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Ein Wort an Pessimisten

Des Lebens Wege sind verschieden. Ob uns glückliche oder kummervolle Tage erwarten: Die Hauptsache ist, man bleibt Optimist. So betrachtet, ist es immer wert zu leben. Nur wer als Optimist im Leben durch eine Finsternis wandert, wird am Ende des Weges wieder das Licht sehen.

Nach jeder Nacht kommt ein neuer Tag. Auch jedes Leid geht vorüber.

In diesem Sinne ist auch dieses Büchlein verfasst. Es wurde von einem Menschen geschrieben, dem sich das Leben oft von seiner finsteren Seite gezeigt hat. Er will aber nicht jammern; er schildert nicht nur die schlechten Stunden, sondern auch die Zeit, die ihm trotz mancher Kümmernisse das Leben schön und wert erscheinen ließ. Es ist kein Roman, was Sie in diesem Buch lesen. Es ist ein Tatsachenbericht. Der Erzähler, der sich selbst als Optimist bezeichnet, will nicht nur seinen Lebensweg erzählen, sondern mit seiner Schrift all denen helfen, die sich in einer trostlosen Lage befinden. Er will diesen Menschen Mut machen, nicht aufzugeben und nicht zu verzweifeln.

Meine Heimat im Bayerischen Wald

Meine Wiege stand in Kellburg, einem Weiler im Bayerischen Wald. Unsere Ortschaft zählt nur wenige Häuser und gehört zur Gemeinde Rattenberg. Rattenberg liegt im nördlichen Teil des Altlandkreises Bogen. Durch die Gebietsreform von 1972 wurden die Landkreise Bogen und Straubing zusammengelegt. Da jedoch die ehemaligen Grafen von Bogen weithin angesehen waren, und die weiß - blauen Rauten ihres Wappens sich noch heute im Bayernwappen befinden, heißt unser Landkreis jetzt Straubing - Bogen.

Straubing wird den meisten Lesern als "Die Kornkammer Bayerns", bekannt sein. Berühmt sind die Straubinger Agnes-Bernauer-Festspiele. Herzog Albrecht hatte 1432 heimlich die Baderstochter Agnes Bernauer geheiratet. Sie wurde drei Jahre später auf Geheiß des Vaters des Herzogs in der Donau ertränkt.

Im Blickpunkt meines Elternhauses steht mit seiner stattlichen Höhe von 1456 m auch der höchste Berg des Bayerwaldes, der Arber. Der Kaitersberg, der Hirschenstein und der Hohe Bogen bilden das Ende der Bergkette.

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Eine Wanderung durch die winterliche Flur meiner Heimat

Ich erinnere mich gerne an die stille Adventszeit in meinem Heimatdorf. Es begannen schon die Vorbereitungen für Weihnachten, das schönste Fest im Jahr. Adventskränze und anderes Tannengrün waren fast in jedem Haus zu sehen. Bereits in Dorfnähe duftete es nach verschiedenem Gebäck oder Stollen.

Vor Jahrzehnten gab es in meiner Heimat zur Adventszeit noch mehr Schnee als heute. Ein Gang über die verschneite Flur war für mich ein Genuß. Rehe oder manchmal auch ein Hase waren am Wegrand zu sehen. Waren die Nächte auch oft bitterkalt, so stahl sich doch bis zum Mittag die wärmende Sonne durch die Wolken. Das war für mich die richtige Zeit zum Wandern. Auch ältere Leute oder Mütter mit ihren Kindern nützten dann diese schönen Nachmittagsstunden für einen Spaziergang durch die winterliche Flur.

Mein Dackel Susi begleitete mich jeden Tag auf meinem Weg. Wir zwei gingen erst an Feldern und Wiesen vorbei und dann durch den Wald. Eine Stunde wurde täglich gelaufen. Ab und zu waren wir auch zu dritt, wenn meine Frau Lotte die kalte Luft nicht scheute. Die Nachmittagsstunden in der freien Natur waren dann besonders unterhaltsam. Wir trafen nicht selten allerhand Bekannte, mit denen wir uns über das Neueste unterhielten. Auch wenn sich das Gespräch nur um das Wetter drehte, war es doch ein Zeichen dafür, dass man zu Kontakten bereit war und nicht einfach achtlos aneinander vorüberging.

Bei einem dieser Gänge sah ich manchmal auch meinen Nachbarn, den Haimerl Fritz, in seinem landwirtschaftlichen Hof schaffen. Da wir jahrelang gute Nachbarschaft pflegten, gesellte ich mich öfters zu ihm. Ich grüßte ihn mit seinem Hausnamen. Kurz zu erwähnen ist hier, dass auf dem Lande sehr viele Familien einen Hausnamen haben. Er ist nicht selten mit dem Beruf des Hausbesitzers identisch. Auch aus früheren Generationen wurden oft solche Hausnamen übernommen.

Mein Vater war zum Beispiel der "Hammersepp". Die Namensgebung kam folgendermaßen zustande: Neben dem Bauernhaus, in dem mein Vater geboren wurde, befand sich eine große Hammerschmiede. Alle Söhne dieses Bauernhofes erhielten deshalb zu ihrem Taufnamen das vorangesetzte Wort "Hammer". Mein Vater hieß Josef und wurde daher nur der "Hammer Sepp" gerufen.

Mein Nachbar Fritz, genannt der "Stofferl-Bauer", hatte seinen Hof seinem Sohn übergeben. Da dieser jedoch noch in einem Gewerbebetrieb beschäftigt war, wurde der Bauernhof weiterhin vom Vater bearbeitet. Mein Nachbar war damals 62 Jahre alt und wollte sich noch nicht ins stille Kämmerlein zurückziehen.

"Guten Morgen, wieder mit dem Hund unterwegs ? Jetzt kannst du ja ausruhen, hast keine Arbeit in der Feuerwehr mehr." "Es stimmt", pflichtete ich bei. "Es war Zeit, die Leitung in jüngere Hände zu legen. Ich will jedoch noch aushelfen, wenn es nötig ist. Es war immer viel zu tun, aber die Gesundheit muss man auch erhalten." "Du hast recht", sagte mein Nachbar Fritz, der wie ich Mitglied der Neurandsberger Feuerwehr war, "aber ganz wirst du das Kommandieren halt doch nicht lassen können." So unterhielten wir uns noch einige Zeit. Zum Schluss grüßten wir nochmals einander.

Dann ging Fritz wieder an seine Arbeit, und ich setzte meinen Weg fort. Nach einem ausgiebigen Marsch an der frischen Luft lenkte ich gerne meine Schritte wieder heimwärts, wo mich meine vielseitigen Beschäftigungen erwarteten, die ich mir als Frührentner gesucht hatte.

Meine Geburt und Nottaufe

Der Weltkrieg 1939/45 war zu Ende. In dieser Zeit ging meine Mutter ihrer schweren Stunde entgegen. Sie erwartete mit mir ihr 12. Kind.

Mein Vater schickte die älteste Tochter zur Hebamme. Damals fanden noch alle Geburten zu Hause statt. Von Kellburg bis Rattenberg, wo die Hebamme wohnte, waren es vier Kilometer; dies bedeutete eine Stunde Fußmarsch. Die Hebamme, Frau Holzapfel, nickte mit dem Kopf, als sie die Nachricht erhielt. "So, ist es nun soweit", sprach sie und packte den Koffer, "hoffentlich geht alles gut", sagte sie noch zu sich selbst. Zu Hause lag die Mutter in der Kammer; so wurde früher das Zimmer benannt, das neben der Wohnstube war. Sie sandte viele Gebete zum Himmel. Die Eltern waren sehr christliche Menschen, und ohne Gebet und Gottvertrauen war unser Familienleben undenkbar.

Nach der Ankunft der Hebamme bei der Kerschermutter dauerte es noch etliche Stunden, bis ich, ein großer, strammer Junge, zur Welt kam. Aber mein Gesicht war dunkelblau. Da auch die Herztöne schwach waren und die Atmung nicht funktionierte, glaubte man, dass ich nicht lange leben würde. Außergewöhnlich war außerdem mein hohes Gewicht von 6 Kilo. Doch was heute die Presse veröffentlichen würde, wurde damals nur in der Nachbarschaft besprochen.

Die Hebamme leitete sofort die Nottaufe ein. Mein erster Name war Johannes.

Die vielen Gebete, die anschließend für den neuen Erdenbürger gesprochen wurden, haben mir wohl das Leben erhalten, so glaube ich noch heute.

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Meine zweite Taufe

Nun will ich aus meinem Leben weitererzählen. Ich wurde gesund und bekam später die "richtige" Taufe. Zum Dank für meine Gesundung gaben mir meine Eltern den außergewöhnlichen Namen "Cornelius".

Mein Namenstag ist der 16. September. Der Heilige des Tages ist Cornelius. Cornelius wurde im Jahre 251 n. Christus zum Papst gewählt. Im Jahre 253 musste er auf Befehl des römischen Kaisers ins Exil gehen, wo er bald starb. In der Kirche St. Severin zu Köln befinden sich einige Reliquien. Sie sind in einem Hifthorn aufbewahrt. Das Hifthorn ist das Zeichen des Heiligen Cornelius und deshalb im Titelblatt dieses Buches wiedergegeben.

Der Heilige Cornelius ist der Schutzpatron des Hornviehs. Er wird bei Epilepsie, Fieber und bei Ohrenschmerzen angerufen. Diese Angaben kenne ich vom Religionsunterricht.

Meine ersten Lebensjahre

Waren nach dem Zweiten Weltkrieg die Jahre auch schwer, meine Eltern wussten stets Rat, uns Kinder zu kleiden. Es war gleichgültig, wenn wir jüngeren Buben manchmal die Sachen der älteren Geschwister trugen. Hauptsache, niemand brauchte zu frieren. Heute kann man sich kaum noch vorstellen, wie meine Eltern mit mir 12 und später 13 Kinder ernähren konnten, wo kaum unsere einzige Kuh satt wurde. Meist kochte die Mutter eine "Weiße Suppe" oder eine Kartoffelspeise. Unser Vater, der Schmied war, verdiente im nahen Steinbruch noch etwas dazu.

Als kleiner Bub lernte ich mit meinen Geschwistern die nähere Heimat kennen. Es war nicht immer einfach, mit den anderen Schritt zu halten, war ich doch sehr mollig. Ich ließ mich aber nicht unterkriegen und war überall dabei. Der Wald, der fast an unser Haus grenzte, war besonders interessant. Die vielen Tiere, die es zur damaligen Zeit noch gab, Rehe, Hasen und Fasane, gingen zur Futtersuche bis vor unsere Haustür. Auch Schafe und Ziegen, die bei uns manchmal im Stall standen, dienten uns Kindern zur Kurzweil. Auf die Gefahren, z.B. auf Schlangen, mussten wir aber achten, wenn wir in der freien Natur umherschweiften.

Wegen der vielen Arbeit hatten die Eltern wenig Zeit, mit uns Kindern zu wandern. Sonntags aber, nach dem Mittagsmahl, gab es immer eine große Freude: "Auf geht`s zum Berga - Kircherl", sagte der Vater. Das Gotteshaus, mit dem Patrozinium Mariä Geburt, war eine weithin bekannte Wallfahrtskirche, erbaut im 17. Jahrhundert. Zahlreiche Votivtafeln an den Innenwänden zeugen von Gebetserhörungen der Gottesmutter. Das Kirchlein liegt oberhalb der Ortschaft Neurandsberg, und gut dreißig Minuten waren steil bergauf zu gehen. Der Steig führte durch einen Bergwald, und die Wanderung war für uns Kinder immer kurzweilig. Es war schon Tradition, dass die Eltern mit uns jeden Sonntag und Feiertag diesen Weg zur Wallfahrtskirche gingen. So haben wir das Beten gelernt und angefangen, Leben und Glauben zu begreifen.

Besonderes Interesse erweckte bei uns Buben die alte Raubritterburg oberhalb der Kirche. Vorhanden waren nur noch die Außenmauern und drei gemauerte Keller. Wie wir später in der Schule lernten, erbaute die Burg Friedrich der Rampsberger im Jahre 1330. Das Hauptschloß hatte Friedrichs Vater behalten. Es stand im nahen Altrandsberg. Friedrich machte sich bald eines Friedensbruches schuldig und fiel beim Landesfürsten in Ungnade. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert diente die Burg als Staatsgefängnis. 1633 nahmen die Schweden die Burg ein und zerstörten sie. Seitdem liegt sie in Ruinen. In dieser Burg mit ihren unterirdischen Kellern spielten wir Kinder am liebsten.

Gerne suchten wir in den Wäldern nach Pilzen, die zu Hause geputzt, geschnitten und getrocknet wurden. Im Winter bereitete unsere Mutter aus ihnen Suppen und Brühen. Eine besondere Tätigkeit war im Hochsommer das Pflücken der Heidelbeeren. Was daheim zum Einkochen nicht gebraucht wurde, durften wir verkaufen. Wir besserten damit unser Taschengeld auf, ebenso mit dem Pflücken und Verkaufen von Himbeeren. Für dieses Geld kauften wir uns Süßigkeiten; denn bei kinderreichen Familien gab es so etwas selten.

"Kirta", der Kirchweihtag

Etwas Geld brauchten wir natürlich auch bei der Kirchweihfeier im Herbst, damit wir nicht mit leeren Taschen dastanden. Der "Kirta" war ein herausragendes Fest. Musste zu Haus das ganze Jahr gespart werden, so gab es an diesem Tag Gebackenes und andere außergewöhnliche Sachen. Bei der Kirche, oben auf dem Berg, waren Tische aufgestellt, auf denen Spielsachen und Süßigkeiten zum Kauf angeboten wurden. Vor der Kirche bettelten wir bei den Eltern, Großeltern oder bei unseren größeren Geschwistern um Kleingeld, damit wir unsere kleinen Wünsche erfüllen konnten und zum Schluss wieder etwas Geld mit heimbrachten.

Nach dem Gottesdienst gingen wir an der Hand des Vaters an den Festbuden entlang. Was hatten wir für eine Freude, wenn uns Bekannte etwas schenkten. Aber größere Spielsachen, wie z.B. eine Puppe oder einen Teddybären, die unsere Kinderherzen sich sehnlichst gewünscht hätten, bekamen wir nicht. Ich kann mich erinnern, dass in meinen ersten Kinderjahren ein altes Karussell auf dem Kirchweihplatz aufgestellt war, und dass wir uns wie im siebten Himmel fühlten, wenn wir eine Runde mitfahren durften. Zum Schluss nahm uns der Vater mit ins Wirtshaus; er kaufte sich eine Halbe Bier, und wir Kinder erhielten ein "Kracherl" (Limonade). Im Kreise der Männer und Burschen gefiel es uns sehr. Wir verstanden zwar von der Unterhaltung nicht viel, aber wir durften in ihrer Mitte sitzen und das zählte. Vor dem Heimgehen kauften wir uns noch Bonbons oder Lebkuchen. Zufrieden gingen wir dann nach Hause.

Zu Hause gab es Schweinebraten mit Knödel und Kraut sowie verschiedene Salate. Das Fleisch musste die Mutter gut einteilen, damit jeder etwas bekam. Nachmittags wurden Backwerk, Kücherl, Vögerl und Striezl aufgetischt.

Unsere Mutter braute für den Kirchweihtag immer selbstgemachtes Bier. Wilder Hopfen, den man dazu braucht, wuchs an vielen Hecken in der Nähe unseres Hauses. Unsere Mutter hatte ein besonderes Rezept, und das Bier wurde immer sehr stark. Kein Wunder, dass wir manchmal einen kleinen Schwips bekamen. Oft lud uns die Großmutter zum "Kirta" ein. Die Großeltern mütterlicherseits hatten einen kleinen Bauernhof in der Nähe von Neurandsberg. Auch hier konnten wir nach Herzenslust essen, vor allem Kuchen und Gebackenes. Mir persönlich hat es am meisten geschmeckt, da ich immer schon sehr hungrig war.

Weihnachtszeit

Wir Kinder warteten auch sehnsüchtig auf den Nikolaus und auf das Christkind. "Wann kommt der Nikolaus, und wird er etwas bringen?" So fragten wir täglich die Eltern. Jeder schrieb ein Brieflein und legte es vor das Fenster. Bei einer kinderreichen Familie wie bei uns waren die Fenster mit solchen Brieflein fast vollbespickt. Meisten aber waren wir nicht brav genug, um alles zu bekommen, was wir uns gewünscht hatten, und Knecht Ruprecht erschreckte uns mit Ketten und mit seiner Rute. Im ausgelegten Teller fanden wir trotzdem etliche Plätzchen und auch ein Stückchen Schokolade.,

"Das Christkind muss uns aber besser beschenken", sagten wir. Zusätzlich erledigten wir vor den Weihnachtstagen Hausarbeiten, um am Heiligen Abend ja nicht vergessen zu werden. Unsere Wünsche waren klein: Malkasten, Schaukelpferd, Buntstifte und Plätzchen. Der Vater war ein guter Bastler und fertigte vieles selber an, z.B. Vogelhäuschen, Wägelchen, Schaukelpferde. Selbst Holzschuhe und Schlitten machte er. Wenn wir abends zu Bett gegangen waren, bastelte und schnitzte er oft noch bis Mitternacht.

Der Heilige Abend war dann ein ganz besonderer Tag. Die ganze Zeit schauten wir Kinder zum Fenster hinaus, um das Christkind zu sehen, und wir konnten es kaum erwarten, bis es finster wurde. Zuerst musste die Stallarbeit getan werden¸anschließend gab es die "Nachtsuppe"; endlich konnten wir die Teller auslegen, in denen uns das Christkind seine Gaben "einlegen" konnte.

Unser Weihnachtsbaum war nur ein schlichtes Fichtenbäumchen, aber es wurde mit viel Liebe mit Kugeln, Strohsternen und Lametta geschmückt. Der Christbaum sorgte dafür, dass weihnachtliche Stimmung im ganzen Haus zu spüren war. Im Laufe des Heiligen Abends kamen alle meine Geschwister heim, sie wollten zu Hause sein; und es wurde immer ein gemütliches Fest. Plötzlich hörte man irgerndwo ein Glöcklein läuten, und die Mutter sagte: "Jetzt kommt das Christkind". Wir Kinder, im festen Glauben, dass es das Christkind wirklich gibt, waren voller Freude. "Schnell", sagte der Vater, "wir gehen in ein anderes Zimmer, um das Christkind nicht zu stören." Die Mutter blieb in der Stube, um dem Christkind bei der Gabenbescherung zu helfen. Nach einer Weile hörten wir das feine Glöckchenklingeln wieder und durften zu den Geschenken: Plätzchen, Nüsse, Schokolade und einige Spielsachen aus Holz erfreuten dann unsere Kinderherzen.

Anschließend sangen wir Weihnachtslieder. Gemütlich saßen die Eltern und wir Kinder beisammen. Zum Schluss bedankte sich jeder für seine Gaben. Diese schlichten und einfachen Weihnachtsfeste in der Kinderzeit werde ich nie vergessen.

Ein besonderes Erlebnis hatten wir einmal an einem ersten Weihnachtstag; ich war damals acht Jahre alt. Die ganze Nacht hatte es geschneit. Morgens, als sich meine zwei älteren Brüder mit dem Vater auf den Weg zum Gottesdienst machten, hatten sie eine merkwürdige Begegnung. Gleich in der Nähe unseres Hauses lag der Hut unseres Nachbarn, und etliche Meter weiter fanden sie einen Holzschuh. Dass hier etwas nicht stimmen konnte, merkten sie gleich. Sie fanden den Nachbarn, zusammengefroren und eingeschneit. Sie verständigten sofort den Sohn des Nachbarn. Sechs Personen hoben den Verunglückten auf, der so fest gefroren war, dass er sich in der Körpermitte keinen Millimeter mehr durchbog. Dieser Mann hat sich den Tod geholt, war unser aller Meinung. Zu Hause legte man ihn ins Bett und holte den Priester. Bis dieser jedoch kam, war unser Nachbar aufgewacht und stand auf. Wie er später erzählte, war er in einem Gasthaus gewesen und beim Heimweg im Schneetreiben vom Weg abgekommen. Der Mann hat fast noch ein Jahr gelebt.

Fröhliche Wintertage in meiner Kindheit

Auch die Wintermonate waren schön. Schlittenfahren oder Schneeballschlachten mit den Nachbarskindern brachten uns oft ins Schwitzen. Besonders schön war es, wenn uns Kleinen die großen Geschwister halfen, einen Schneemann oder eine Schneeburg zu bauen. Für so eine Schneehütte benötigten wir oft zwei bis drei Tage. Oft überhörten wir die Eltern, die uns zu kleinen Hausarbeiten riefen, so beschäftigt waren wir. Diese Arbeiten, wie Brennholz zutragen, Kartoffel schälen, Zimmer aufräumen und Ähnliches waren langweilig, und wir haben sie immer schnell erledigt, damit wir wieder zu unseren Spielen kamen.

Bei schlechtem Wetter durften wir die Scheunen und Stallungen der drei benachbarten Bauernhöfe durchstöbern. War es sehr kalt oder gab es Schneetreiben, blieben wir lieber im Haus. Beim Vater in der Scheune, in der er eine Hobelbank mit viel Werkzeug hatte, war es besonders interessant. Er war Schmiedemeister und im Anfertigen von Gegenständen sehr begabt. Was im Haus benötigt wurde, Tische, Stühle oder Bänke, alles machte er selber. Oft bettelten wir ihn, dass er uns ein Vogelhäuschen oder eine Spielzeugkiste machen soll. Wir standen dann dabei und schauten ihm andächtig zu.

Viel Arbeit hatte unser Vater mit dem Holzschuhmachen. Diese Schuhe wurden daheim, in die Schule und zum Einkaufen angezogen. Für die Feld- und Stallarbeit stellte er besonders feste her. Seinerzeit war das Lederschuhwerk teuer und wurde nur an Sonn- und Festtagen getragen. Holzschuhe stellten nicht nur ärmere Leute, auch jeder Bauer stellte sie selber her. Stundenlang saß der Vater auf der "Hoazlbenk" (Schnitzbank) und schnitzte mit dem Reifmesser die Holzsohlen. Das Leder, das oben darauf kam, verwendete man oft drei oder viermal. Dies Arbeit musste im Winter gemacht werden, weil da mehr Zeit war. Zwanzig bis dreißig Paar Holzschuhe im Winter waren keine Seltenheit.

Frühling und Ostern

So verging der Winter, und wir freuten uns auf die ersten warmen Sonnenstrahlen. In Wald und Flur gab es neues Leben, das wir besichtigen mussten. Von Geburt an war ich dicker als die anderen, und es war nicht leicht für mich, überall dabei zu sein. Oft waren die Geschwister und Nachbarskinder schon weiter und schneller; doch mein Rufen "wart’s mir doch a" fand dann doch wieder Gehör.

Es nahte das Osterfest. Die überlieferten Bräuche regten unsere Kinderträume an. Wäre das schön, heute noch so fest an Dinge glauben zu können, wie in meiner Kinderzeit! Ostern war für uns Kinder nicht das Fest der Auferstehung des Herrn; wir dachten nur an den Osterhasen. Tage zuvor wurde von uns, wie wir es von anderen Kindern gesehen hatten, Moos aus dem Wald geholt, damit machten wir runde Nester im Freien. Voller Hoffnung warteten wir dann, dass uns der Osterhase etwas in die Nester legen möge. Am Ostermorgen, ehe wir ins Auferstehungsamt gingen, suchten wir nach den Ostergaben. Wenn unsere Familie auch nicht reich war, so fanden wir doch immer etwas im Nest. Manchmal halfen meine älteren Geschwister dem Hasen beim Auffüllen der Nester.

So vergingen die Jahre meiner Kindheit mit Spielen und täglichen kleinen Hausarbeiten. Stolz waren wir, wenn wir den Bauern bei der Feldarbeit helfen durften und dafür belohnt wurden. Gelegentlich fesselte uns eine Kinderkrankheit ans Bett. Wenn der Arzt bei leichteren Beschwerden nicht geholt wurde, half die Mutter fürsorglich weiter. Sie nahm sich für jedes Kind Zeit, obwohl sie viel Arbeit hatte.

In der Dorfschule

"Die Zeit mit dem Spielen und Herumlaufen geht nun zu Ende, jetzt geht es zur Schule", sagte eines Tages der Vater zu mir. Ich war neugierig; hatte ich doch von meinen älteren Geschwistern schon viel von der Schule gehört. Hoffentlich bekomme ich eine brave Lehrerin, dachte ich; Schulfreunde aus meinem Dorf Kellburg wären auch nicht schlecht, damit der weite Schulweg nach Rattenberg unterhaltsamer werden würde.

Schulranzen, Schreibtafel und Griffel bekamen wir Kleinen jeweils von den älteren Geschwistern. Schultüten, gefüllt mit Süßigkeiten oder Spielsachen, kannten wir nicht. Mit einem Butterbrot und einem Apfel waren wir vollauf zufrieden. Etwas schüchtern schritt ich am ersten Tag an der Hand der Mutter zur Schule. Acht Jahre lang hatten wir Kinder aus Kellburg - auch bei sengender Sonne und im Regen - vier Kilometer zur Schule nach Rattenberg zu gehen. Im Frühjahr und Herbst legten wir den Weg in Holzschuhen zurück. Sobald es jedoch warm genug war, nahmen wir die Holzschuhe in die Hand. Barfuß ging es dann über Stock und Stein. Gummistiefel bekamen wir erst im Winter, wenn der Schnee sehr hoch lag.

Da früher auf dem Lande die kirchliche Autorität höher stand als heute, ging man vor dem Schulunterricht zur Kirche; auch in unserer Familie war das selbstverständlich. Deshalb mussten wir uns eine Stunde früher auf den Schulweg machen.

Viel gäbe es über die ersten Jahre der Schulzeit zu erzählen. Einmal machten wir in der zweiten Klasse eine Schlittenfahrt. Da ich selber keinen Schlitten hatte, durfte ich mit einem Schulkameraden mitfahren. Er saß hinten und ich vorne. Als der Abhang sehr steil wurde, konnten wir nicht mehr lenken und wir landeten an einem Baum. Die Sache wäre nicht so schlimm gewesen, hätte nur nicht ein abstehender Ast einen meiner vorderen Zähne mitgenommen.

Unvergesslich bleibt mir eine Unterrichtsstunde in der zweiten Klasse. "Bevor ihr Buchstabe für Buchstabe aneinanderreiht", sagte das Fräulein, "zieht ihr auf eurer Schiefertafel erst Linien für zwei oder drei Zeilen. Dann könnt ihr euch kurz ausruhen. Anschließend zieht ihr die restlichen Linien." Ich zog fünf Linien, setzte etwas aus und wollte gerade die restlichen Linien ziehen, als dies die Lehrerin sah. Da bekam ich Schläge mit dem Stock. Es entsprach ihrer Erziehungsmethode.

Eine kurze Geschichte ist ebenfalls erzählenswert. Bevor Schulschluss war und die Lehrzeit begann, unternahm die Klasse noch eine weite Wanderung. Ziel war der Höllensteinsee bei Viechtach. Durch Wälder, über Berg und Tal wurde marschiert. Am Ziel angekommen, wurde ausgiebig gerastet und Brotzeit gemacht. Wir Buben entdeckten am Ufer und im Wasser junge Damen, von denen einige Bikinis trugen. Besonders dies erweckte unser Interesse. Als der Lehrer das merkte, sagte er:" Seht nicht hin, Buben, die haben zu wenig Stoff an!"

Ein anderes Beispiel aus der sechsten Klasse habe ich ebenfalls noch in guter Erinnerung. Beim Religionsunterricht mussten wir die Geschichte vom "Verlorenen Sohn" lernen. Wir Kerscherbuben hatten das schnell gelernt. Beim nächsten Religionsunterricht fehlte der Pfarrer und unser Lehrer verlangte, wir sollten die Geschichte vortragen. Ich meldete mich als erster und sagte das Verlangte auf. Zum Schluss endete ich mit dem richtigen Satz, wie er in der Bibel steht: "Der verlorene Sohn kehrte heim, der Vater umarmte ihn und weinte bitterlich vor Freude!" Der Lehrer lobte mich. "Aber der letzte Satz stimmt nicht", sagte er. "Entweder man freut sich und lacht oder man trauert und weint." Ich glaube, dass dieser Mann den Sinn des Gleichnisses und des Lebens nicht verstanden hat. Er hatte sicherlich noch kein größeres Unglück erlebt, das zum Schluss noch glücklich ausgegangen ist, so dass er vor Freude weinen musste.

Die Firmung

Gut erinnern kann ich mich an die Heilige Erstkommunion; aber die Firmung war ein weit schöneres Erlebnis. Die Eltern suchten schon Monate vor dem Fest, wie das früher der Brauch war, einen Firmpaten. Mein Firmpate war ein Cousin meiner Mutter, ein Kleinbauer. Die Firmung war in Konzell, zehn Kilometer entfernt. Mein zwei Jahre jüngerer Bruder hatte ebenfalls Firmung. Um die weite Wegstrecke nicht zu Fuß gehen zu müssen, nahm der Pate meines Bruders seinen Traktor. Mein Pate und ich durften uns hinten auf die Ackerschiene stellen. Durchgebeutelt und voller Staub kamen wir schließlich in Konzell an. Das Gebetbuch ist mir durch das viele Schütteln aus der Hand gefallen und hätte vor dem Gottesdienst dringend einer Reinigung bedurft. Die Messe war sehr feierlich, und die obligatorische Ohrfeige des Priesters fiel nicht so schlimm aus wie befürchtet. Anschließend begaben wir uns in ein Wirtshaus zum Mittagessen. Welche Freude hatte ich da, selber bestimmen zu dürfen, was ich essen wollte. Erst am Nachmittag ging ich mit meinem Paten, genannt wurde er der "Weiherbauer", nach Hause. Seine Frau wartete schon mit Kuchen und Backwerk auf mich. Zum Schluss bekam ich von meinem Paten noch eine Firmuhr, eine Torte und kleinere Sachen. Mit einem herzlichen "Vergelt’s Gott" für alle Geschenke verabschiedete ich mich am späten Nachmittag. Auf dem halben Heimweg traf ich meinen Bruder wieder. Genau besichtigten wir sofort, was jeder bekommen hatte. Solche Erlebnisse der Kindheit bleiben einem unvergessen.

Im Kloster Schweiklberg

Während der letzten Monate in der Volksschule mussten wir uns entscheiden, welchen Lebensweg man einschlagen und welchen Beruf man erlernen sollte. Unser Vater war der Ansicht, dass jedes Kind einen Beruf erlernen soll. Ich entschloss mich, Gärtner zu werden - und zwar im Kloster Schweiklberg. In dem dazugehörigen Lehrlingsseminar konnten alle möglichen Berufe erlernt werden, vom Buchdrucker bis zum Maurer und Zimmermann, Bäcker, Metzger und Gärtner. Das Kloster und die Unterkunftsstätte sagten mir zu, obwohl es 80 Kilometer von daheim entfernt war. Mit dem Zug konnte man es über Straubing, Plattling und Vilshofen erreichen.

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"Ora et labora"

Bevor ich über meine Lehrzeit als Obstgärtner erzähle, möchte ich ein wenig über das arbeitsreiche Leben im Kloster berichten. Fast jeder Mensch sieht ein Kloster - außen und innen - mit anderen Augen. Dort wird nicht nur, wie manche meinen, gebetet. Nein, der Ordensspruch unseres Klosters lautete nach dem heiligen Benedikt "ORA ET LABORA", zu deutsch "Bete und arbeite"! Jeder hatte seine Arbeit, egal, ob in Verwaltung oder im Betrieb. Die Organisation war so, dass von außen keine fremde Hilfe benötigt wurde. Die Lebensmittelbetriebe des Klosters mit ihren Metzgern, Bäckern oder Gärtnern sorgten für das leibliche Wohl; die Verwaltung sorgte für den geregelten Ablauf.

Zum Kloster Schweiklberg gehörte auch ein Priesterseminar mit hundert und mehr Studenten. Die Lehrer waren nur Patres aus dem Orden. Angegliedert war außerdem ein Exerzitienhaus, in dem nicht nur die Klostermönche Stille suchten; auch Seminare und Tagungen für das ganze Bistum wurden hier abgehalten.

Nicht vergessen werden darf das Schwesternheim, in dem die Ordensfrauen lebten. Ihre Arbeit bestand vor allem im Kochen für alle Klosterbewohner. Ihre Aufgabe war es auch, die Räume zu reinigen und die Wäsche zu pflegen. Jedes Kleidungsstück hatte seine eigene Nummer, um das Sortieren zu vereinfachen.

Die Aufgabe des Kloster - Lehrlingsheimes

Der Präfekt von uns Lehrlingen hatte den Auftrag, aus uns zunächst tüchtige Männer zu machen, die sich nach der Lehrzeit vielleicht für ein Bleiben im Kloster und später für die Mission entschieden. Da wir Lehrlinge das ganze Jahr im Kloster zu bleiben hatten und nur kurz in den Urlaub heimfahren durften, sollte unsere Entscheidung für das Klosterleben früh gefördert werden.

Der Tagesablauf und die Hausordnung im Lehrlingsheim

Nach dem Frühsport und der Morgentoilette hatten wir Lehrlinge sofort Ordnung im Schlafsaal zu schaffen, die Betten kräftig durchzuschütteln und säuberlich zusammenzurichten.

Das Saubermachen im Lehrlingsheim erledigten nicht die Nonnen sondern wir Lehrlinge selber. Der Präfekt teilte dazu jeweils zwei ein, die jeden Monat gewechselt wurden. Viel Wert wurde auf die persönliche Ordnung gelegt, Kleidung und Wäsche mussten im Kleiderschrank ordentllich gestapelt sein; sauber geputzt mussten auch die Schuhe sein.

Sehr strenge Regeln gab es im Speiseraum. Jede Woche wurden drei andere Lehrlinge bestimmt, die das Essen zutragen mussten. In zwanzig Minuten musste für ca. 30 Lehrlinge das Essen aus der Klosterküche geholt und das Besteck ordnungsgemäß vorgelegt werden. Außerdem mussten die drei, die den Wochendienst im Speisensaal hatten, die übrigen bedienen, leere Schüsseln abtragen, das Hauptgericht servieren, anschließend das Geschirr spülen, aufräumen und den Speisesaal reinigen. Jeder war froh, wenn diese Woche vorbei war.

Kurzweil auch ohne Fernsehen

Während dieser Tischdienerzeiten passierten auch immer wieder Dinge, über die man noch Jahre danach lachen konnte. Einmal war ich mit zwei Freunden als Tischdiener eingeteilt. An einem Freitag gab es Dampfnudeln mit Vanillesoße. Gemeinsam trugen wir die Nudeln und die Soße in den Speisesaal. Der Präfekt begann schon das Tischgebet sprechen, als ich die letzte Schüssel mit Nudeln durch die Tür tragen wollte. Mir fiel eine Nudel herunter. Mein Kamerad hatte es nicht gesehen und schlug die Tür zu. Ich wollte die Tür wieder öffnen. "Lass zu, wir müssen doch beten", sagte der andere. Ich jedoch wollte nach der Nudel greifen, die eingeklemmt war und machte die Speisesaaltür wieder auf. Bei diesem Hin - und Herziehen wurde der Präfekt auf uns aufmerksam und sah selber nach. Als er die zerquetschte Nudel sah, musste er lachen und aß sie nachher am Tisch selber auf.

Ähnliche Dinge passierten öfter, und wir Burschen trieben damit unsere Späße. Fernsehen und Rundfunk, Dinge, die heute kaum mehr wegzudenken sind, mussten nicht sein.

So mancher Bubenstreich wurde von uns Burschen ausgeheckt. Da ich eher schüchtern und ängstlich war, spielten mir die anderen gerne einen Streich. Am 5. Dezember kam abends der Sankt Nikolaus mit Knecht Ruprecht. In Versform trug der Heilige die Anliegen und Bosheiten der Lehrlinge vor. Mir überreichte Knecht Ruprecht eine Feuerwehrsirene, die mit einer Handkurbel versehen war; damit sollte ich die Geister verscheuchen, die in den dunklen Obstkellern hausten. Damals ahnte ich noch nicht, dass die Feuerwehr später mein erstes Hobby werden würde.

Kameradschaft, Wanderungen und Fahrten

Waren auch die Zeiten ärmer als heute, und konnte man sich nicht vieles leisten, so war doch der Kameradschaftsgeist groß. Einer half dem anderen, und abends saßen wir in geselliger Runde beisammen. Lange Wanderungen wurden gemacht, Jugend - und Heimatlieder gesungen. Dabei wurden Freundschaften geschlossen, die bis heute noch bestehen. Witze und Geschichten erzählte man sich. Wir Burschen waren ja fast alle aus Bayern. Nur einige Österreicher waren unter uns.

Öfters kamen wir bei den Wanderungen zum nahen Kloster Aldersbach. Uns ging es dabei nicht nur um den guten Gerstensaft, der dort gebraut wurde, sondern wir besichtigten auch das Kloster. Die Sagen um die Klosterkapelle interessierten uns ebenfalls. Der Teufel soll hier einmal wegen eines unerfüllten Wunsches so heftig gegen die Mauer geschlagen haben, dass man heute noch den Eindruck sieht.

Wenn wir Burschen auch die meiste Zeit arbeiten mussten, so ergab es sich doch manchmal, dass wir mit Bussen, mit der Bundesbahn und gelegentlich mit einem Schiff Gruppenreisen unternehmen durften, z. B. ins Gebirge oder an die Seen. Historische Bauten interessierten uns dabei besonders.

Unvergessen aus der Lehrlingszeit ist mir heute noch der Tag, an dem wir mit der Eisenbahn zu den Passionsspielen nach Erl in Tirol fahren durften. Begeistert hat uns zum einen die Bahnfahrt und natürlich das ergreifende Passionsspiel. Die Szenen, von gewöhnlichen Bauern und Handwerkern gespielt, waren beeindruckend.

Vorträge der Missionare aus fremden Erdteilen

Manchmal wurde unser Kloster von Missionaren besucht, die in Afrika arbeiteten. Ihre Vorträge über ferne Länder fesselten uns Burschen besonders. Oft baten wir die afrikanischen Klosterbrüder, die nach Schweiklberg kamen, uns auch von afrikanischen Tänzen und Gesängen zu berichten. Ebenso interessant waren die mitgebrachten Gegenstände und Werkzeuge aus dem schwarzen Kontinent. Das Fremdartige an Sprache und Brauchtum weckte in uns den Wunsch, später in Afrika zu arbeiten. Durch diese Vorträge der Missionare und Klosterobern, deren Hauptziel es ja war, junge Patres oder Klosterbrüder in die Mission zu entsenden, wurde uns das Leben in Afrika schmackhaft gemacht. In jenem Kontinent wollte auch ich einmal tätig sein. Zuerst musste sich aber der zukünftige Missionar intensiv auf seine Aufgabe vorbereiten. Aber nicht nur in Afrika, in der ganzen weiten Welt hätte ich sofort für meine Kirche gearbeitet.

"Lern erst die Schönheit deiner Heimat kennen!"

"Man soll den Boden nicht unter den Füßen verlieren", sagte mein Lehrmeister zu mir, als ich von Afrika und anderen fremden Ländern schwärmte. Was er mir damals nahelegte, möchte ich auch an meine Leser weitergeben.

Lerne zuerst deine nähere Heimat kennen! Es gibt soviel Schönes, verschwiegene Waldwege, Bäche und Flüsse, an denen wir Menschen meist achtlos vorbeigehen. Freu dich zum Beispiel an der Natur im Frühjahr und im Herbst. Wie wunderbar sind doch im Frühling die ersten Blumen und Gräser. Käfer und Insekten werden wach, und die Vögel zwitschern ihr Morgenlied und beginnen mit dem Nestbau für ihre Jungen. Das Tierreich im Wald hat seinen besonderen Reiz, wenn sich die scheuen Rehe zwischen den Bäumen tummeln, oder später, wenn sie mit den jungen Rehkitzen umhergehen. Eine Augenweide für den stillen Beobachter sind auch die Hasen, die blitzschnell in Wald, Wiese und Feld herumhuschen. Bei beginnender Dämmerung kann man auch manchmal einen Fuchs oder gar einen Dachs sehen, wenn sie auf Futtersuche gehen.

Beim Wandern entlang eines naturbelassenen Baches merkt man besonders die Schönheiten der Natur. Forellen, Hechte und dergleichen können wir in klaren Gewässern beobachten, und Schmetterlinge und Libellen fühlen sich auf verschiedenen Gräsern wohl. Sind die scheuen Biber auch nicht direkt zu sehen, so merkt man doch an ihren Nestern, dass sie sich heimisch fühlen.

Ich befolgte bis heute die Worte meines Lehrers aus dem Zisterzienserkloster Schweiklberg, und diese stille Betrachtung der Schöpfung macht mich immer noch glücklich.

Feierliche Messen, kirchliche Feste und Gebete

Der Sinn der Lehrzeit war nebenbei, das klösterliche Leben kennenzulernen. Der allmorgendliche Gottesdienst war Pflicht. Wir Burschen mussten dabei ministrieren. Das zu erlernen, war gar nicht so einfach. Das Leichteste war das Lernen der Handreichungen, die Gebete jedoch mussten in lateinischer Sprache gesprochen werden; aber mit der Zeit gelang auch dies.

An Sonntagen waren die Messen im Kloster besonders feierlich. Das Kirchenschiff war schon längst mit Gottesdienstbesuchern gefüllt, wenn die Messfeier begann. In einem langen Zug, in Messgewänder gehüllt, wurde von der Sakristei zum Altar geschritten, voraus sechs Kerzenträger, gefolgt von vier Ministranten. Anschließend kam der Priester mit den Klerikern. Die Patres, die im Kirchenchor sangen, gingen in Messgewändern, es folgte der Vater Abt mit seinem Stellvertreter, der Prior und Subprior, dann kamen alle Patres und Klosterbrüder, die in den Stühlen links und rechts vom Altar Platz nahmen.

Nach der Messe mussten die Ministranten die Gewänder wieder in die Schränke hängen und Ordnung schaffen. Sonntag Nachmittag war eine Vesperandacht. Auch daran hatten wir Ministranten teilzunehmen. Am Abend vor dem Zubettgehen besuchte man noch einmal die Klosterkapelle und bedankte sich mit einem kurzen Gebet für die Gesundheit und das Tagwerk. Es gab viele Dinge, die wir mit dem Herrgott besprechen konnten, z.B. im Gebet für Eltern und Geschwister. Wichtig war außerdem die Bitte um Erfolg im späteren Beruf.

Großer Wert wurde auf das Tischgebet gelegt, das vor und nach dem Essen gesprochen wurde. Wir Burschen haben damals den Sinn eines Mittagsgebetes kaum verstanden. Wenn wir aber heute als Familienväter täglich mit unseren Angehörigen am reichlich gedeckten Tisch speisen können, verstehen wir, was mit der Bitte "unser tägliches Brot gib uns heute" gemeint ist.

Ich erinnere mich gerne an die besonderen Feste, die im Kloster Schweiklberg gefeiert wurden, an Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Auch das Hauptfest des Ordenspatrons, des hl. Benedikt, wurde groß gefeiert. An diesen Festtagen nahmen ein Bischof oder ein Abt aus den umliegenden Klöstern teil oder Missionare, die gerade Urlaub hatten.

Lebenslänglich hinter Klostermauern?

Allmählich mussten wir Burschen uns entscheiden, was wir nach Ablauf der Lehrzeit machen wollten. Es bedurfte da schon einer reiflichen Überlegung; denn die Entscheidung galt für das ganze Leben. Das Leben eines Ordensmannes, der nach Afrika in die Mission entsandt wird, reizte mich wohl. Hielt dieser Reiz jedoch für das ganze Leben? Die Vor- und Nachteile musste man genau auf die Waagschale legen.

Es war früher ein vielgeübter Brauch, dass aus kinderreichen Familien ein Junge oder ein Mädchen ins Kloster geschickt wurde. Die dortigen Lehrlingsseminare sollten die Möglichkeit bieten, zunächst Klosterluft zu schnuppern. Hat sich ein Klosterschüler nach den ersten drei Jahren Lehrzeit für den Ordensberuf entschieden, wurde er in die Klostergemeinschaft aufgenommen.

Beim Eintritt ins Kloster bekommt man dann einen anderen Namen. Dies ist das Zeichen, dass man das eigene Ich ablegt und die Vorschriften des Klosters achtet und befolgt. Nach einem Probejahr legt man die zeitliche Profess ab. Auch jetzt hat man nochmal zwei Jahre Zeit, zu forschen, ob man als Ordensmann und Klosterbruder die ewigen Gelübde ablegen will.

Genau betrachtet, hat das Leben hinter Klostermauern viele Vorzüge im Vergleich zum bürgerlichen Leben: Man ist in seinem Beruf beschäftigt, ist versichert bei Unfällen, und um die Altersversorgung braucht man sich ebenfalls keine Gedanken zu machen. Jeder Klosterbruder hat sein eigenes Zimmer, die Wäsche wird vom Kloster gereinigt, für Speis und Trank wird gesorgt. Auch Freizeit und Urlaub gibt es im Kloster. Es sind eigentlich nur der absolute Gehorsam, das Gebet und Ehelosigkeit, mit denen sich derjenige abfinden muss, der in ein Kloster eintreten will.

Als junger Bursche sieht man nur die Enge hinter den Klostermauern. Erst wenn man, wie ich, das Kloster verlassen hat, spürt man, wie unerbittlich das Leben in unserer freien Gesellschaft sein kann: Wir haben uns um das tägliche Brot zu kümmern, für unsere Familie suchen wir eine Wohnung, wir benötigen verschiedene Versicherungen und schließlich brauchen wir ein Fahrzeug, um zum Arbeitsplatz zu kommen. Man bedenke ferner die Arbeitslosigkeit, die vielen Konkurse von Firmen, ganz zu schweigen von schweren Krankheiten, die manchmal den Menschen frühzeitig aus dem Arbeitsleben werfen.

Von dieser Warte aus gesehen, unterscheidet sich das Leben als Mönche im Vergleich zum bürgerlichen Leben nur noch durch den Gehorsam und die Ehelosigkeit. Aber auch außerhalb der Klostermauern muss man gehorchen, im Betrieb oder dem Vater Staat gegenüber. Es gibt überall Gesetze, die zu befolgen sind.

Als einzige Einschränkung bleibt den Mönchen nur noch das Problem der Ehelosigkeit.

Aber gibt es nicht genug Menschen, die keinen Wert auf den Ehestand legen? Oder fliehen nicht viele aus der ehelichen Enge? Wieviel Streit und Hass gibt es in mancher Ehe? So betrachtet, wünscht sich mancher, er wäre besser im Kloster geblieben oder könnte sich in eines zurückziehen. Aber des Menschen Wille ist sein Himmelreich! So war es auch bei uns Lehrlingen; die meisten von uns suchten sich wie ich außerhalb des Klosters einen Arbeitsplatz.

Meine Lehrzeit im Klostergarten

Nun will ich noch etwas über meinen Arbeitsplatz im Kloster erzählen. Eine große Gärtnerei umschloss das ganze Kloster. Fast alle Sparten der Gärtnerei wie Obstkulturen, Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzen gab es da. Angegliedert war außerdem eine Friedhofsgärtnerei. Während beim Gemüsebau über die Klostergrenzen hinaus verkauft wurde, verwendete man das Obst selber. Es gab alle Sorten von Bäumen, vom Hochstamm bis zum Spalierbaum, auch verschiedene Sträuchersorten waren vorhanden. Ein großer Rebstock rankte an einer der Klostermauern. Quittensträucher lieferten Marmelade und Gelee. Zwei große Erdbeerfelder gehörten zum Klostergut. Diese Früchte wurden vor allem für Kuchen verwendet.

In so einem Garten gab es viel Arbeit, aber auch interessante Dinge zum Lernen. Der Meister im Obstbau, Bruder Gabriel, war ein aufgeschlossener und fachlich guter Mann. Seine Erklärungen und Ausführungen waren leicht zu begreifen. Mit Hermann, einem Lehrling im 2. Lehrjahr, bildete ich bald ein gutes Gespann. Besonders im Frühjahr gab es eine Menge Arbeit, wie Schnitt der Obstgehölze, Fräsen und Jäten, Bäume gegen Läuse und Ungeziefer spritzen. Zwischendurch waren die gelagerten Obstsorten zu sortieren; dasjenige Obst, das nicht mehr schön war, wurde zur Mostverwertung verwendet. Unsere Aufgabe war es auch, Körbe, Kisten und Regale, die gebraucht wurden, selber herzustellen. Viel Arbeit war das Jäten der vielen Baumscheiben. An manchen Tagen waren es zwei- bis dreihundert Baumscheiben. Im Sommer und Herbst galt es dann, die verschiedenen Obstsorten zu ernten, je nachdem, ob es Früh- oder Spätsorten waren. Zwischendurch war mit der Unkrautspritze zu arbeiten; eine genaue Dosierung musste da schon eingehalten werden, um die Schädlinge wie Raupen und Blattläuse zu vernichten, ohne den Gewächsen zu schaden.

Zu den schönsten Arbeiten gehörte das Erdbeerpflücken, bei dem wir den Lehrlingen vom Gemüsebau zu helfen hatten. Wir aßen selber so viele Erdbeeren, dass uns nicht selten Bauchweh plagte. Auch bei der Tomatenernte und sonstigen wichtigen Arbeiten halfen wir im Gemüsegarten.

Durch das viele Arbeiten in der freien Natur und durch das Klettern in den Obstbäumen wurde mein Körper gestählt, und meine übrigen Pfunde fielen von mir ab. So schön der praktische Unterricht war, in unseren schriftlichen Arbeiten wurde wesentlich mehr verlangt. Der wöchentliche Bericht wurde vom Meister durchgesehen; in ihm mussten nicht nur die täglichen Temperaturen wie Regen, Sonnenschein oder Gewitter angegeben sein, auch die täglichen Arbeiten hatten wir genau zubeschreiben, u.a. das Herstellen von Kompost oder die Reparatur und die Reinigung einer Spritzpumpe. Das Lernen der botanischen Namen war anfangs schwer; auch im Obstgarten oder bei den Zierpflanzen kommt man ohne botanische Namen nicht aus. Hätte ein einfacher Name genügt, wäre es ja gut gewesen; so aber setzten sich die Namen aus mehreren zusammen. Manchmal hat dann eine gewöhnliche Gemüsesorte vier oder fünf Namen.

So vergingen drei Jahre Lehrzeit als Gärtnerlehrling, und die Gesellenprüfung kam auf uns zu. Wenn unser Kloster auch nur eine kleine Gärtnerei hatte, so war doch unser fachliches Wissen groß. Wir Klosterschüler brauchten keine Angst vor der Prüfung zu haben. Die Prüfung im theoretischen Teil fand nach einem einwöchigen Kurs in Regensburg, die praktische Prüfung in Straubing statt. Wenn ich auch nicht als Bester die Gesellenprüfung bestand, hatte ich doch meinen Gesellenbrief in der Tasche.

Der Vater stirbt

Während meiner Lehrzeit in der Klostergärtnerei war mein Vater öfter krank. Längere Aufenthalte in Krankenhäusern brachten ihm kaum Linderung. Eine Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg und die schwere Arbeit als Schmiedemeister machten ihm zu schaffen. Vier Wochen vor meiner Gesellenprüfung gab er sein Leben in die Hände unseres Schöpfers zurück. Der Schmerz und die Trauer waren groß. Wir alle vermissten den guten Vater sehr, der sich so um uns gekümmert hatte. Unsere Sorgen und Anliegen konnten wir ihm nicht mehr vorbringen. Besonders groß war die Trauer unserer Mutter. Sie hatte nicht nur den geliebten Mann verloren, sondern auch den Ernährer ihrer Familie. Sie beide hatten sich gut verstanden, und nun weinte sie sehr um ihn. Noch waren einige Kinder unverheiratet und zu versorgen.

Ein langer Trauerzug folgte dem Sarg des Vaters; denn er war weithin beliebt und geschätzt gewesen. Da er Mitbegründer der Freiwilligen Feuerwehr Neurandsberg und 15 Jahre lang deren 1. Kommandant war, gab ihm diese das Ehrengeleit. Außerdem war er Gründer des Burschenvereins Rattenberg und lange Zeit dessen 1. Vorsitzender. Viele Jahre gehörte er auch dem Kriegerverein an. Ergreifend waren das Requiem und die Traueransprache des Herrn Pfarrers. Auch die Vereinsvorstände bedauerten in ihren Grabreden den Abschied ihres Kameraden. Aber was half das alles, wir hatten keinen Vater mehr. Die Mutter war verzweifelt; wer kümmert sich nun um Haus, Hof und Familie?

Zu Hause an Vaters Stelle und der Ausbau des Elternhauses

Da ich die Lehrzeit gerade beendet hatte, versprach ich, zu Hause zu bleiben, um für die Mutter und meine Geschwister zu sorgen.

In der Nähe meines Heimatdorfes befand sich aber keine größere Gärtnerei. So konnte ich daheim den Gärtnerberuf nicht ausüben. Ich arbeitete deshalb im Baugewerbe und bei einer nahegelegenen Papierfabrik, denn ich musste ja abends für meine Mutter und Geschwister zu Hause sein.

Gleichzeitig begann ich das Elternhaus zu renovieren.

Die jetzige Jugend weiß es wohl nicht mehr, wie früher die Waldlerhäuser gebaut waren. Im Erdgeschoß befanden sich eine Stube, daneben eine Kammer, eine "Fletz"(Flur) oder eine kleine Werkstatt. Im ersten Stock war dann Kammer an Kammer, wo die Betten der Kinder untergebracht waren. Auf dem Dachboden standen einige Schränke und Truhen, um darinnen die Kleidung aufzubewahren. Steile Holztreppen verbanden die Stockwerke. Die Außenwände waren oftmals feucht, weil die meisten Häuser nicht unterkellert waren. Deshalb waren auch die Möbel voller Schimmel, ebenso die Holzfußböden. Das Erdgeschoß war meist gemauert, das obere Stockwerk aus Holz gezimmert. Geschnittene oder geschlagene Balken waren übereinander mit Holzzargen befestigt. Die Fenster waren klein. Im Winter wurden sie noch mit zusätzlichen "Winterfenstern" versehen, um die größte Kälte abzuhalten. In diesen Häusern gab es kein Bad und kein WC, Dinge, die heute selbstverständlich sind. Anstelle des Bades benutzte man an den Samstagen einen Holzzuber, der in die Stube oder Küche gestellt und mit warmem Wasser gefüllt wurde. Darin badeten dann nacheinander alle Familienmitglieder. Als WC diente ein Häuschen, das seitlich vom Haus aufgestellt war; verschönt war es meist mit einem "Herzchenloch". Wenn man im Sommer das "Häusl" aufsuchte, war es nicht schlimm, dafür aber im Winter. Bei Kälte, Eis und Schnee, oft noch bei Nacht, war es schon unbequem, sich dort aufhalten zu müssen. Bei einem Schneesturm war das Häuschen meistens auch noch innen voll Schnee.

Deshalb richtete ich als Erstes in meinem Elternhaus ein Bad mit WC ein. Dazu wurde die alte Schusterwerkstatt umgebaut, in der früher einer meiner Brüder gearbeitet hatte.

Schwierig waren beim Renovieren die Grabungsarbeiten im Hausflur und in der "Gred". Dies wurde alles mit der Hand gemacht. Auch den Sammelbrunnen, der mit Brunnenringen versehen wurde, habe ich aus Sparsamkeitsgründen mit der Hand gegraben. Viele Steine erschwerten beim Ausschachten die Arbeiten. Auch die übrigen Renovierungen für die Küche und das Wohnzimmer waren viel Arbeit. Besondere Mühe verwandte ich auf die Trockenlegung der Außenmauern.

Diese Umbauarbeiten dauerten natürlich lange. Ich hatte ja nur an den Wochenenden frei und zwischendurch musste ich der Mutter bei den Hausarbeiten helfen. Seit dem frühen Tod des Vaters war sie auch nicht mehr recht gesund. An den Wochenenden brachten die jüngeren Geschwister ihre Arbeitswäsche nach Hause, und wenn sechs oder sieben um den Tisch sitzen, macht auch das Kochen eine Menge Arbeit. Von meiner Mutter habe ich mir das Kochen zeigen lassen, und mit der Zeit konnte ich es. Besonders die bayerischen Gerichte koche ich gerne.

Wie praktisch es ist, wenn man als Mann den Haushalt versorgen kann, merkte ich später.

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Für die Familie an Mutters Stelle

Drei Jahre nach dem Tod des Vaters wurde auch die Mutter sehr krank, sodass sie lange Zeit in einer Münchner Klinik verbringen musste. Es war gut, dass ich die Hausarbeit bereits beherrschte.

Schlimm waren die letzten vier Monate, ehe die Mutter starb. Das Krankenhaus teilte mit, dass unsere Mutter nicht mehr zu heilen sei. Unsere Mutter wollte nicht mehr ins Krankenhaus, sie wollte zu Hause sterben. Mit den Geschwistern wechselte ich mich mit der Pflege ab. Bei Tag hatte ich in der Firma zu arbeiten, und nachts hielt ich bei der todkranken Mutter Wache. Erschwert wurde unsere Fürsorge auch dadurch, dass niemand in der Nähe ein Telefon hatte, mit dem wir einen Arzt erreichen hätten können. Noch schwieriger wurde es, als es Eis und Schnee gab.

Kurz nach Weihnachten, im Alter von 62 Jahren, schloß die Mutter ihre Augen für immer. - Mein kleiner Bruder war zwanzig, ich zweiundzwanzig Jahre alt. Groß war die Trauer auch deswegen., weil wir doch erst vor vier Jahren den Vater verloren hatten. Wenn man so liebe Eltern schon in der Jugend verliert, glaubt man, es ginge nicht mehr weiter. Aber das Leben geht weiter.

Brautschau und Hochzeit

Der Gedanke an eine ernsthafte Brautschau wäre nie so früh gekommen; nachdem ich jedoch nach dem Tode meiner Eltern allein war, überlegte ich, wie es zu Haus weitergehen sollte. Ich kannte wohl vom Tanzen verschiedene Mädchen. Aber welche passt zu mir, welche habe ich wirklich lieb? Erwähnen möchte ich, dass ich zu dieser Zeit noch keinen Führerschein hatte. So war es mit der Brautschau nicht leicht. Außerdem hatte ich im Haushalt die Arbeit zu erledigen. Welches heiratsfähige Mädchen hat dafür Verständnis, dass meine Geschwister am Wochenende versorgt sein wollten. Wer ging schon gerne in einen einsamen Weiler, noch dazu, wenn das Haus alt war und renoviert werden musste.

Schon damals träumten die jungen Mädchen von Reisen, eleganten Autos, neuen Häusern usw. Solchen Luxus konnte ich nicht bieten. Ich ließ aber den Kopf nicht hängen.

Mit meinen Geschwistern fuhr ich samstags zum Tanzen. Schulkameraden und Freunde holten mich oft ab zu Volksfesten und dergleichen. Meines Humors und der Geselligkeit wegen war ich beliebt. Viel los war beim Schützenverein Neurandsberg. Bei dem war ich Mitglied und lange Zeit Fahnenträger. Mit der Zeit wird sich schon eine Frau für mich finden, dachte ich. Umschau hielt ich auch in meinem Betrieb. Da arbeiteten viele Mädchen. Aus einem Zeitungsinserat fand ich dann eine Ehesuchende. Leider wohnte sie weit weg, und ich musste mit der Bahn zu ihr fahren, wenn ich sie sehen wollte. Mein Haus sagte ihr zu, und auch mit einer Heirat war sie einverstanden. Aber ich trieb bei Veranstaltungen oft Späße mit anderen Mädchen. Dies bekam sie zu Ohren, und aus war’s mit der Freundschaft. Bald lernte ich eine andere kennen, sie aber hatte nach einem halben Jahr einen anderen Mann im Kopf; also machte ich Schluss.

Die Suche ging weiter. Bei einer Tanzveranstaltung lernte ich ein neues Mädchen kennen, mit dem ich mich gut verstand. Es wohnte etwa zehn Kilometer Fußmarsch von mir entfernt auf einem kleinen, abgelegenen Bauernhof. Als unsere gegenseitige Zuneigung immer stärker wurde, machte ich mich an einem strengen Wintertag auf den Weg zu meiner Auserwählten. Ich war überglücklich, als ich trotz Schneetreibens den einsam gelegenen Bauernhof fand und meine Freundin in die Arme nehmen konnte. Sie war es dann, die meine Ehefrau wurde.

Im Oktober 1969 gab ich dann Lieselotte, meiner zukünftigen Gattin, das Jawort. Es war eine große Hochzeit, mit 140 geladenen Gästen. Die Trauung in der Pfarrkirche in Rattenbertg war sehr feierlich. Der Priester sprach über Sinn und Zweck einer Ehe. Ein Mensch, der in jugendlicher Leidenschaft eine Ehe eingehen wolle, solle sich vor diesem Schritt erst gründlich prüfen, ob er fähig ist, sich ein Leben lang zu binden. Es sollte nicht so sein, wie Friedrich Schiller schrieb:"Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang."

Bei unserer Hochzeit gab es einen Ehrenvater und eine Ehrenmutter, einen Brautführer und eine Kranzljungfrau; aber besonders wichtig war der Hochzeitslader, woanders auch Progader genannt. Nach dem Brautstehlen und den Ehrentänzen folgte der große Tanz. Um 24 Uhr fuhren wir heim, und obwohl ich sehr müde war, trug ich meine Frau nach altem Brauch über die Hausschwelle.

Meine Geschwister, an die sich meine Frau erst gewöhnen musste, kamen weiterhin an den Sonntagen nach Hause, und zwar diejenigen, die nicht verheiratet waren. Wenn auch die Eltern nicht mehr lebten, wir Kinder hielten eisern zusammen. Auch die verheirateten Geschwister kamen oft zu Besuch. Eimal im Jahr wurde eine Familienfeier gehalten.

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In Vereinen aktiv

Nachdem ich mir ein liebes Frauchen ins Haus geholt hatte, war das Leben für mich wieder schöner. Die Arbeit im Haushalt wurde aufgeteilt; so hatte jeder etwas von seiner Freizeit. Ich träumte schon lange von aktiver Arbeit in einem Verein. Bisher hatte ich dafür zu wenig Zeit. Ich war zwar beim Schützenverein Schriftführer, doch mich drängte es, mehr für meinen Heimatort zu tun. War doch mein Vater auch in mehreren Vereinen aktiv gewesen.

In der Freiwilligen Feuerwehr fand ich eine Lebensaufgabe

Schließlich wurde ich als Mitglied in die Freiwillige Feuerwehr Neurandsberg aufgenommen. Die ersten Übungen und die Arbeit mit Schlauch und Stahlrohr waren mir ungewohnt. Wir hatten damals eine Tragkraftspritze mit Anhänger, die bei Einsätzen mit dem Traktor gefahren werden musste. Nach meiner ersten Leistungsprüfung trug ich stolz das Abzeichen "Bronze" an der Uniformjacke. Nach dreijähriger Mitgliedszeit wurde ich zum Vereinsdiener gewählt. Ich hatte den Beitrag zu kassieren und an Verwaltungsratssitzungen der Feuerwehr teilzunehmen. Auch war ich Fahnenjunker.

Wir Feuerwehrleute gründeten außerdem einen Stammtisch. Aus dem Erlös von Veranstaltungen wurde am Vatertag gewandert. Den ersten Ausflug habe ich noch gut in Erinnerung. An einen alten Traktor wurde ein Anhänger angekoppelt, auf dem Biertische aufgestellt waren. Und los gings! Bei den alten Kies - und Sandstraßen mit den vielen Schlaglöchern war eine gemütliche Fahrt nicht möglich. Trotzdem spielte ich auf meiner Ziehharmonika, und wir sangen lustige Lieder. Fünf Gasthäuser steuerten wir damals an und kamen am Abend natürlich benebelt heim.

Da ich immer schon gerne Späße machte, wurde ich bald zum 1. Vorsitzenden des Stammtisches der Freiwilligen Feuerwehr gewählt. Damit wieder Geld in unsere Stammtisch-Kasse kam, veranstaltete ich eine Versteigerung, zu der die Preise gestiftet wurden. Die nächsten Ausflüge machten wir dann mit dem Bus und kamen in Deutschland und in Österrreich weit umher. Bei den Fahrten machte ich den Reiseleiter, und Witze, alte Geschichten und fröhliche Lieder wechselten sich ab; meine selbstverfassten Verse und Gedichte gefielen den Leuten ganz besonders.

Acht Jahre war ich Stammtisch - Vorstand. Aber dann wurde ich bei der Feuerwehr an die erste Stelle gewählt und musste meinen Vorsitz am Stammtisch aufgeben.

Der bisherige Kommandant hatte seinen Posten abgegeben. Die Arbeit war ihm zuviel geworden, und man wählte mich in dieses verantwortungsvolle Amt. Nun hatte ich auch den aktiven Feuerwehrdienst zu übernehmen. Zweimal besuchte ich die Freiwilligen - Feuerwehr - Schule von Regensburg, um das nötige Wissen zu erlernen. Mit der Zeit wurde das bisherige Löschauto alt und nicht mehr renovierungswert; wir stellten daher einen Antrag auf ein neues. Mit Zuschüssen der Brandversicherung, des Landratsamtes und der Gemeinde sowie mit einem großen Betrag aus der Vereinskasse konnte ein neues Löschfahrzeug angeschafft werden. Die kirchliche Segnung wurde zu einem schönen Fest. Es war verbunden mit Ehrungen langjähriger Mitglieder.

Ein neues Gerätehaus wurde fast in Eigeninitiative errichtet. Aus einer Zeitschrift der Freiwilligen Feuerwehr erfuhren wir, dass in der Nähe von Lindau am Bodensee ein alter Borgward Löschfahrzeug 8 (LF 8) zu kaufen wäre. Acht Mitglieder des Verwaltungsrates unserer Freiwilligen Feuerwehr fuhren zur Besichtigung hin. Der Kaufpreis stimmte, und so erstanden wir das Fahrzeug.

Nun gingen wir an das Erstellen einer neuen Vereinschronik. Es war eine Heidenarbeit, bei alten Kameraden die Geschichte der Freiwilligen Feuerwehr Neurandsberg zu erforschen. Im Laufe eines Jahres brachten wir viele alte Bilder zusammen, die heute sehr wertvoll sind und fertigten daraus eine interessante Chronik.

Nach 15 Jahren musste ich das Amt des 1. Vorsitzenden unserer Feuerwehr niederlegen. Ich war nicht amtsmüde; meine Krankheit, die ich noch näher beschreiben werden, machte mir zu schaffen. Ein längerer Kuraufenthalt, den ich antreten sollte, war auch ein Anlass meiner Kündigung. Um den Kuraufenthalt vorzubereiten, war noch vieles zu erledigen; Arztbesuche standen z.B. auf dem Programm.

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Meine Verabschiedung bei der Feuerwehr

Während dieser Vorbereitungen besuchte mich eines Tages der neue Vorstand der Feuerwehr, Herr Bergbauer, und überreichte mir ein Schreiben. Es war eine Einladung zu einer Abschiedsfeier, zu der ich mit meiner Frau ins Vereinslokal bestellt war. Außer dem neuen Kommandanten würde auch der Bürgermeister der Gemeinde Rattenberg, Herr Reinhard Schwarz, teilnehmen. Ich hatte mit ihm viele Jahre im Gemeinderat zusammengearbeitet.

Nach einem ausgezeichneten Essen würdigte der Vorstand, Herr Wolfgang Bergbauer, in einer Laudatio meine Verdienste als Kommandant. Schon mein Vater, sagte er, sei Mitbegründer und zugleich 17 Jahre lang 1. Kommandant der Neurandsberger Feuerwehr gewesen. Ich sei in dessen Fußstapfen getreten und sei ein Mann der Tatkraft gewesen. Um alles aufzuzählen, wobei ich mitgewirkt hätte, reiche kaum die Zeit, merkte er an; einiges sollte aber hervorgehoben werden: Die Anschaffung eines neuen Löschfahrzeuges mit Pumpe und Geräten, der Einbau von Sprechfunk in das Auto, die Renovierung der Vereinsfahne, das Aufstellen eines Gedenksteines für die verstorbenen Kameraden; nicht vergessen werden dürften die Leistungsprüfungen. Besonders dankte mir Bergbauer für die Organisation von Festveranstaltungen der Freiwilligen Feuerwehr und der Gstanzlsingertreffen in Neurandsberg, die seit über 10 Jahren weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt seien. Diese Abende, bei denen auch ich, wie er hoffe, auch weiterhin Gstanzl singen würde, seien zu einer festen Einrichtung geworden. In Würdigung all dieser Leistungen ernannte er mich zum Ehrenvorstand unserer Freiwilligen Feuerwehr. "Pflichten hast du keine mehr, nur noch Rechte. Bleib uns und dem Verein noch lange erhalten." Mit diesen Worten überreichte mir Bergbauer eine wertvolle Taschenuhr.

Er sei gerne nach Neurandsberg gekommen, um einen solchen Mann zu ehren. Mit diesen Worten begann Bürgermeister Schwarz seine Rede. Ich sei ein Mann mit eisernem Willen gewesen, der nie müde geworden sei, für seine Feuerwehr zu kämpfen. Die Gemeinde sei froh, solche Leute zu haben. Mein Interesse hätte aber nicht nur der Feuerwehr gegolten, so der Bürgermeister weiter. Besonders danke er mir für das ins Leben gerufene Gstanzlsingen. Die Gstanzlabende hätten das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde sehr bereichert. Mit Dankesworten überreichte mir Bürgermeister Schwarz eine Urkunde. Diese bestätigte meine Ehrenvorstandschaft und war von der Gemeinde Rattenberg sowie vom Vorstand und vom Kommandanten der Feuerwehr unterzeichnet.

Diese Ehrung war für mich einmalig, da ich noch so jung war. Außerdem hatte ich meine Arbeit in der Freiwilligen Feuerwehr für selbstverständlich gehalten, denn: "Helfen in Not ist unser Gebot."

Der erste Kommandant machte seine Rede kurz. Da er mein Bruder war, sagte er nur, - und damit sprach er allen Anwesenden aus dem Herzen - : "Ich hoffe, Cornelius, dass du bald wieder gesund wirst." Vorstand Bergbauer überreichte anschließend einen großen Blumenstrauß an meine Ehefrau. Dies möge eine kleine Abfindung sein für die vielen Stunden, die ihr Mann bei der Feuerwehr unterwegs gewesen sei, sagte er.

Zum Schluss bedankte ich mich für die Ehrung und das Geschenk und fügte hinzu, sobald es meine Gesundheit zulasse, würde ich wieder voll für meine Kameraden dasein.

Die Vorboten eines Hirntumors

Ich war 37 Jahre alt, als sich eine vermeintliche Grippe verschlimmerte. Mit Medikamenten, die mir mein Hausarzt verschrieb, wurde es etwas besser. Meine Kopfschmerzen hörten aber nie auf. Ich ließ mich bei Fachärzten und beim Zahnarzt untersuchen; die Ursache konnte nicht gefunden werden.

So verging ein Jahr, in dem ich auch deshalb meine Arbeit bei einer Baufirma aufgeben musste, weil ein Kran ein langes, schweres Bohlenstück verloren hatte, das mir auf den Rücken fiel. Mit einer Bandscheibenverletzung hatte ich lange das Bett zu hüten. Der Bandscheibenschaden blieb mir bis heute ein Hindernis. Ich fand eine leichtere Arbeit als Lastwagenfahrer bei der Post. Aber die Kopfschmerzen gingen nie zurück. Ich arbeitete trotzdem in Vereinen und zu Hause weiter, und meinen Humor verlor ich nie. Im Frühjahr 1983 verschlimmerte sich dann meine schmerzhafte Krankheit. Oberhalb des linken Auges bis zum Ohr waren die Kopfschmerzen besonders stark geworden. Schlaflose Nächte waren eine dauernde Begleiterscheinung.

Diagnose Hirntumor

Kurz vor Weihnachten schrieb mein Hausarzt eine Überweisung zu einem Nervenarzt in Straubing.

Nach einem Computer- Tomogramm und anderen Untersuchungen fand er die Ursache meiner Kopfschmerzen. Die Diagnose war schockierend, ich hatte einen Hirntumor im fortgeschrittenen Stadium. Bei der Schlussbesprechung sagte der Arzt zu mir: "Es gibt nur eine Lösung: Sofort in eine Fachklinik zur Operation!" Er schrieb gleich eine Überweisung für eine Klinik in München. Es waren keine schönen Festtage mehr für mich und meine Ehefrau. Kinder hatten wir keine; so war wenigstens für solche nicht zu sorgen. Waren auch meine Gedanken ständig bei dieser schwierigen Operation, so hoffte ich doch, bald wieder gesund zu werden und wieder arbeiten zu können. Mit dieser Hoffnung fuhr ich einen Tag nach Weihnachten nach München.

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Hirnoperation in München

Da meine Frau berufstätig war, konnte sie mich nicht nach München begleiten. Sie wünschte mir, so wie auch die Nachbarn, gute Besserung. Da die Schmerzen immer schlimmer wurden, nahm ich die Vorbereitungen im Krankenhaus zur Operation nur noch nebenbei wahr. Ein erfahrener Chirurg übernahm die Operation, die sieben Stunden dauerte.

Als ich wieder aus der tiefen Narkose erwachte, war ein guter Tag vergangen. Völlig entkräftet lag ich im Bett. Mit besorgten Gesichtern standen die Ärzte vor meinem Bett. Sie hofften, hörte ich sie sagen, dass keine Folgeschäden eintreten würden, die bei solchen Operationen entstehen können. Diese wären Lähmungserscheinungen, Verlust der Sprache sowie Taubheit. Auch die Augennerven könnten verletzt oder ganz zerstört worden sein, oder eine Embolie könnte sich anschließen.

Konnte ich einen Tag nach der Operation noch sehen, so war anderntags ein Auge schon fast blind. "Wenn das nur nicht schlimmer wird", dachte ich. Aber am anderen Tag war es doch geschehen. Völlig blind lag ich im Bett. Ein großer Schock überfiel mich. Soll ich für den Rest meines Lebens blind sein? ,Bei der Visite war gleich meine Frage: "Kann ich mein Augenlicht wieder bekommen?" Der Arzt meinte darauf: "Wir wollen es hoffen, garantieren können wir es nicht. Durch das Herausschneiden der Außenknochen und das Entfernen des Tumors können Nerven zerstört worden sein. Viele Patienten haben nach etlichen Tagen wieder sehen können. Hoffen wir, dass dies auch bei Ihnen der Fall sein wird." Es waren traurige Tage, bis es nach etwa zwei Wochen wieder hell um mich wurde.

War die tägliche Körperpflege schon fast unmöglich, so plagten mich die Gedanken weit mehr, wie es nun weitergehen sollte. Da ich bei den Arztvisiten noch zusätzlich hörte, dass es um mich nicht gut stünde, war ich nahe daran, meinen Optimismus zu verlieren.

In schlaflosen Nächten dachte ich an zu Hause, an meine Frau und an alles, was ich schon erlebt hatte. Besonders meine Kameraden von der Feuerwehr marschierten vor meinem geistigen Auge vorüber. Viele lustige Sachen waren in dem gedanklichen Rückblick enthalten. Ich musste trotz der großen Schmerzen oft lachen. Dieser Humor und meine Gedanken an die Heimat, glaube ich, haben viel zur Heilung beigetragen.

Was aber bestimmt auch geholfen hat, war das Beten. Da ich mit meinen Geschwistern sehr religiös erzogen worden war, war auch jetzt der Glaube mein bester Halt. Als Marienverehrer galt besonders der Muttergottes meine erste Bitte. In der Nähe meines Elternhauses steht ein Wallfahrtskirchlein, das der Heiligen Maria geweiht ist. Viele Votivtafeln zeugen von ihrer Hilfe; so hoffte auch ich, von ihr Hilfe zu bekommen. Als es mit meiner Gesundheit wieder besser wurde, galt der Dank besonders auch ihr. Der Arzt sagte aber auch, es hätten mein Humor und mein eiserner Wille zum Gesundwerden beigetragen.

Beim Abschied sagte der Arzt: "Gehen Sie nach Hause. Sie sind für die nächste Zeit noch krank geschrieben. Kommen Sie aber bitte in sechs Monaten zur Nachuntersuchung wieder. Wollen wir hoffen, dass alles gut verläuft."

Bis die notwendigen Formulare geschrieben wurden, verständigte ich telefonisch meinen Bruder. Der Abschied von meinen Mitpatienten war herzlich. Wir wünschten uns eine dauerhafte Genesung und beschlossen, weiterhin in Verbindung zu bleiben. Dann fuhr mich mein Bruder von München nach Hause.

Die sechs Monate Wartezeit bis zur Nachuntersuchung

Das Wiedersehen mit der Ehefrau, mit den Geschwistern, mit den Verwandten und Bekannten war sehr schön. Endlich war ich wieder in meiner geliebten Heimat!

Kurze Spaziergänge mit meinem Dackel waren für mich eine Erholung. War ich auch von der Operation noch geschwächt, so zog es mich bald wieder zu meinen Kameraden von der Feuerwehr. Der zweite Kommandant hatte zwar alle Arbeit während meiner Abwesenheit übernommen, doch waren alle froh, den ersten wieder in ihrer Mitte zu haben. Konnte ich auch noch keine öffentlichen Veranstaltungen besuchen, so teilten doch alle meine Freude darüber, dass ich wieder einigermaßen gesund nach Hause gekommen war.

Mein gesundheitliches Befinden blieb dennoch unangenehm. Kopfschmerzen, besonders bei Wetterwechsel, plagten mich weiterhin; gefährlich war auch das Schwindelgefühl, bedingt durch zu niedrigen Blutdruck. Manchmal wurde ich bewußtlos.

Drei Monate nach der Operation passierte etwas Schlimmes. Nach einer unruhigen Nacht, in der ich starke Kopfschmerzen hatte, konnte ich am Morgen fast nichts mehr hören. Ein Facharzt, zu dem ich überwiesen wurde, stellte fest, dass durch die Operation ein Gehörnerv so stark geschädigt wurde, dass er seine Funktion aufgegeben hat. Nun war ich linksseitig taub; das war zunächst ein Schock für mich. Ich bekam ein Hörgerät, es machte jedoch viele Geräusche und dröhnte bei der lauten Musik der Heimatabende, über die am Ende des Buches berichtet wird. Es dauerte lange, aber dann lernte ich, den Leuten vom Mund abzulesen.

Die beiden Ämter als Vorstand und Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr hätte ich zwar kündigen können, dies wollte ich jedoch nicht. Ich hoffte immer noch, dass ich wieder gesund werden würde.

Allmählich konnte ich aber meine bisherige Arbeit nicht mehr erledigen. In schlaflosen Nächten dachte ich oft nach, wie es weitergehen sollte. Sollte ich eine Umschulung machen, oder ergab sich eine andere Möglichkeit?

So vergingen sechs Monate. Es nahte der Termin für die Nachuntersuchung in der Münchener Fachklinik. Hoffentlich ist alles in Ordnung, dachte ich. Viele Gebete richtete ich deshalb zum Himmel.

"Ihr Tumor ist nachgewachsen und inoperabel"

Mein Bruder fuhr mich für diese Nachuntersuchung wieder nach München. EKG, Röntgenaufnahmen und das Computertomogramm wurden wieder durchgeführt. Blutuntersuchungen und Gespräche mit Ärzten gehörten ebenfalls dazu.

Am vierten Tag bekam ich vom Chefarzt die niederschmetternde Mitteilung, die einem Todesurteil gleichkam: "Der Tumor ist wieder nachgewachsen, eine zweite Operation ist nicht möglich." Da die erste Operation schon schwerwiegende Folgen hatte, müssten mit der zweiten noch schlimmere Dinge befürchtet werden. Der Tumor sei so verwachsen, dass er ohnehin nicht mehr ganz entfernt werden könne.

Völlig niedergeschlagen lag ich nun in den Federn. Noch keine vierzig Jahre alt und die Lebenserwartung gleich Null!

"Es muss weitergehen!" sagte ich mir. Lieber wollte ich Frührentner sein, Hauptsache, ich bleibe am Leben. Welche Gedanken mir damals durch den Kopf gingen, kann man nicht beschreiben. Ich weiß nur noch, dass ich viel gebetet habe. Dies hat mir geholfen, aber auch der Lebenswille. So schlimm die Diagnose auch war, mein Hirntumor sei jetzt inoperabel, kleine Scherze mit den Mitpatienten machte ich trotzdem.

Bei der nächsten Visite hatte ich mit dem Arzt ein ernstes Gespräch. Nach seiner Ansicht gäbe es nur eine Lösung, die zwar nicht einfach wäre, aber vielleicht Hilfe bringen könnte, nämlich Bestrahlungen und Chemotherapie. Große Schmerzen und Haarverlust wären die Folge. Diese Methode lehnte ich ab. Bestrahlungen lehnte ich deshalb ab, weil meine Mutter während einer Krebserkrankung schlechte Erfahrungen mit einer Strahlentherapie gemacht hatte. Nach diesem Meinungsaustausch sagte der Arzt: "Wenn Sie jede Behandlung ablehnen, kann ich Ihnen auch nicht mehr helfen. Sie haben vielleicht noch einen Monat zu leben."

Nun wusste ich, wie schlecht es um mich stand.

"Herr, lass mich noch leben, ich will noch viele gute Werke tun"

Als mir mitgeteilt worden war, dass ich nur noch einen Monat zu leben hätte, schlief ich - nach einem Traum über meine Kindheitsjahre - wieder ein. Ich kann die Bilder und Gestalten, die mir im folgenden Traum erschienen, bis heute nicht vergessen.

Ich erkannte im Traum, was gut und böse ist, und was ich im Leben falsch gemacht hatte. Ich träumte auch davon, was ich hätte besser machen können. Ich gelobte in diesem Traum, diese guten Vorschläge zu befolgen.

Zuletzt sah ich im Traum die Himmelsleiter Jakobs. Im Religionsunterricht war uns öfter über die Himmelsleiter Jakobs berichtet worden. Unser Religionslehrer verglich die Himmelsleiter mit dem Lebensweg eines Menschen, der gläubig nach Gottes Nähe sucht.

Im Alten Testament finden wir folgende Überlieferung: Auf seiner Flucht legte Jakob zum Schlafen einen Stein unter seinen Kopf. Im Traum sah er eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Engel stiegen auf der Leiter zur Erde hinab und wieder zum Himmel hinauf.

Ich wollte im Traum auf die erste Sprosse der Leiter steigen. Da sah ich mich schon auf der obersten Sprosse stehen. Sollte dies bedeuten, dass mein Lebensweg zu Ende war? Oder sollte ich im Leben nicht mehr brauchbar sein? Da erwachte ich. Ich dankte Gott, dass ich noch lebte.

Es war ein langer Traum, er dauerte zwar nur eine Nacht, aber ich glaubte, es wäre eine Ewigkeit. In den letzten Phasen des Traumes gelobte ich meinem Gott, noch viele gute Werke zu tun, wenn er mich noch einige Jahre leben ließe. Meine Bitte wurde erhört; zehn Jahre sind nun seit der Hirnoperation vergangen. Ich konnte mein Versprechen bis heute einhalten.

Hilfe im Landshuter Kankenhaus

Ein Taxifahrer brachte mich von München heim. Unterwegs fragte er, was denn dem jungen Mann fehlen würde. Als ich meine Geschichte erzählt und hinzufügt hatte, ich hätte nicht mehr lang zu leben, sagte er: "Schlimm, aber nicht aussichtslos. Ich rate dir, fahre ins Krankenhaus nach Landshut, dort bist du nicht nur eine Nummer wie in München. Die Ärzte in Landshut sind Spezialisten. Sicher findest du dort Hilfe."

Zu Hause beriet ich mich mit meiner Frau. Aber da ich noch nie ein Pessimist war, kam ich zu dem Entschluss, nach Landshut ins Krankenhaus zu fahren. Ich wollte die Meinen noch nicht für immer verlassen, und auch die Kameraden von der Feuerwehr brauchten mich nach meiner Überzeugung noch.

Im Landshuter Krankenhaus sprach ich lange mit dem zuständigen Arzt, der mir zwei verschiedene Medikamente verschrieb: ein Medikament zum Eindämmen des Tumors und eines für eine gute Blutzirkulation. Der Arzt machte mich auch darauf aufmerksam, dass ich nun die Rente einreichen müsste, weil ich durch meine Hirnoperation arbeitsunfähig sei. Er verbot mir jede körperliche Tätigkeit. Und jede Aufregung, sagte er mir, sei schädlich. Es könne dann passieren, dass ich das Bewusstsein verliere.

Ich hatte nun wieder Aussicht auf ein Leben, auch wenn es das Leben eines Frührentners war. Es dauerte lange, bis ich mich daheim an meinen Rentner-Alltag gewöhnte. Finanziell war es eine Einbuße, wenn man bedenkt, dass ich vorher gut verdient hatte und nun eine kleine Rente erhielt.

Da meine Frau erwerbstätig war, blieb sie weiterhin bei ihrer Firma, und ich betätige mich seitdem als Hausmann.

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Brauchtumspflege, Heimatabende und Gstanzlsingen

Meine besondere Liebe gilt der Brauchtumspflege und dem Gstanzlsingen. Das Gstanzlsingen - bekannt schon durch den "Roider - Jackl" - wurde schon immer in der Kerscher - Familie gepflegt. Nach Besuchen von Sängertreffen in Nachbarorten war es mein Wunsch, auch in meinem Heimatort Rattenberg Sängertreffen zu organisieren. Der Beliebtheitsgrad solcher Veranstaltungen zeigte sich bald am zahlreichen Besuch.

Da jedoch die Schnadahüpfl, auch Gstanzl genannt, im Dialekt gesungen wurden, wurden sie manchmal von den norddeutschen Urlaubern nicht verstanden. Die Feriengäste aus Norddeutschland wollten auch etwas hören oder sehen, das sie verstehen konnten. Deshalb wurden für die Feriengäste die Programme der Heimatabende aufgelockert. Sängergruppen mit Heimatliedern wechselten mit Trachtengruppen ab. Ziehharmonikatreffen mit Gesang wurden ebenfalls geboten.

Es soll erwähnt werden, wer den Erlös der vielen Veranstaltungen bekam. In den ersten Jahren floß der Betrag der Feuerwehrkasse zu. Dann wurde für Renovierung der Wallfahrtskirche in Neurandsberg, für die neue Orgel in der Pfarrkirche Rattenberg und für den Kindergarten der Gemeinde Rattenberg gespendet.

Besonders wichtig ist es uns jetzt, kranken Mitmenschen zu helfen. Krebskranke Kinder, die das ganze Leben noch vor sich haben könnten, brauchen dringend Hilfe. Den Erlös der Veranstaltungen erhält jetzt das Hauner’sche Kinderspital München e.V. für krebskranke Kinder. Solange ich Veranstaltungen organisiere, will ich diesen krebskranken Kindern helfen.

Meine Krankheit machte es mir zuweilen schwer, diese Veranstaltungen zu organisieren. Klinikaufenthalte, Kopfschmerzen sowie Anfälle, die mich ans Bett fesselten, wollten mich manchmal zum Aufgeben zwingen.

Ein wichtiger Punkt der Heimatabende ist die finanzielle Seite. Das Organisieren, Plakate drucken, Einladungen schreiben usw. kostet Geld. Davon bleibt mir viel Arbeit überlassen, um die Unkosten zu reduzieren. Trotzdem will ich diese Veranstaltungen weiterführen.

Eine Bauernhochzeit im Bayerischen Wald

Wie es bei einer Bauernhochzeit zugeht, weiß ich selber sehr gut, mache ich doch manchmal Hochzeitslader.

Schon mein Vater und mein großer Bruder waren viele Jahre bei Hochzeiten "Brautführer". Oft werden vom Hochzeitslader einen Monat vor der Hochzeit 150 und mehr Gäste persönlich eingeladen.

In den folgenden Abschnitten wird eine Hochzeit im Bayerischen Wald geschildert. Zuerst wird die Rede des Hochzeitsladers vor dem Brautpaar und seinen Gästen wörtlich wiedergegeben:

"Eine kleine Weile zu schweigen und eine kleine Weile aufmerksam zu sein; so mache ich eine kleine Danksagung für Herren und Frauen, für Jünglinge und Jungfrauen. Ich mache aber auch meine Danksagung im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, Gott Vater, Sohn und Gott Heiliger Geist."

"Nun bitte ich, noch zu schweigen und stille zu sein; denn ich habe wegen diesem so schätzbarsten Brautpaar etliche Worte hervorzubringen, weil heute auf meine Einladungen alle hochzeitlichen Ehrengäste erschienen sind. Und so haben wir uns heute auf die Reise gemacht und sind zu der wunderschönen Kirche gekommen. Alldort hat der Hochwürden Herr Pfarrer dem hochgeschätzten Brautpaar seinen heiligen Segen erteilt. Darum frisch auf Musikanten, dem Herrn Pfarrer zu Ehren, lasst eure Instrumente hören."

Nach dem ersten Tusch der Musikanten:

"Wir sind aber von dieser Kirche in aller Ehrbarkeit herausgezogen und sind angekommen bei dem ehrengeachteten Gastgeber. All da sind wir bei ihm zu Tische gesessen. So wollen wir Gott auch nicht vergessen, weil er heut unser oberster Hochzeitsgast ist gewesen. Nicht in seiner sichtbaren, aber in seiner unsichtbaren Gestalt."

Nach dem zweiten Tusch:

"Und jetzt haben wir uns an einen sauberen Tisch gesetzt und in der Mitte eine große Schüssel hinstellen lassen. Jeder hochzeitliche Ehrengast soll unter meiner Danksagung sein Schenkgeld für das Brautpaar hierherbringen. Je größer der Schein, umso größer wird auch die Freude sein. Aber auch den Hochzeitslader und die Musik soll man nicht vergessen und sie mit einer Geldgabe vermessen!"

"Und so ehren wir nun den ehrengeachteten Herrn N.N. und dessen vielgeliebte Braut. Sie schreibt sich heute zum letztenmal R. und zum erstenmal M. - So wünschen wir dem Brautpaar recht viel Glück und Segen, auf dass sie leben in Liebe und Treue, bis in den Tod. Drum auf, Musikanten, dem Brautpaar zu Ehren, lasst ein kräftiges Vivat hören!"

Es folgt das sogenannte "Schenken" oder "Danken" aller Hochzeitsgäste. Anschließend wird für den Gastwirt vom Hochzeitslader der überlieferte Dankesvers ausgesprochen und ihm von der Kapelle ein Tusch geblasen.

Zum Schluss spricht der Hochzeitslader folgende Sätze:

"Ein schöner und herrlicher Tag war heute dieser Hochzeitstag. Darum lässt euch das Brautpaar bitten, ihr wollet euch diesen Tag nicht gereuen lassen. Ich bitte auch für meine Person, sollte ich einen Namen der werten Gäste nicht recht hervorgebracht haben, so ist es nicht meine Schuld, sondern es ist mir so angegeben worden. Sollte aber in nächster Zeit eine Hochzeit sein, stellt mich auch wieder als Hochzeitslader ein. Und so bedanken wir uns bei Vater und Mutter, Bruder und Schwester des verehrten Hochzeitspaares und allen hier anwesenden Hochzeitsgästen und wünschen allen eine glückliche Heimreise. Nun mache ich mit der Danksagung Schluss; es bedankt sich der Hochzeitslader Cornelius."

Verse, die der Hochzeitslader im Sprechgesang vorträgt

Weil ma heut sand so lustig, Musik tuat so schö klinga,
tua i zur Unterhaltung a paar Gstanzl singa.

Unsere Brautleut sand eigsengt, sand Mann und auch Wei,
und sand alle zwoa recht froh, dass jetz is vorbei.

A so a schöns Brautpaar gibts net alle Jahr,
des hat sogar der Herr Pfarrer gsagt, vorn am Altar.

De Vögerl im Woid ham heut traurig gsunga,
wie Braut hat vo dahoam heut Abschied gnumma.

A junga Mensch, der wenn heirat, des ghert richtig gfeiert, weil
bloß oamoi im Leben
tuats an Hochzeitstag gebn.

Halts ma ja recht guat zamm in de junga Jahr,
dann hält d`Liab recht lang her und wird gar nimmer gar.

Liabe Brautleut, i wünsch eich a recht a langs Lem,
unser Herrgott im Himme mög sein Segn dazua gem.

Mei liaba Hochzeita, jetz is um dich gscheng,
an Huber sei Cilli hätt di a so gern gseng.

Es is ja ganz traurig, es is unerhört,
was sich heutzutags alles zum Heiraten ghört.

Mit 15 Jahr geht d`Liab an, gheirat werd ohne Bett und ohne Geld,
mit 20 Jahr sands wieda gschiedn, des nennt ma die moderne Welt.

In der heutigen Zeit, wo soviel Ehen gengand ausanand,
wünsch ich euch von Herzen, halts es zwoa guat zamm.

Wia Braut heut von dahoam fort is, hat ihr d`Mutter Weihwasser gem,
und wünscht ihr alls Guate fürs spätere Lem.

Und oans derf ma net vogessn, des is ja ganz klar,
der Vater is für sei Tochter a nach der Heirat no da.

 

Gstanzl, die dem Brautpaar vorgetragen werden:

 

Wünsch euch viel Glück im Ehestand, hat eins das andere lieb,
der Ehestand ist berufen, tut jedes seine Pflicht.

Gar traurig ist das Schicksal, wenn`s in Erfüllung geht,
wenn schon die Braut so frühzeit oft mit dem Tod abgeht.

Der Mann, der steht am Grabe, voll Tränen, Angst und Leid,
und sieht seine Liebste nie mehr bis in die Ewigkeit.

Und sagt:"Was meine Gattin noch hinterlassen hat,
ist das von ihrem Blute, das seh ich jeden Tag."

Nun, meine lieben Brautleut, schweigt nur ein wenig still,
es sind nicht meine Worte, ist alles Gottes Will`.

 

Zur Unterhaltung der Hochzeitsgesellschaft trug der Hochzeitslader Cornelius Kerscher oft folgende selbstgedichtete Gstanzl vor:

Ja, jetz werd i a paar singa, des woaß, i ganz gwiß,
und werd eng jetz erzähln, wias früher in der Hochzeit gwen is.

I woaß ja des ganz gwiß, und manche hörn des gar nia,
aber oganga is allerweil scho bei Zeitn in der Früah.

Des war halt a schöna Brauch, es geht a so zua,
Kranzljungfrau und der Brautführer und Musikanten grad gnua.

Na is halt der Brautführer mit de Musikanten, weils de Leut a so gfallt,
ins Elternhaus higfahrn und ham de Braut gholt.

Warn alle im Wirtshaus, da wars nimmer arg,
da ham der Hochzeitslader und die Weißwürscht scho gwart.

Endlich warn alle beinander, es hat neamad mehr gfehlt,
na hat der Hochzeitslader den Hochzeitszug zammgstellt.

D`Musi hats Spieln ogfangt, gscheppert hats gnua,
na sand alle mitananda der Pfarrkircha zua.

Da drin in der Kircha, da hat niemand mehr glacht,
da hat der Herr Pfarrer de zwoa zu an Ehepaar gmacht.

Und wieder ei dann en Tanzbodn, do war des a Pracht,
do hams als ersts dann an Hungatanz gmacht.

Allmählich is zum Essn worn, is nimmer viel Zeit bliem,
derweil hat sich der Hochzeitslader seine Leut
zum Ehrn zammagschriem.

Da Brautführer hat nacha Singa ogfangt, wias es se ghert,
liebe Leut, richts eich a Geld her, jetz wird na glei gehrt.

Dann hams mit dem Ehrn ogfangt, es geht a so uma,
und der Brautführer hat dann alle recht schö dasunga.

Danach hams dann die Braut gstohln, ja, des warn so Kundn,
de hams oft weit fort und hams oft lang nimmer gfundn.

Hernach hams nochmal was gessn, des ghert a no dazua,
dann hams weitertanzt bis um zwölfe, und dann war a Ruah.

S`Brautpaar is na aufgstandn, ham gsagt, sie möchtn nach Haus,
und der Brautführer hats nochmal außegsunga, hat gsagt, d`Hochzeit is aus.

Schlusswort des Optimisten Cornelius Kerscher

Zum Schluss dieses Büchleins möchte ich nochmal allen Menschen den Rat geben, nie den Kopf hängen zu lassen, nie den Mut zu verlieren. Es gibt in meiner Heimat ein altes Sprichwort, nach dessen Motto ich lebe:

"Manche Tag sand voller Zwidanussn,

dass ma froh war, wanns oan niedaschussn.

Zum Glück gibts wieda bessere Tag,

wo man wieder leben mag."

 

 

Parallele Wege

von Dr. E. Frühwald,
dem Lektor des vorliegenden Buches

Ich lernte Cornelius Kerscher während eines Klinikaufenthaltes kennen. Er berichtete mir erst mündlich und später schriftlich über sein Leben.

In unseren Lebenswegen fand ich manche Parallelen.

Cornelius Kerscher wuchs wie ich in einem einsam gelegenen bayerischen Weiler auf. Jeder erlebte mit seinen Geschwistern eine fröhliche Kindheit. Die Erziehung in unserem Elternhaus war gütig und streng christlich,. Vater und Mutter waren uns ein Vorbild. Cornelius Kerscher verlor bald seine Eltern und ich meine Mutter noch in der Volksschulzeit. Später lernte jeder von uns das Leben im Kloster kennen.

Infolge solcher Parallelen unserer Lebenswege konnte ich mit Einfühlungsvermögen das Schicksal des Cornelius Kerscher im geschriebenen Wort nachvollziehen.