vom 04. Februar 1970 und 21. April 1970

Die Zusammenarbeit des Regierungspräsidenten und des Präsidenten des Bauernverbandes in Mittelfranken

"Über viele Jahre hinweg habe ich mit Senator Konrad Frühwald auf verschiedenen Gebieten zusammengearbeitet. Es hat uns ein besonderes Vertrauensverhältnis verbunden. Von seiner Person strahlte Überzeugungskraft aus. Ich habe aus seiner großen Lebenserfahrung gelernt. Aus tiefer menschliche Weisheit und echter Gläubigkeit war er stets ein aufrichtiger Freund und Berater. Er war nie engstirnig, sondern wußte sehr wohl um den Zusammenhang und die Zusammenarbeit eines Gemeinwesens".

 

 

Verdirbt Politik den Charakter?

In der Bevölkerung hört man oft das geflügelt Wort: Politik verdirbt den Charakter.

Daß ein Politiker Charakter haben kann, werde ich an einigen Bespielen beschreiben, die ich während der politische Tätigkeit meines Vaters miterlebte.

An Sonntagen war in meinem Vaterhaus das große Wohnzimmer voll von Ratsuchenden und Bittstellern. Der Raum glich dann einem Wartezimmer eines bekannten Arztes.

Die Besucher betraten meist mit besorgter Miene das Sprechzimmer meines Vaters. Von dort war der Ton der Gespräche gedämpft zu hören. Die Ratsuchenden verließen meist zufrieden das Haus.

Im Sprechzimmer meines Vaters fand ich nachher nie einen Hinweis auf ein etwaiges Geschenk eines Besuchers. Mein Vater sagte mir, es genüge ihm allein der Gedanke, daß er zum Beispiel einen Bauern bei der Hofübergabe beraten konnte.

Nur einmal hörte ich aus dem Sprechzimmer die Stimme meines Vaters laut und erregt. Ein Winzer aus Unterfranken hatte meinen Vater gebeten, ihn bei den zuständigen Behörden zu unterstützen, daß er seine Weinanbaufläche vergrößern dürfe; er würde die Hilfe meines Vaters mit Wein belohnen. Der Winzer verließ mit enttäuschter Miene das Haus.

Um 1953 hörte ich als Unbekannter einem Gespräch von Bundestagsabgeordneten zu. Sie sprachen davon, in der Abstimmung über die Diätenerhöhung habe nur ein Mitglied des Bundestages gegen die Erhöhung gestimmt. Es sei ein bescheidener Bauer aus Mittelfranken mit dem Namen Konrad Frühwald gewesen. Jetzt schicke er den Mehrbetrag wieder an die Bundestagskasse zurück.

Als ich meinem Vater davon erzählte, antwortete er mir: "Ja, das stimmt. Die Fürsprecher der Diätenerhöhung meinten, die Anzahl der Bundestagsabgeordneten sei ja so klein, daß eine Diätenerhöhung den Wähler nur Pfennige koste. Aber gleichzeitig haben dieselben Politiker eine Rentenerhöhung mit der Begründung abgelehnt, sie sei bei der Masse der Rentenempfänger nicht zu finanzieren".

 

 

Hirnströme, Suggestivkraft und die Ausstrahlung eines Politikers

Der Verfasser gehörte als wissenschaftlicher Assistent einer Forschungsgruppe an, die über die Hirnströme bei verschiedenen Versuchstieren arbeitete. Je höher das Versuchstier in der Entwicklungsstufe der Schöpfung stand, desto stärker waren die elektrischen Ströme, die sein Hirn in die Meßgeräte schickte.

Der Mensch ist das Endglied der Schöpfung. Unter allen Geschöpfen sind seine Hirnfunktionen am höchsten entwickelt.

Es ist unbestritten, daß sein Hirn Ströme aussenden kann, die nicht nur in der nächsten Umgebung, sondern auch über weite Entfernungen von empfangsbereiten Menschen aufgenommen werden. Mein Vater spürte die Stunden, in denen wir, seine Söhne, im Zweiten Weltkrieg verwundet wurden.

Den stärksten Einfluß hat ein willensstarker Mensch aber auf Personen in seiner nächsten Umgebung. Beispiele beweisen, daß gerade die bekanntesten Männer der Weltgeschichte in der Lage waren, Menschen in ihrer Nähe nur durch ihre Gegenwart "in ihren Bann zu ziehen".

Jemanden einen fremden Willen aufzuzwingen, wird als Suggestion bezeichnet. Je niedriger die Geistesstufe eines Erdenbewohners ist, desto leichter erliegt er einer solchen Beeinflussung. Die suggestive Wirkung eines Politikers auf eine Menschenmenge, z. B. in einer Wahlversammlung, beruht meines Erachtens weniger auf der Logistik seiner Worte; der Redner wirkt vielmehr durch seine Ausstrahlung, die physikalisch meßbar ist.

In der Presse und in der Öffentlichkeit wurde Senator Frühwald "Der schweigende Denker" genannt. Doch wenn er nach langem Schweigen sprach, galt sein Wort. Seine Sätze waren von zwingender Logik und wirkten überzeugend. In seiner Nähe meinte man, seine Gedankenarbeit wie elektrische Ströme zu spüren. Die Wirkung auf seine Umgebung wurde von anderen Persönlichkeiten mit dem Wort "Faszination" beschrieben.

Wer die vorliegende Lebensbeschreibung über Senator Frühwald liest, wird auch heute noch die Ausstrahlung ahnen, die damals von der Persönlichkeit des Politikers und "Bauernphilosophen" ausgegangen ist.

 

 

Politiker verschiedener Parteien haben vieles gemeinsam

Im Bauernhof von Roßbach, auf dem ich aufgewachsen bin, und in dem ich zur Zeit (1987) meine Lebenserinnerungen schreiben, lebten von 1890 bis heute in ununterbrochener Reihenfolge drei Generationen von Parlamentariern. Sie gehörten drei Parteien an:

Mein Vater, Konrad Frühwald sen. war vor 1933 Vertreter der Detuschnationalen Volkspartei.

Mein Bruder, Konrad Frühwald jun., war zunächst zweiter Vorsitzender der Bayernpartei.

Die dritte Generation ist sein Adoptivsohn Loscher-Frühwald. Er gehörte der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag an.

Ich möchte aus meinen Erfahrungen mit diesen drei Volksvertretern und ihren Parteifreunden einige gemeinsame Züge schildern, die wahrscheinlich für alle Politiker gelten:

Wenn zwei Politiker zusammenkommen, dreht sich ihr Gespräch beim zweiten Satz um Politik. Politiker diskutieren meist sachlich, politisierende Frauen meist emotional.

Politik kann einen Politiker in Beschlag nehmen wie die Jagdleidenschaft einen Jäger. Aber während der Jäger zum Frühstück wieder zurückkommt, wenn er nachts um drei Uhr sein Haus verlassen hat, kehrt der Politiker erst um Mitternacht in seine Behausung zurück, die er im Laufe des Tages verlassen hat - oder er läßt seine Frau eine ganze Woche allein, wenn er dazu noch Parlamentarier ist. Die Ehefrau eines bekannten Volksvertreters soll deshalb den Maler beauftragt haben, über dem Ehebett die Aufschrift anzubringen: "Hier schlief einmal mein Ehemann".

Wähler halten die Parlamentarier für die Spitzenverdiener der Nation. Sie kennen die Verpflichtung nicht, einen hohen Anteil ihrer Diäten an ihre Partei abzuführen. Die KPD z. B. überließ jedem ihrer Abgeordneten Bezüge nur in der Höhe des Verdienstes eines Facharbeiters. Wen wundert es da noch, wenn alle Parteien am Anfang einer Legislaturperiode ihre Vertreter in den Parlamenten für eine Diätenerhöhung stimmen lassen.

Politiker haben wenig Freizeit. Kommt ein Parlamentarier am Wochenende nach Hause, findet er einen Berg von Post und seine Wohnung voll von Personen vor, die irgendwelche Wünsche vorbringen wollen. Ich verstehe deshalb jeden Politiker, wenn er gerne einen Gottesdienst besucht. Dort kann er den Gläubigen nicht nur seine christliche Einstellung vor Augen führen, er kann vor allem eine Stunde in Ruhe nachdenken oder ganz abschalten.

 

 

Der Bauernführer

Von Hans August Lücker, Bonn, dem ehem. Vizepräsidenten des Europ. Parlaments;
nach einem Schreiben vom 27.07.1987

Ich lernte den großen Bauernführer Frühwald im Februar 1947 kennen, als ich vom Präsidium des Bayerischen Bauernverbandes zum Direktor der Bayerischen Landesbauernkammer ernannt worden war. Konrad Frühwald war 25 Jahre älter als ich. Ich hatte schon viel über den "Bauernphilosophen" gehört.

Unser erstes Gespräch, das ich nie vergessen werde, bestätigte das Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Es offenbarte mir seine Charakterstärke und seine geistige und seelische Größe. Frühwald war tief und fest in seinem christlichen Glauben verwurzelt, den er auch im Dritten Reich öffentlich bekundet hat. Außerdem war er ein deutscher Patriot. Er wußte auch, daß das Mandat (1) für die Frührungskräfte in Politik und in den berufständischen Organisationen "Verantwortung für andere" bedeutet.

Konrad Frühwald hatte in seiner Jugend noch das Kaiserreich erlebt, das ihn in seiner Haltung prägte. Aber Konrad Frühwald erkannte, daß nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Steinen der Vergangenheit kein neues Deutschland gebaut werden konnte.

Diese Erkenntnis zweigte sich 1945/46 in seinem vorbehaltlosen Einsatz für den Aufbau einer einheitlichen berufsständischen Organisation der bayerischen Bauern. Er hielt es für richtig, daß der "Bayerische Bauernverband" an die Stelle der früheren "Christlichen Bauernvereine", des "Landbundes" und des "Bauernbundes" trat. Frühwald verzichtete damit bewußt darauf, wieder wie vor 1933 der Präsident eines "Bayerischen Landbundes" zu werden.

Aufgrund seiner Persönlichkeit nahm aber Frühwald als Vizepräsident im Bayerischen Bauernverband eine Sonderstellung ein. Sein Ansehen kam am sichtbarsten zum Ausdruck, als er als einziger Vizepräsident eines Landesverbandes Sitz und Stimme im Präsidium des Deutschen Bauernverbandes erhielt.

Im Auftrag des Bayerischen Bauernverbandes hatte ich 1947 als Geschäftsführer der "Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Bauernverband und Bayerischer Gewerkschaftsbund" die Aufgabe, zusammen mit Herrn August Schiefer, dem zweiten Vorsitzenden des Bayerischen Gewerkschaftsbundes, des Rechtsstatut für den Bayerischen Senat vorzubereiten.

Ich kann berichten, was bisher kaum bekannt ist: Konrad Frühwald war für das Amt des Präsidenten des Bayerischen Senats vorgesehen. Der Bayerische Gewerkschaftsbund stimmte aber nicht zu, daß der Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes zum Präsidenten des Bayerischen Senates berufen wurde. Die Ablehnung war nicht in der Person von Konrad Frühwald begründet.

Bauernverband und Gewerkschaft stellen seit 1947 im Bayerischen Senat mit je Delegierten die stärkste Gruppe der insgesamt 60 Mitglieder. Konrad Frühwald vertrat im Senat den Bayerischen Bauernverband 22 Jahre lang. Er hat in dieser Zeit für seinen Berufsstand und darüber hinaus für ganz Bayern fruchtbare Arbeit geleistet. Er genoß im Senat allgemeine Hochachtung.

Der Agrarpolitiker Konrad Frühwald wurde 1949 für die F.D.P. in den Deutschen Bundestag gewählt. Ich konnte nun in Bonn als dortiger Verbindungsmann des Deutschen Bauernverbandes zu den Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederum mit Konrad Frühwald zusammenarbeiten.

Im Bundestag bildeten in allen Fraktionen die Politiker, die wie Konrad Frühwald selber Bauern waren oder beruflich die Landwirtschaft vertraten, nur eine kleine Minderheit. Aber durch ihre Gewandtheit fanden sie in Fragen der Agrarpolitik jeweils die Unterstützung ihrer Fraktionen und Mehrheiten im Parlament. Außer Frühwald gehörten alle bayerischen Agrarpolitiker der CSU an. Ihre Zusammenarbeit mit Konrad Frühwald war gut und erfolgreich.

Ich wurde 1953 als Abgeordneter aus dem Allgäu für die CSU in den Deutschen Bundestag gewählt. Bei unserem ersten Gespräch in Bonn sagte mir Konrad Frühwald: "Ich hätte dich auch gerne als Abgeordnete meiner Fraktion im Bundestag gesehen. Doch ich denke, uns verbindet so viel Gemeinsames, daß wir auch im Bundestag gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten werden". Und bei der Gemeinsamkeit ist es auch geblieben.

Meine erste Aufgabe im Bundestag war die Einarbeitung des "Landwirtschaftsgesetzes". Dabei wurde ich bis zur Verabschiedung des Gesetzes von Konrad Frühwald unterstützt.

In jeder zweiten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages lud ich zu einer "Bayerischen Brotzeit" ein. Diese Abende dienten einer allgemeinen Aussprache und Verständigung über agrarpolitische Fragen und aktuelle politische Tagesthemen. An diesen Veranstaltungen nahmen neben Konrad Frühwald auch häufig Fritz Schäffer, Richard Stücklen und Franz Josef Strauß teil. Diese Gespräche schufen gegenseitiges Vertrauen.

Mit großer Dankbarkeit - aber auch mit einem gewissen Maß an Wehmut - denke ich an die Jahrzehnte in der Politik und an die Stunden gemeinsamer Arbeit mit Senator Frühwald zurück. Meine politischen Ziehväter haben mir für meine politische Laufbahn viel bedeutet und mitgegeben. Konrad Frühwald nimmt unter ihnen einen Ehrenplatz ein.

(1) Mandat, Amt und Auftrag

 

 

Politik, Ehe und Familie

Wie eng Weltpolitik und Ehen verbunden sein können, ist an der Geschichte des Habsburger Reiches zu erkennen, das seine Länder nicht durch Kriege, sondern durch Heiratspolitik erworben hat. Große Teile meiner fränkischen Heimat fielen Ende des 18. Jahrhunderts an Preußen, als die Ehe des Markgrafen von Ansbach-Bayreuth kinderlos geblieben war.

Nach den Jahrhunderten der Dynastien spielen Ehen heute im Zeitalter der Demokraten nur noch eine menschliche Nebenrolle. Mein Vater nannte mir manchen bekannten Politiker, der sich in die Politik flüchtete, weil er seiner Ehe mit ihrer häuslichen Enge entrinnen wollte. Wie hoch er auch für einen Mann aus dem öffentlichen Leben die Bindung der Ehe und Familie einstufte, faßte er in dem einen Satz zusammen, ein Mann werde erst durch eine gute Ehe zur ganzen Persönlichkeit.

Ich werde im folgenden Kapitel über das Leben in meinem Elternhaus berichten. Damit erfülle ich den Wunsch von vielen, die meinen Vater schätzten und im Probedruck dieses Buches jeden Hinweis auf sein Familienleben vermißten. Vor allem Frauen wünschten einen Blick in die häuslichen Gemächer.

Unser Großvater, genannt "Der Bauernhannes", wollte auf seinem Hof eine Schwiegertochter sehen, die aus einem Bauernhof ähnlicher Größe und Bewirtschaftung stammte. Wie ich jetzt in Briefen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg lesen konnte, verfolgt mein Vater mit Leidenschaft ein anderes Ziel. Er war schon als junger Bursch von dem Charme der Bäckerstochter von Altershausen fasziniert. Sooft das Mädchen des Bäckers in seinem Rückentragkorb Brote und Brezeln nach Roßbach brachte, stahl er sich von der Arbeit weg, um seine junge Freundin als erster am Dorfeingang zu sehen und zu begrüßen.

Mein Vater erfüllte sich seinen Jugendtraum, als er gleich nach seiner Hofübernahme im Sommer 1918 heiratete. Die Hochzeitsreise der Jungvermählten führte nicht ans Mittelmeer, sondern auf die Felder zur Getreideernte.

Wir Kinder spürten die Harmonie in der Ehe unserer Eltern; wir fühlten uns im Elternhaus geborgen.

Die Eltern begannen und beendeten ihren Tagesablauf mit einem gemeinsamen Gebet. Sie verrichteten die Hof- und Feldarbeit miteinander. Mußte der Vater - manchmal schon vor Morgengrauen - das Haus verlassen, um seine Dienststellen in Ansbach oder München mit dem Zug zu erreichen, wurden die landwirtschaftlichen Arbeiten von der Mutter und dem Gesinde nach seinen Angaben durchgeführt. Kam der Vater erst nachts oder am Wochenende von auswärts zurück, wurde er von seiner Frau mit Freuden erwartet und mit mütterlicher Fürsorge empfangen.

Unser Vater war auch deshalb stolz auf seine Frau, weil sie jederzeit bereit und in der Lage war, seine mitgebrachten Freund zu bewirten; es waren Politiker, Geistliche, Journalisten, Verwaltungsbeamte oder Standesvertreter der Landwirtschaft. Waren gelegentlich bis zu fünfzig Gäste angemeldet, wurden die Speisen im großen Backofen und in Kesseln zubereitet. Als Getränk gab es dann Birnenmost in großen Krügen.

1937 starb unsere Mutter plötzlich auf dem Weg zur Arbeit.

Nach sechs einsamen Jahren heiratete mein Vater wieder. Seine zweite Frau war Krankenschwester. In ihrem Mutterhaus "Hensoltshöhe" bei Gunzenhausen war sie nach den christlichen Grundsätzen Löhes ausgebildet worden. Sie war uns Kindern wieder eine gute Mutter. Die Harmonie, in der mein Vater mit seiner ersten Frau gelebt hatte, herrschte auch wieder in seiner zweiten Ehe. Seine zweite Frau versorgte ebenfalls mit Umsicht den großen Haushalt und war gleichzeitig mit Freuden Bäuerin.

Darüber hinaus wurde ihre Hilfeleistung als Krankenschwester im Dorf und in unserer großen Familie dankbar angenommen. Auch ich wurde als Kriegsversehrter von meiner zweiten Mutter jahrelang versorgt. Als unser Vater in seinen letzten Lebensjahren an Krebs erkrankte, wurde er von seiner zweiten Frau mit Hingabe gepflegt.

Das gezeichnete Bild vom Leben in meinem Elternhaus ist nicht beschönigt. Man konnte das Ideal einer Ehe verwirklicht sehen, wie es der Dichter Schiller in bekannten Versen beschrieben hat.

 

 

Die ideale Ehe vor 200 Jahren

 

Aus dem Gedicht "Das Lied von der Glocke"
von Friedrich von Schiller
(1759 - 1805)

 

Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben,
muß wirken und streben
und pflanzen und schaffen ....

*

Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau,
die Mutter der Kinder,
und herrschet weise im häuslichen Kreise
und reget ohn' Ende die fleißigen Hände, ...

und füget zum Guten
den Glanz und den Schimmer
und ruhet nimmer.

 

 

Die drei Söhne und zwei Töchter des Senators Konrad Frühwald

Konrad Frühwald, junior, (1920 - 1981):
Konrad F., junior, Übernahme als Erstgeborener den väterlichen Hof in Roßbach/Mittelfranken; er war Mitglied des Bayerischen Landtags und Landrat in Neustadt/Aisch; er übergab den Hof an Loscher-Frühwald.

Hans Frühwald (1921 - 1942):
Hans war bärenstark; er war als Leichtathlet erfolgreich und als Boxer gefürchtet. Hans studierte Tiermedizin; er fiel 1942 in Rußland.

Erna Frühwald (geb. 1924; verh. Sondermann):
Erna versorgte von 1939 bis 1943 den frauenlosen väterlichen Haushalt; sie wurde 1970 in die Landessynode der Ev.-luth. Kirche in Bayern gewählt und kandidierte 1972 für den Deutschen Bundestag.

Ernst Frühwald (geb. 1924):
er ist der Verfasser des vorliegenden Buches; er war als Tierarzt meist in der Serumforschung und als Bakteriologe tätig.

Evamaria Frühwald (geb. 1945; verh. Rödl):
Konrad Frühwald war 55 Jahre alt, als sein letztes Kind Evamaria geboren wurde. Evamaria studierte Betriebswirtschaft und Psychologie.

 

 

Verleihungs-Urkunde

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Gesetz über den Bayer. Verdienstorden

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Schreiben von Anton Sabel

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Anmerkung des Verfassers:

 

Der Hinweis auf das hochheilige Pfingstfest zeigt die kirchlichreligiöse Einstellung von Anton Sabel. Anton Sabel (1902 - 1983) war vor 1933 im gewerkschaftlichen Zentralverband christlicher Holzarbeiter tätig. Während des Dritten Reiches war er Fürsorger der Caritas in Frankfurt. Als er 1949 für die CDU in den deutschen Bundestag gewählt wurde, fand er dort in Konrad Frühwald einen Mitstreiter für mehr Sparsamkeit in Ministerien und Ämtern. 1954 übernahm Anton Sabel das Präsidium der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg.

 

Quellen:

 

Munzinger-Archiv; Biographien

 

Mündliche Mitteilungen von Konrad Frühwald an den Verfasser

 

Telegramm vom 04.06.60

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Anmerkungen des Verfassers

 

 

Erich Mende

war Jurist und bis 1945 Berufsoffizier. 1949 wurde er wie Konrad Frühwald als Vertreter der FDP in den ersten Deutschen Bundestag gewählt. Mein Vater schätzte ihn als hervorragende Persönlichkeit. Beide Politiker verband außerdem ihre national-liberale Einstellung. Erich Mende war von 1963 bis 1966 Bundesminister und stellvertretender Bundeskanzler.

 

Ausschnitt Feierstunde in Neustadt zum 75. Geburtstag

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Schreiben von Dr. Schröder vom 05.06.1965

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Schreiben von Dr. Audomar Scheuermann vom 03. Juni 1965

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Anmerkungen des Herausgebers 1986:

 

 

 

Dr. Audomar Scheuermann

 

 

wurde am 03.07.1908 in Nürnberg geboren. Er studierte Jura und katholische Theologie, wurde Professor für Ehe-, Ordens- und Missionsrecht an der Franziskaner Hochschule St. Anna in München und war Richter am Bischöflichen Metropoliten-Gericht in München.

 

Schreiben von Dr. Dollinger vom 09.06.1965

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Dr. Werner Dollinger

 

wurde am 10. Oktober 1918 in Neustadt/Aisch geboren. Er wurde 1945 von Konrad Frühwald zur Gründung des Ortsverbandes der CSU in Neustadt/Aisch angeregt. Dr. Dollinger und Senator Frühwald wurden faire politische Gegner, als Konrad Frühwald 1949 für die FDP in den ersten Deutschen Bundestag gewählt wurde; jeder der beiden Politiker schätzte den anderen als Persönlichkeit.

 

Zeitungsausschnitt vom Donnerstag, 13. Januar 1966

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Zeitungsartikel

"Bauernphilosoph" Frühwald

trat in den Ruhestand

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Urkunde

des Bayer. Bauernverbandes

vom 10.08.67

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Zeitungsartikel

vom 05. März 1968 Neustadt/Aisch

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Die Gestaltung des Buches

Die vorliegende Biographie aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts sollte der Jugend in die Hand gegeben werden. Die Schrift würde ihr die Denkweise Ihrer Eltern und Großeltern verständlich machen, die mit Idealismus und hartem Einsatz aus den Ruinen des Ersten und Zweiten Weltkrieges wieder ein blühendes Staatswesen geschaffen haben.

Gelesen aber wird das Buch vorwiegend von der älteren Generation werden. Sie wird sich in die eigene Jugendzeit zurückversetzt fühlen. Der älteren Leser wegen wurde ein Druckbild mit großen Buchstaben gewählt. Nur die beigefügten Dokumente und Zeitungsausschnitte mußten aus technischen Gründen verkleinert werden.

Komplizierte politische Erörterungen wurden mit einfachen Sätzen wiedergegeben. Die meisten Fremdwörter wurden im Text durch entsprechende deutsche Wörter ersetzt oder in einer Fußnote erklärt.

Buchverlage sind gezwungen, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu arbeiten. Sie dürfen aus sozialer Verantwortung die Arbeitsplätze ihrer Belegschaft nicht durch Experimente bei Neuerscheinungen gefährden. Ein Verlag müßte dieses Buch zu einem unerschwinglichen Preis auf den Markt bringen, wenn er es bei einer Ausstattung und seiner kleinen Auflage kostendeckend herausgeben wollte.

Aus diesen Gründen hat der Herausgeber nicht nur die Texte allein verfaßt, sondern auch den Druck und den Vertrieb des Buches übernommen. So kann er das Buch zum Selbstkostenpreis anbieten.

Darüber hinaus kann der Sohn die Wesensart seines Vaters eingehender beschreiben als ein Schriftsteller, der den Lebensweg eines Mannes nachzeichnet, den er nicht im Kreise seiner Familie kennengelernt hat. Gerade das Verhalten in der Familie zeigt aber den wahren Charakter eines Menschen.

Viele Briefe, Zeitungsartikel und Protokolle mußten ersten entziffert werden. Sie wurden anschließend mit gekürztem Text neu gedruckt. Sollte eine Historiker eine Ablichtung der Originale wünschen, möge er sich an den Verfasser wenden.

Erst nach Vorstellung werden jeweils die nächsten Exemplare gedruckt. So können etwaige Änderungsvorschläge eines Lesers sofort berücksichtigt werden. Der Verfasser wird für jede Leserzuschrift, gleich welcher Art, dankbar sein.

Dieses Buch soll sich als Geschenkband eignen. Deshalb wurde es zusätzlich mit ganzseitigen Farbbildern - z. T. von Gemälden - ausgestattet und sein Einband mit einer Goldprägung versehen.

Möge die vorliegende Biographie Baustein einer Brücke sein, welche die traditionsgebundenen Wertbegriffe unserer Väter über Staat, Volk, Kultur und Religion mit den Vorstellungen der jungen Generation verbindet.

 

 

Ein Rückblick auf ein erfülltes Leben

Aus der Gedenkansprache anläßlich der Trauerfeier für Senator Frühwald von Präsident Ehnes am 22.04.1970

"Wer geduldig ist, der ist weise; wer ungeduldig ist, offenbart seine Torheit.

Dieses Ausgabe in den Sprüchen Salomons erinnern mich - seit unserer ersten Begegnung - an unseren verstorbenen Präsidenten.

Konrad Frühwald wurde am 05. Juni 1890 in Roßbach, Kreis Neustadt/Aisch, geboren.

1918 übernahm er den seit 1737 im Familienbesitz befindlichen elterlichen Hof. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg berief man den damals kaum 30jährigen Bauern zum Präsidenten des Bayer. Landbundes. 1928 wurde Konrad Frühwald in den Bayer. Landtag entsandt. 1930 wurde er zum Präsidenten der Kreisbauernkammer Mittelfranken gewählt. Unbeirrbar war diese kraftvolle, kluge Persönlichkeit bis zum Jahre 1933 den Weg als Bauer und Politiker gegangen.

Dann folgten für ihn, wie für viele aufrechte Bürger und Politiker, 12 Jahre Zwangspause. All seiner Funktionen im öffentlichen Leben beraubt, übte nun Konrad Frühwald den Beruf des Bauern und des Schäfers aus.

Damals, als er erkannte, daß die Finsternis über sein Vaterland hereinbrechen werde, stieg er auf die Kanzeln in Franken und Schwaben und verkündete im ganzen Land die Lehre Jesu Christi in der Hoffnung, damit Deutschland vor den Dämonen der Finsternis zu bewahren. Ohne Rücksicht auf die Gefahren der damaligen Zeit wurde dieser mutvolle Mann zum Bekenner Jesu.

Nach dem Zusammenbruch von 1945 kehrte Konrad Frühwald sofort in die Politik zurück. Er wurde Mitbegründer des Bayer. Bauernverbandes und war bis 1967 dessen Zweiter Präsident. Von 1947 bis 1969 vertrat Konrad Frühwald die Interessen der Landwirtschaft im

Bayer. Senat; von 1949 bis 1957 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Aufgrund seines überragenden Wissens war er in zahlreichen Fachverbänden tätig und erfreute sich höchster Wertschätzung und Hochachtung bei allen Mitarbeitern.

Mit fränkischer Hartnäckigkeit setzte er seine gewonnene Überzeugung in vielen Bereichen der Politik durch, und namhafte Bundes- und Landesgesetze tragen seine Handschrift.

Zu seinem 65. Geburtstag wurde ihm vom Bayer. Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Goldene Staatsmedaille für seine Verdienste um die Bayer. Landwirtschaft, vor allem auf dem Gebiet der ländlichen Berufsorganisation und der Agrargesetzgebung, verliehen. Der Bundespräsident verlieh ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepubilik Deutschland und der Bayer. Ministerpräsident den Bayer. Verdienstorden. Der Bayer. Bauernverband ehrte mit der "Goldenen Ähre". Er ist Träger der Bachmann-Fehr-Medaille und der Goldenen Ehrennadel Ehemaliger Landwirtschaftsschüler. Weiterhin wurden ihm die Goldene Landwirtschaftsmedaille, die Goldene Verdienstmedaille der Bauernkammer und die Goldene Medaille des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern für seine außerordentlichen Verdienste und seine persönliche volle Hingabe für den Berufsstand verliehen.

Der Bayerische Bauernverband und die bayerische Landwirtschaft stehen mit tiefer Erschütterung an der Bahre ihres Ehrenpräsidenten Konrad Frühwald und nehmen Abschied von diesem hochgeschätzten, weisen Mann.

Unsere Heimat verliert einen aufrichtigen Franken und unser Volk einen großen Deutschen".

 

Schreiben des Bayer. Landtages vom 21. April 1970

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Zeitungsausschnitt vom 25. April 1970

der Fränkischen Zeitung

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"Er pflügte unter dem Kreuz"

Aus der Predigt zur Trauerfeier für Konrad Frühwald am 22.04.1970 von Dekan Heller (3).

"Konrad Frühwald hat mir in seinen letzten Stunden den 23. Psalm "Der Herr ist mein Hirte" gebetet. Diese Worte waren ihm lebenslänglich ein Bekenntnis. Er wußte sich von Gott geführt, der ihm den Auftrag gegeben hatte, sein Mitarbeiter zu sein, und er wußte sich in Gott geborgen, wenn er als Christ bei diesem Bekenntnis bis ans Ende seines Lebens blieb.

So hat sich Konrad Frühwald als einer verstanden, den Gott gerufen hat. Er bezeugte während des Kampfes der "Bekennenden Kirche" seinen Glauben. 1937 hielt er in der St. Egidienkirche in Nürnberg seine erste Predigt. Er sprach über das Thema: "Warum ich in meinem Beruf als Bauer ein Christ bin". Unter der Kanzel saßen damals nicht nur aufmerksame christliche Zuhörer, sondern auch andere, die zur Überwachung geschickt worden waren. Trotz der damit verbundenen Gefahren predigte er noch in schwäbischen Städten und Dörfern.

Nach mehreren Schicksalsschlägen hielt sich der Bauer Konrad Frühwald an das Wort des Apostels Jakobus: "Siehe, ein Ackermann ist geduldig und wartet auf die köstliche Frucht der Erde". So lernte er, geduldig zu werden und nachzudenken über Zeit und Ewigkeit. Er wurde Schäfer.

Im hiesigen Landratsamt betrachte ich gerne ein Gemälde, das eine fränkische Landschaft zeigt. Im Vordergrund des Bildes steht ein Schäfer bei seiner Herde; in ihm sehe ich immer die Gestalt des Präsidenten Frühwald. Als ein "fränkischer Mose" (1), so möchte man meinen, steht er hier und wartet wie der Prophet des alten Testamentes (1) auf seine Zeit.

Wie für Mose (1) kam auch für Konrad Frühwald der Tag, da er wieder hervortreten sollte. Es waren die Notjahre unseres Volkes nach 1945. Das Land rief nach ihm, und er stellte seine Erfahrung in Verwaltung und Politik zur Verfügung. Doch nicht nur im politischen Leben schätzte man seine Fähigkeiten und seinen Weitblick; sein Rat war auch in seiner Eigenschaft als Kirchenvorstand und als Alterspräsident in der Landessynode (2) gefragt.

Das Wort vom "mündigen Christen" war damals noch nicht erfunden. Aber nur der ist als Christ "mündig", der sich - wie Konrad Frühwald - mit Wort und Tat für das Evangelium einsetzt.

Wir Jüngeren betrachteten Frühwald als unser Vorbild, weil wir sahen, wie er Weisheit mit Güte und Demut vereint hat. Auf einem Männertag predigte er in unserer Kirche. Die biblischen Mahnworte, von denen sein Denken und Handeln stets bestimmt waren, waren auch das Thema seiner Predigt: "Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen".

Konrad Frühwald war Bauer, Politiker und Christ. Er pflügte unter dem Kreuz, und der Herr hat seine Arbeit gesegnet. Nun ist sein Leben zum Ziel gekommen. Gott, der Allmächtige, hat seinem Mitarbeiter den Pflug aus der Hand genommen und ihn zu sich in die Ewigkeit abgerufen".

(1) Mose oder Moses, Gesetzgeber des jüdischen Volkes im 14. Jahrhundert v. Chr.
(2) Landessynode, gesetzgebende Versammlung der Ev.-Luth. Landeskirche in Bayern.
(3) Einige Abschnitte der hier wiedergegebenen Predigt wurden zu einem Satz zusammengefaßt. Wie damals die Hörer sollen auch die Leser vom Abschiedswort des Geistlichen angesprochen werden; deshalb wurde die Form der direkten Rede beigehalten.

 

 

Dem Predigttext waren die Psalmen-Worte "Der Herr ist mein Hirte" zugrundegelegt. Dieses Gebet eines Staatsmannes auch dem Alten Testament hat auch den Schäfer, Bauern und Politiker Konrad Frühwald sein Leben lang begleitet.

 

Der 23. Psalm

 

Der Herr ist mein Hirte;
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser;
er erquicket meine Seele;
er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte
im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn Du bis bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.

 

 

 

 

 

Bildnachweis

"Pflug und Buch"

nach einem Holzschnitt

für die Landwirtschaftsschule Gerolzhofen

von Richard Rother, Kitzingen; 1954

 

"In einem

fränkischen Dorf

um 1900"

 

Die Bildvorlage

wurde für das Buch

"Der Bauernphilosoph"

von der Gemeinde Sennfeld

zur Verfügung gestellt